Rainer Bonhorst / 04.11.2014 / 10:59 / 7 / Seite ausdrucken

Satire? Bloß nicht!

Ich gebe zu, es war ein böser und völlig unernst gemeinter Vorschlag. Dort, wo der Ernst des Lebens herrscht, wäre es sicher nicht ganz klug, radikale Salafisten und bekloppte Hooligans in einem Stadion aufeinander loszulassen. Die Idee ist allein schon aus Kostengründen abzulehnen: Wer zahlt die sicher nicht unbeträchtliche Aufräumarbeit? Andererseits: Die Begegnungen der beiden Gruppen auf unseren Straßen sind auch kostenträchtig. Und da hat man eine ganz einfache Antwort gefunden: Die Kosten trägt der Steuerzahler.

Mein Vorschlag die HoGeSa-Gruppe (Hooligans gegen Salafisten) und die SaGeHo-Alternative (Salafisten gegen Hooligans) quasi als Gladiatoren in die Arena zu schicken, war jedenfalls pure Satire. Und was ist passiert? Einige Achse-Leser haben die Frage aufgeworfen, ob es denn angebracht sei, ein so ernstes Thema satirisch zu behandeln. Wieder erhebt also die uralte Frage ihr düsteres Haupt: Was darf Satire?

Meine Haltung in dieser Frage ist die, die schon Kurt Tucholsky eingenommen hat. Er hat selbst gefragt: „Was darf die Satire?“ Und geantwortet: „Alles.“ Ich gehe einen kleinen Schritt weiter. Ich finde, manche Leute und manche Vorkommnisse sind so unsäglich, dass man vor lauter Verzweiflung nur noch Witze über sie machen kann. Witze und Verzweiflung oder Witze und Zorn sind uralte Partner. Was uns ärgert, darüber muss auch gespottet werden dürfen.

Wer meint, man dürfe sich über die bedrohlich radikalen Salafisten nicht lustig machen, weil die Bedrohung so ernst ist, argumentiert ganz ähnlich wie die Islamisten selber, die auch sagen: Es gibt Dinge, über die man sich nicht satirisch auslassen darf. Die Religion zum Beispiel. Wobei ich den Verdacht habe, dass Salafisten eigentlich wollen, dass man über gar nichts lacht, weil ihnen das Humor-Gen gänzlich vorenthalten worden ist. Sie sehen ja meistens schon so aus, als würden sie lieber als Märtyrer sterben, als dass sie ihr Gesicht zu einem Lächeln verziehen. Das Thema salafistischer Humorlosigkeit habe ich in einem früheren Beitrag ebenfalls satirisch unter dem Titel „Die Rheinländer des Nahen Ostens“ behandelt. Unerlaubterweise? Eben nicht.

Sollte es Dinge geben, die für die Satire tabu sind, stellt sich im Übrigen gleich die Frage: Wer entscheidet das? Wer entscheidet, was satirisch erlaubt ist und was nicht? Eine Behörde für Humorfragen? Wenn ja, sollte es eine Bundesbehörde oder eine Landesbehörde sein? Schließlich ist das Humorverständnis am Rhein anders als das Humorverständnis in Bayern. Und mit welchem Personal würde man entscheiden? Würde der mittlere Dienst ausreichen oder wäre der Humor doch eine Sache des gehobenen Dienstes?

Wahrscheinlich würden Streitfälle sowieso vor Gericht landen. Aber vor welchem? Empfiehlt sich die Einrichtung eines spezialisierten Humor- und Satiregerichts? Und was, wenn man mit einer Entscheidung des Satiregerichts nicht einverstanden wäre? Wie stünde es um Berufung oder Revision? Und müsste man nicht auch Sachverständige hinzuziehen? Aber welche? Sachverständige mit Humor?  Oder wären Sachverständige garantiert ohne Humor geeigneter? Mit anderen Worten: Sollte man Rheinländer oder Salafisten als Humorsachverständige nehmen?

Fragen über Fragen. Darum ist es wahrscheinlich einfacher zu sagen: Lasst diese albernen Satiriker und Humoristen doch machen, was sie wollen. Es nimmt sie sowieso keiner ernst.

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Aaron Gal / 05.11.2014

Zitat Bonhorst: “Ich gebe zu, es war ein böser und völlig unernst gemeinter Vorschlag. Dort, wo der Ernst des Lebens herrscht, wäre es sicher nicht ganz klug, radikale Salafisten und bekloppte Hooligans in einem Stadion aufeinander loszulassen.:” Wollen Sie uns veräpfeln, Herr Bonhorst? Sagen Sie mal, verstehe ich’s richtig? Heißt das etwa, Sie wollen Hooligans und Salafisten nun nicht mehr tatsächlich in einem Stadion gegeneinander kämpfen lassen? Weil einige Leser Ihnen das als Aufforderung zu Mord und Totschlag ankreiden könnten? Lieber Herr Bonhorst, falls Sie die Leser hier für so unterirdisch einfältig halten und eigene satirische Artikel mit dem Hinweis zurücknehmen:,,Das war Satire und nicht ernst gemeint”, dann lassen Sie es lieber ganz. Ich möchte hier derartig selbsterniedrigende Grausamkeiten nicht mehr lesen. Wieso steht Ihr Artikel eigentlich jetzt bei Satire und vorher bei Inland? Um Ihre seltsamen Fragen zu beantworten: Streitfälle über die Grenze von Satire werden nicht von einem Humor- oder Satiregericht entschieden, obwohl Sie sich das so vorstellen. Ein ordentliches Gericht prüft, ob die Kunstfreiheit aus Art.5 III GG höher zu gewichten ist, als andere etwaig beeinträchtigte Rechte, z.B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 i. V. m.Art.1 GG. Wiegt z.B. eine persönliche Verunglimpfung schwerer, kann die Satire untersagt werden.

Matthias Lausch / 04.11.2014

Da ich mich zu Ihrem ersten Beitrag zu Wort gemeldet habe, erlaube ich mir dies zu wiederholen. Vorab möchte ich Danken, dass die diese Diskussion weiterführen und sich den geäusserten Kritiken stellen, was anderes hätte ich auch nicht erwartet. Doch genug der Bauchpinselei. Natürlich haben Sie Recht, man darf sich über alles und jeden lustig machen und einen Kübel Satiere ausschütten…moment, über alles und jeden? Zeigen uns nicht gerade die letzten Monate, dass Islamistische Hardliner auch nicht das geringste Quantum an Humor besitzen, dass ich nichtmal einem wie auch immer politisch interessiertem Fussballschläger abstreitig machen möchte? Humor und Satire machen letztendlich nur da Sinn, wo auch eine - so klein sie auch sein mag - Basis vorhanden ist, den Betreffenden zum nachdenken anzuregen oder auch nur eine Sekunde zum Einhalten zu bewegen. Sonst ist nichts weiter als Perlen vor die Säue und Effekthascherei, die niemandem etwas bringt. Natürlich ist es wichtig, sich gerade und vor allem über den Islam lustig zu machen, einfacher kann man es einem z.b. Kaberettisten schon nicht mehr machen, werden uns die Klischees in diesem Zusammenhang doch tagtäglich traurigerweise vor Augen geführt. Mein negativer Kommentar zu Ihrer Satire richtete sich auch weniger an Ihren lobenswerten Versuch, den Islam zu verhohnepipeln; vielmehr darauf, dass teilweise selbst auf der Achse (in allern anderen Medien sowieso), einfach der Fakt übergangen wird, dass selbst so gern als vollkommen hirnlose Idioten dargestellte Menschen wie Neonazis, Hools oder sonstige Randgruppen (alles unsere Söhne und Töchter wie man heutzutage ja gerne anmerkt) offenbar vor den Politikern erkennen, wo der Hase im Pfeffer liegt..und damit letztendlich Boden gewinnen in der öffentlichen Meinung. Humor, Satire, Verarschen bis der Arzt kommt…absolut korrekt und viel zu wenig kultiviert (sh. lächerliche Nuhr Diskussion) aber ein kleines Sätzchen am Schluss Ihres ersten Beitrages, um vielleicht doch nochmal auf die Realitäten hinzuweisen, hätte auch nicht geschadet.

Walter Schmidt / 04.11.2014

Ach Herr Bonhorst! Wer hat denn was gegen Satire! Aber Sie haben ja Recht: let´s party! Wenn man sich die vollen Stadien ansieht, die so mancher “Satiriker” zombiert, wird man trübsinnig. Aber der Deutsche will ja alles komfortabel haben. Auch das Aussterben. MfG

Matthias Strickling / 04.11.2014

In einer Demokratie herrscht Meinungsfreiheit. Und da niemand eine Grenze ziehen kann zwischen dem was tabu ist, und was nicht, sollte alles erlaubt sein. So gibt es mittlerweile Hitlerparodien ebenso wie Monthy-Python’s Brian, was auch gut so ist. Vielleicht sollte Monthy Python einen Film über den Islam machen - Man könnte ihn dann beispielsweise ” das Leben des Billy ” nennen mit Billy als Mohammed. Quasi als Gegnstück zu The life of Brian. Das wäre ein Zeichen der Meinungsfreiheit der demokratischen Welt. Allerdings steht dann zu befürchten, daß  die Macher des Filmes eine bis an die Zähne bewaffnete Armee zum Personenschutz benötigten. Der Nato-Fall wird eintreten, vorher müsste Deutschland erst einmal hochrüsten, zumindest so, daß die Bundeswehr auch einem fiktiven Angriff von Lichtenstein standhalten könnte. Wer will die Kosten dafür tragen? Wer die Verantwortung? Always look on the bright side of life

Hubert Appenrodt / 04.11.2014

Es war Satire, und sie ist immer erlaubt. Aber ein grottenschlechter linksliberaler Zeitgeisttext ist auch immer das, was einen mittlerweile nur noch anödet, das, was man auch in der SZ oder in der halbverblichenen FR lesen kann oder noch schlimmer: beim Herrn vom Freitag oder ähnlichen linken Gesangsschwuchteln.

Hans Meier / 04.11.2014

Das „befreiende“ Gefühl, wenn fröhliches Gelächter „ausbricht“ und sich Fröhlichkeit nicht unterwerfen muss, um einem „bedrohenden Ernst“ den geforderten „Respekt“ zu zollen, zeigt diametrale Gegensätze. Lachen dürfen ist Lebensqualität und kultivierter Humor in der Satire, die souveräne Freiheit einer fröhlichen, zuversichtlichen Gesellschaft, die auch weiter ihre Freiheit behalten will. Im Konflikt derer die sich empören, ob als Salafisten oder Hooligans, geht es wohl kaum um Satire, sondern eher um öffentliche Randale, wer wem mal was aufs Maul hauen möchte, „vonwegen was guggst Du und Respekt“ auf der Straße. Grundsätzlich zeigen sich doch die kulturellen Unterschiede in dem realen Konflikt um die Freiheit für Humor und Fröhlichkeit wie völlig verschiedene Weltanschauungen. Einerseits liberale Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung in einer Demokratie, in der Humor und Muse zur entwickelten Kultur und Lebensqualität dazugehört. Andererseits ständige Unterwerfung, unter humorlos strenge Regeln die jede Kritik oder Gedankenfreiheit kategorisch ausschließt. Darum in der zweckmäßigen Staatsform einer absolutistischen Herrschaft, angeführt von Kalifen, Königen und Emiren mit religiös-weltlicher Legitimation, die jede vermeintliche „Majestäts-Beleidigung“ ernsthaft bekämpfen, in dem sie u.a. die Salafisten zum Missionieren und zur Sicherung ihrer Herrschaftsansprüche nutzen. Wie todernst es den im religiösen Fanatismus gefangenen ist, die sich u.a. ins Paradies sprengen, zeigt den Spielraum dieser Tragödie und darauf hat Dieter Nuhr mit rheinischem Humor hingewiesen. Die Klage gegen diesen Humor, ist eine religiös motivierte Klage gegen unsere kulturelle Freiheit, Humor und Fröhlichkeit immer, auch in der Karneval freien Zeit zu haben.

Dominique Seifermann / 04.11.2014

Über Humor sollten Sie keine Witze machen, dafür ist das Thema zu ernst!

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