Wolfram Weimer / 19.09.2019 / 06:10 / Foto: Gerald Nino / 16 / Seite ausdrucken

Saudi-Ölkonzern: Der bombardierte Börsengang

Amin Nasser ist der Vorstandsvorsitzende von Saudi Aramco. Der 61-jährige Ingenieur, ein leiser Mann mit rahmenloser Brille, führt den weltgrößten Ölkonzern mit 76.000 Mitarbeitern. In wenigen Wochen will er ihn an die Börse bringen. Die internationalen Finanzmärkte warten schon voller Spannung darauf. Denn Aramco soll der größte Börsengang der Menschheitsgeschichte werden. In Riad erhofft man sich eine gigantische Marktbewertung von mehr als zwei Billionen Dollar. Zum Vergleich: Die Lufthansa ist sieben Milliarden wert. Aramco soll also so teuer werden wie 300 Lufthansa-Konzerne zusammen.

Nun haben die Drohnenangriffe – ob sie nun von jemenitischen Huthi-Rebellen oder von anderen iranischen Hilfstruppen gekommen sind – Saudi-Arabien nicht bloß militärisch und politisch empfindlich getroffen. Vor allem der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Denn schlagartig ist die Bewertung von Aramco dramatisch abgesackt. “Globale Investoren sehen ab sofort die Sonderrisiken bei Aramco viel größer als bislang. Die Assets werden daher massiv heruntergestuft”, heißt es bei Petro-Analysten aus London. Selbst wenn die Ölproduktion sich rasch wieder normalisieren sollte, werde der langfristige Wert des Unternehmens völlig neu eingeschätzt: “Man erkennt die Verletzlichkeit von Aramco. Niemand sieht den Konzern jetzt langfristig mehr wert als 1,5 Billionen Dollar.” Damit hat der Raketenangriff Saudi-Arabien mindestens 500 Milliarden Dollar in einer einzigen Nacht gekostet.

Geplant war eine Erstnotiz des Konzerns bereits für Anfang November. Der neu installierte saudi-arabische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman tönte noch vergangene Woche, dass das Königreich den Börsengang von Aramco “so schnell wie möglich” anstrebe. Man wollte die ersten Aktien – es sollte mit einem Prozent gestartet werden – zunächst an die heimische Börse bringen und im Jahr 2020 dann an einen internationalen Handelsplatz, wahrscheinlich London. Nun gerät dieser Zeitplan ins Wanken.

Jeden Tag 500 Millionen Dollar Gewinn

Der Verkauf von Aramco-Anteilen ist das Prestigeprojekt von Kronprinz Mohammed bin Salman. Er wollte die Verkaufserlöse in neue Industrien investieren, um die saudische Wirtschaft jenseits von Öleinnahmen zu diversifizieren. Sein Plan sah vor, erst einmal fünf Prozent der Aramco-Anteile zu platzieren und damit 100 Milliarden Dollar zu erlösen. Daraus wird nun nichts.

Unter Analysten und Bankern wird fortan gestritten werden, was Aramco unter den neuen Vorzeichen wohl wert sein könnte. Die saudischen Agenten verbreiten das Argument, der profitabelste Konzern der Welt erleide in Wahrheit keinen nennenswerten Schaden und strotze vor Ertragskraft. Tatsächlich zeigt ein Blick in die Halbjahreszahlen (der bislang so streng verschwiegene Konzern macht für den Börsengang seine Bilanzzahlen neuerdings öffentlich), dass Aramco im ersten Halbjahr 2019 einen unglaublichen Vorsteuergewinn von 92,5 Milliarden Dollar und einen Umsatz von 163,9 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat.

Das heißt: Aramco macht jeden Tag 500 Millionen Dollar Gewinn. Täglich fördert das Unternehmen zehn Millionen Barrel, dreimal so viel wie der Ölkonzern ExxonMobil. Alleine an Dividenden hat Aramco im ersten Halbjahr 46,6 Milliarden Dollar ausgezahlt. Bislang gilt Apple als das profitabelste Unternehmen der Welt – doch Aramco verdient schlichtweg dreimal so viel wie der amerikanische Computerkonzern.

Der weltgrößte Verlierer

Zum Vergleich: Die bekanntesten Ölkonzerne der Welt – Chevron und Exxon Mobil aus den USA, BP aus Großbritannien, das britisch-niederländische Unternehmen Royal Dutch Shell und Total aus Frankreich – erzielten 2018 knapp 80 Milliarden Dollar Gewinn, allerdings zusammengerechnet. Betrachtet man also die gewaltige Ertragskraft von Aramco und die enormen Rohöl-Reserven, dann wäre eine Börsenbewertung von deutlich mehr als 1,5 Billionen immer noch gerechtfertigt.

Die Skeptiker allerdings argumentieren, dass der jetzige Anschlag zeige, wie anfällig der Konzern sei. Sollte sich der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran ausweiten, würde Aramco unmittelbar Schaden nehmen. Zugleich sei der Saudi-Konzern der weltgrößte Verlierer, wenn sich die westliche Welt im Zuge einer neuen Klimapolitik tatsächlich dekarbonisiere, seine Energieversorgung ohne Öl organisiere und Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren ersetze.

Amin Nasser erinnert Investoren daran, dass man alsbald kein reiner Ölkonzern mehr sei. Man habe vor kurzem für gut 69 Milliarden US-Dollar (61,1 Milliarden Euro) die Mehrheit am saudi-arabischen Chemiekonzern Sabic erworben. Sabic stellt Kunststoffe, Metalle und Düngemittel her und ist mit einem Anteil von 25 Prozent auch Großaktionär beim Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant. Nasser setzt also auf Chemie im “Downstream-Segment” und verkündet: “Wir bauen unser Handelsgeschäft aus und intensivieren unsere Innovationstätigkeiten durch wegweisende Initiativen wie die Herstellung von Rohstoffen und Chemikalien, nichtmetallischen Werkstoffen und Wasserstoffkraftstoffen.” Die Diversifikation wird aber nichts nutzen, wenn die eigenen Großraffinerien niedergebombt und Öl langfristig ein Auslaufmodell werden könnte. So oder so: 500 Milliarden sind nach dem ersten Angriff erst einmal weg.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

beat schaller / 19.09.2019

Wie es auch immer sein wird, man sollte sich immer wieder vor Augen halten, 1.  dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, 2. das das Leben jetzt abläuft und somit die Prognosen wie sie auch immer sind, nur in unseren Köpfen ablaufen, 3. dass alles, wirklich alles immer in Bewegung sein wird. Damit bleiben am Schluss nur Zocker wie Soros , die dabei Gewinner und Verlierer stellen. Interessante Einblicke sind das alleweil. b.schaller

Matthias Böhnki / 19.09.2019

Da die Aktien noch nirgendwo gehandelt werden ist es erst einmal reine Spekulation, ob Aramco nun 25% weniger wert sei - die einen sagen so, die anderen sagen anders. Fakt ist, daß in Zeiten allgemeinen Anlagenotstandes keine Aktie dieser Dimension unterbewertet bleiben wird und zweitens Saudi-Arabien nunmehr alles unternehmen wird, Angriffe auf seine Ölindustrie zu unterbinden. Möglicherweise unter Verwendung des ein oder anderen Tagesgewinnes von Aramco…... Beides wird dazu führen: Aramco ist ein klarer Kauf. Stichwort “globale Dekarbonisierung” - im Parallelbeitrag von heute gibt es Ausführungen zum ” Grünen Paradoxon”, daraus folgt: Dekarbonisierung nicht in Sicht.

Christian Saxinger / 19.09.2019

Zunächst zeigt das mal, wie dringend die Saudis Geld brauchen. Bevölkerungs-Verachtfachung innerhalb weniger Jahrzehnte, die wollen auch alle versorgt sein. Dann ist Aramco vor dem Börsengang zwar renditestark aufgehübscht, aber als Hochrisikowert für seriöse Anleger nicht geeignet. Wie ist Saudi Aramco überhaupt entstanden ? Durch Verstaatlichung. Kann jederzeit nach einem Putsch, Bürgerkrieg, Krieg wieder geschehen. Die Saudis kaufen ja auch nicht ohne Grund Waffen. Interessant auch, dass Aramco zunächst an keiner Auslandsbörse notieren soll. Warum ? Investitionen in den inländischen Downstreambereich sind zwar richtig, schmälern aber das politische Risiko auch nicht. Saudischer Chemiekonzern Sabic fast 70 Milliarden wert…auch irgendwie seltsam. Und Kronprinz möchte den IPO Erlös nicht im Unternehmen lassen, sondern lieber Hochhäuser davon bauen. Fazit: Aramco = Disagio. Finger weg.

Christoph Fischer / 19.09.2019

Wie kann der Laden denn 2 Billionen wert sein? Das mit dem Öl hat sich doch spätestens 2025 erledigt. Hat das der Rest der Welt noch nicht mitgekommen?

Frank Stricker / 19.09.2019

Komisch , zu dem Angriff auf die Saudi-Arabischen Ölfelder äußert sich unser Außendarsteller und Mullah-Spezi Heiko Maas mit einem dröhnenden Schweigen. Wenn Israel aber im Westjordanland einen Sack Reis umschießt , dann ist laut dem Saarländischen Grofaz angeblich der Weltfrieden in Gefahr und Deutschland muß geradezu zwanghaft im Weltsicherheitsrat gegen Israel abstimmen. Finde den Fehler !

Karsten Dörre / 19.09.2019

Man könnte vermuten, weder Jemen noch Iran stecken hinter dem Anschlag in Saudi-Arabien.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 18.06.2020 / 06:29 / 104

Der Rassist Karl Marx

Die Rassismus-Debatte eskaliert zum Kulturkampf. In Amerika werden Kolumbus-Denkmäler geköpft oder niedergerissen, in England sind Kolonialisten-Statuen zerstört oder in Hafenbecken geworfen worden, in Antwerpen trifft…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 07.05.2020 / 06:29 / 105

Anders Tegnell: Der Stachel im Fleisch der Corona-Politik

Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell spaltet die Gemüter. Er trägt weder Anzüge noch Medizinerkittel. Er vermeidet jedes Pathos und Wissenschaftlergehabe. Im Strickpullover erklärt er mit lässiger…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 17.04.2020 / 06:17 / 90

China blockiert Recherchen zur Virus-Herkunft

Wie kam das Coronavirus von der Fledermaus auf die Menschen? Der Tiermarkt in Wuhan war es wohl doch nicht. Ein Virus-Forschungslabor nebenan spielt offenbar eine…/ mehr

Wolfram Weimer / 03.04.2020 / 06:25 / 100

Die liberale Corona-Bekämpfung

Die Bewältigung der Corona-Krise ist nicht alternativlos. Während viele Länder Europas – auch Deutschland – auf radikale Massen-Quarantänen mit wochenlangen Ausgangssperren und Kontaktverboten setzen, vertrauen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com