Henryk M. Broder / 10.08.2018 / 13:00 / Foto: Palickap / 58 / Seite ausdrucken

Schafft doch das Kindergeld ab!

Kaum hatten gestern einige besorgte Bürgermeister vor Betrügereien bei der Überweisung von Kindergeld ins Ausland gewarnt, setzten die ARD und das ZDF zu einer Aufklärungsoffensive an. Alles halb so wild, hieß bei den Tagesthemen und dem heute-journal, man müsse sich die Zahlen, um die es geht, nur mal genauer ansehen. 

Christian Sievers startete das heute-journal von gestern mit einem kurzen Bericht zur Wetterlage, um sich gleich danach dem Thema des Tages zuzuwenden. 

36 Milliarden Euro an Kindergeld hat der deutsche Staat im vergangenen Jahr ausgezahlt, noch nicht einmal ein Prozent davon an deutsche und andere EU-Bürger in Deutschland, deren Kinder im Ausland leben. Das ist nur ein kleiner Bruchteil des Gesamtbetrages, aber er sorgt für große Diskussionen. Eine Reihe von Oberbürgermeistern, der Duisburger etwa, ein SPD-Mann, schlagen Alarm. Sie sehen da eine Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme, Armutsflucht innerhalb Europas. Das Thema hat Sprengkraft und umso wichtiger sind, wieder einmal, die Fakten. In der Tat, die Zahl der Kinder, die deutsches Kindergeld bekommen, obwohl sie nicht in Deutschland leben, ist deutlich gestiegen, dafür gibt es Gründe und gesetzliche Regelungen.

Dann hörten wir Andrea Nahles, die sich schon als zuständige Ministerin darum bemüht hat, "das Problem auf europäischer Ebene zu lösen", es aber nicht geschafft hat, jetzt will sie es "auf nationaler Ebene anpacken". Ihr folgte einer, "der seit Jahren über deutsche Sozialpoliitik forscht", Professor Stefan Sell von der Hochschule Koblenz. Der erklärte erst einmal die "Grundidee des Kindergeldes", wies dann darauf hin, dass es sich bei den im Ausland lebenden Kindern, die Kindergeld bekommen, um "weniger als ein Pozent" handelt, "wo das Geld ins Ausland geht", wobei ganz viele polnische Staatsbürger dabei sind, die unter der Woche in Deutschland arbeiten und am Wochenende wieder nach Hause zu ihren Familien fahren. Zusammengefasst, sagte der Prof. aus Koblenz, gehe es um "ein Prozent der Kinder und ein Prozent der Ausgaben und davon nur ein ganz kleiner Teil, wo wirklich tatsächlich Missbrauch betrieben wird", der zu bekämpfen ist.

Was ist schon ein Prozent von 36 Milliarden?

Was lehrt uns das? Wissenschaftlich betrachtet haben wir es wirklich und tatsächich mit  einem Sturm im Wasserglas zu tun, Peanuts sozuagen. Was ist schon ein Prozent von 36 Milliarden? Nun, genau genommen sind es 360 Millionen Euro. Über solche Zahlen muss man sich nicht aufregen. Andererseits, ARD und ZDF können auch bei kleinen Beträgen pingelig sein, zum Beispiel bei den 17 Euro und 50 Cent, die sie von jedem Haushalt als Beitrag einfordern, ganz unabhängig davon, ob in diesem Haushalt ein TV-Apparat steht oder nur eine Tiefkühltruhe mit Gammelfleisch. Da kennen die Öffentlich-rechtlichen Anstalten keine Gnade, und da arbeiten sie, Datenschutz hin oder her, mit den Meldeämtern zusammen. 

Auch die Tagesthemen nahmen sich des Themas an. Es stehe der Vorwurf im Raum, so Pinar Atalay in ihrer Anmoderation, "dass viele nur nach Deutschland kommen, um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch wie etwa das Kindergeld abzugreifen". Der OB von Duisburg bestätigte dies. worauf Frau Atalay von ihm wissen wollte, ob es ihm klar wäre, dass er mit solchen Worten "den Populismus befeuern" würde.

In diesem Moment nahm ein Verdacht Gestalt an  dass Frau Atalay nicht weiß, wovon sie redet, dass nicht der "Populismus" das Problem ist sondern ein System, das zum Missbrauch einlädt. In der Überleitung zum Tagesthemen-Kommentar sagte sie: "Insgesamt zahlte der deeutsche Staat im vergangenen Jahr 36 Milliarden Euro Kindergeld, 1,7 Prozent davon sorgen für heftige Diskussionen."

Nanu, eben beim ZDF war es erst ein Prozent, jetzt bei der ARD sind es schon 1,7 Prozent, also nicht läppische 360 Millionen, sondern mehr als eine halbe Milliarde. Was stimmt denn nun? Wer sagt die Wahrheit? Können sich ARD und ZDF nicht wenigstens auf die gleichen Zahlen einigen?

Mein Vorschlag: Schafft das Kindergeld einfach ab. Der Missbrauch eines Rechts lässt sich nur durch die Abschaffung dieses Rechts verhindern. Bei der Meinungsfreiheit sind wir, dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und Heiko Maas sei Dank, schon so weit. Die eingesparten 36 Milliarden können besser angelegt werden. In Maßnahmen zum Schutz des Klimas oder zur Förderung der Integration durch Kurse für diejenigen, die schon länger hier leben.

Foto: Palickap CC BY-SA 3.0, via Wikimedia

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Bärbel Schneider / 10.08.2018

Ich bin Ihrer Meinung, Herr Broder: das Kindergeld abschaffen, dafür den Steuerfreibetrag erhöhen und alle Leistungen, die Kinder direkt betreffen, kostenlos (oder zu einem sehr geringen Betrag - was kostenlos ist, wird oft nicht geschätzt) zur Verfügung stellen. Ich denke dabei z. B. an Eintrittskosten, Kita, Schule, Mittagessen in den Einrichtungen, Einrichtungen rund um die Uhr öffnen, so dass Babysitterkosten entfallen, Kleidungsgutscheine für bedürftige Kinder ... Ich meine gelesen zu haben, dass jetzt in Österreich ähnlich verfahren werden soll. Kinder zu haben, darf nicht zum Geschäftsmodell für die Aufbessung des Familieneinkommens, oft ohne dass es den Kindern zugute kommt, verkommen. Wenn man unsere ausländischen Gastarbeiter angemessen bezahlt, werden sie das Kindergeld auch nicht vermissen und dennoch wieder bei uns arbeiten.

Peter Korne / 10.08.2018

Lieber Herr Broder, wie üblich wissen sowohl ARD und auch ZDF nichts Genaues (oder wollen es nicht genau wissen bzw. wiegeln einfach ab – auch eine Art von Lügenpresse). Der Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat da genauere Zahlen bekanntgegeben: Im Juni 2018 wurde für 268.336 Kinder außerhalb Deutschlands Kindergeld bezahlt (im europäischen Wirtschaftsraum, zumeist für Kinder in Polen, Tschechien, Kroatien und Rumänien). Für das erste Kind gibt es 194, das zweite 200, das dritte 225 Euro. Im Mittel also grob 206 Euro. Waren also im Juni dieses Jahres 268336 x 200 Euro = 55.277.216 Euro. Aufs Jahr gerechnet ergibt das grob: 55 Millionen x 12 = 660 Millionen Euro – Tendenz steigend, denn die Verlockung ist groß. Nach EU-Angaben beträgt das Durchschnittsgehalt in Rumänien 715 Euro brutto, das Kindergeld in Rumänien zwischen 18 und 43 Euro. Also ab nach Deutschland: irgend eine Bude als Wohnsitz anmelden, dann ein Papierchen als Arbeitsnachweis und zum Schluss einen einfachen Antrag für drei Kinder im Heimatland - schon hat man einen hohen Zusatzverdienst. Nun, Sintis und Romas haben zumeist mehr als drei Kinder. Die seien ihnen auch für ihre Versorgung im Alter gegönnt (miese Renten im Heimatland), aber dann wird der kostenlose Zusatzverdienst in Deutschland nicht nur hoch, sondern geradezu üppig. Ein verlockendes, offenes Scheunentor für Betrügereien, was nicht wenige Kommunen beklagen. Muss das denn sein?

Jens Kirschbaum / 10.08.2018

Am 20. März dieses Jahres hat schon ein anderer Leser folgendes - aus meiner Sicht vollkommen Richtiges - angemerkt: Die Frage “Sind Sie sich im Klaren, dass Sie von der falschen Seite Beifall bekommen?” ist durchaus beliebt. Die Richtigkeit der Aussage wird also nicht in Zweifel gezogen, man fürchtet aber offenkun-dig die Beurteilung und Interpretation durch den Konsumenten. Ich stelle mir dann immer die Frage: Glauben die Journalisten nicht an den mündigen Bürger, oder fürchten sie, dass es ihn gibt?”

Rafael Sterzer / 10.08.2018

Ich habe schon vor langer Zeit selbst eine Petition gestartet die das Ziel hatte, das Kindergeld abzuschaffen und dieses durch steuerlicher Vorteile für Familien auszugleichen. Leider erfolglos. Dann habe ich bei einer fremden Petition mitgemacht, die das gleiche zum Ziel hatte. Auch erfolglos. Mittlerweile habe ich aufgegeben mich damit zu befassen. Es ist wie bei GEZ - man kommt mit Vernunft und Logik da nicht ran. Auch nicht beim Kindergeld. Das Geld auf die Konten der Sorgeberechtigten auszuzahlen ist halt einfach, kommt aber in vielen Fällen nicht direkt den Kindern zu Gute. Dafür aber einer neuen und üppigen Elektronikausstattung im Haushalts und/oder der Anschaffung von Genussmitteln. Aber ich rege mich schon wieder zu sehr auf… Dieses Land ist verloren - vorerst. Warten wir die nächsten Wahlen ab.

Marion Zirngiebel / 10.08.2018

Peanuts hin und zurück. WO meldet soeben, dass 83 Prozent der Deutschen gegen Kindergeldzahlungen ins EU Ausland sind. Auch über Parteigrenzen hinweg bleibt die Ablehnung groß. Unabhängig davon, ob die Gelder nach Polen, Rumänien oder sonstige Drittstaaten fließen. Soll das relativiert werden? Hier bedarf es einer Regelung. Deutschland ist nicht das Sammelbecken für soziale Wohltaten an Drittländer. Egal ob es sich noch um Peanuts handelt oder nicht. Ihre zynische Bemerkung, Kindergeld abzuschaffen, hilft keinem. Obwohl ich Akademikerin bin, habe ich nur ein bescheidenes Einkommen und bin dringend auf das Kindergeld angewiesen. Darf man das hier in Achgut überhaupt noch tweeten Herr Broder? Ja, ich bekenne, ich wähle AfD. Freundliche Grüße, Marion Zirngiebel aus Dresden

Gabriele Klein / 10.08.2018

“Andererseits, ARD und ZDF können auch bei kleinen Beträgen pingelig sein, zum Beispiel bei den 17 Euro und 50 Cent, die sie von jedem Haushalt als Beitrag einfordern, ganz unabhängig davon, ob in diesem Haushalt ein TV-Apparat steht oder nur eine Tiefkühltruhe mit Gammelfleisch.” Hier bin ich mir NICHT so ganz sicher und frage mich ob eine Zusammenarbeit mit den Meldeämtern erfolgt, wenn es gilt die No go Areas zur Quetschgeld - Kasse zu bitten….... Könnte es vielleicht sein, dass da unsere schwarzen und roten Roben die Hosen voll haben?  Man hört diesbezüglich gar nichts. Es herrscht absolutes Schweigen bezüglich der Quetschgelder im No Go Walde und das finde ich verdächtig….. Denn ich kann mir nicht vorstellen dass ausgerechnet in den No-Go Zonen die das Melken der Einwohner,  reibungslos verläuft während die aufmüpfigen deutschen Nachbarn in den Knast bzw. die Erzwingungshaft wandern…..

Andreas Rochow / 10.08.2018

Pinar Atalay - das soll sie bitte nicht persönlich nehmen - steht für das perfide Umerziehungs-Propagandasystem, dem es nicht genügt, einen offenen Diskurs anzuregen, sondern gleich dazu noch die Informationen passend zu machen. Dass die öffentlich-rechtlichen Medien ihre Zwangsgebührenzahler nach Gutdünken als Rassisten, Xenophobiker und Nazis beschimpfen, zeugt von einer beispiellosen Hybris, wenn nicht sogar von einem staatlichen Auftrag. Betrachtet man allein den Mangel an Fachkräften in der Behindertenpflege, so ist es reiner Zynismus, verschleuderte Millionen- und Milliardenbeträge zu Peanuts herunter zu moderieren. Jede Lüge steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit, muss aber auch bei den ö.-r. Medien als Lüge bezeichnet werden. Was die ö.-r. Lügen angeht, haben wir hingegen keinen Fachkräftemangel.

Frank Stricker / 10.08.2018

Die 36 Milliarden könnte Angela Merkel für den gaaanz großen Marshall-Plan für Afrika verwenden, statt der bisher läppischen 300 Millionen.  Wir könnten dann selbst auf dem Kilimanjaro ein Goethe-Institut gründen. Wir könnten den Transrapid einmal um Timbuktu bauen und es bliebe noch genug Geld für die Diktatoren übrig , damit wieder Aufträge an Heckler u. Koch sowie Krauss-Maffai eingehen………..

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Henryk M. Broder / 13.02.2024 / 06:00 / 186

Panikmache im Konjunktiv, Gehirnwäsche im Schleudergang

Gesetze zum Schutz der Demokratie sind das Vorspiel zur Abschaffung der Demokratie mit gesetzlichen Mitteln. Dazu müssen nur neue „Tatbestände“ erfunden werden, etwa die „verfassungsschutzrelevante…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com