Rainer Bonhorst / 03.08.2020 / 10:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 85 / Seite ausdrucken

Sarrazin weg, SPD gerettet?

Geschafft! Die SPD hat sich frei gekämpft. Kann Margot Eskens nun die neue Angela Merkel werden? Moment mal. Margot Eskens? Das war doch früher diese weithin bekannte Schlagersängerin. Stimmt. Cindy, oh Cindy. Entschuldigung. Ich meine natürlich Saskia Esken ohne „s“, die weithin unbekannte SPD-Chefin. Sie und ihre Partei sind Thilo Sarrazin, den Gottseibeiuns der heutigen Sozialdemokratie, erst mal los. Tiefes, geradezu frommes Aufatmen. Ist die SPD jetzt gerettet, da sie diesen zehnjährigen Glaubenskrieg gewonnen hat? Kann sie jetzt, da der Häretiker exorziert ist, so richtig durchstarten?

Na ja. Thilo Sarrazin scheint nicht das einzige Problem der SPD sein. So sehr sie sich in ihn verbissen hat: Die Partei leidet ganz nebenbei auch ein wenig darunter, dass sie kaum noch Wähler findet. Die sind zu den attraktiveren Grünen übergelaufen. Oder ganz woanders hin. Lauter Renegaten, um den altlinken Jargon zu benutzen, der zum neolinken Führungs-Duo der SPD passt. (Darum sei hier schnell noch der Ordnung halber erwähnt, dass natürlich auch Norbert Walter-Borjans tief und fromm aufatmet.) Um mit den Beiden siegen zu lernen, muss die SPD nur noch ein paar Millionen Wähler zurückgewinnen, von denen viele die gleichen Gedanken haben wie der Häretiker. Schauen wir also mal. 

Sarrazin selber ist ja schon lange ein grand-père terrible in der SPD-Welt von heute. Einerseits ist er als ehemaliger Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand völlig überqualifiziert. Und dann diese unpassende Meinungsfrechheit. Er ist zwar nicht der Einzige, der etwas dagegen hat, wenn moslemische Fundis ihren Frauen und Töchtern unsere Bürgerechte vorenthalten. Aber er sagt und schreibt das auch noch. Kann er denn nicht seinen Mund halten wie all die andern, die sich keinen Ärger einhandeln wollen? Kann er offenbar nicht. Jetzt ist er umstritten. Das hat er nun davon. 

Thilo Sarrazin kann sich noch wehren

Wer umstritten ist, gehört nicht in die SPD. Das war früher vielleicht mal anders, als Herbert Wehner noch frei nach Schnauze lospolterte. Oder als Willy Brandt mehr Demokratie wagen wollte. (Ach, der arme Brandt. Jetzt hängen sie seinen Namen auch noch der internationalen Lachnummer namens Berliner Flughafen an. Er kann sich nicht mehr wehren.)

Thilo Sarrazin kann sich noch wehren. Will er wohl auch. Bis nach Karlsruhe will er gehen, um in der SPD bleiben zu dürfen. Warum nur? Warum macht er es nicht wie Wolfgang Clement, der eines Tages nach dem Vorbild des letzten sächsischen Königs gesagt hat: Macht euren Dreck alleene. Aber Thilo Sarrazin scheint kein Friedrich August zu sein. Ist er vielleicht ein Nibelung, treu bis ans bittere Ende? Oder will er die SPD einfach nur ärgern, weil sie ihn ärgert? Auge um Auge, Sarrazahn um Sarrazahn? 

Oder geht es ihm gar um die Ehre. Um was bitte? Um die Ehre? Was ist das denn? Ein Begriff aus den Zeiten von Margot Eskens, Herbert Wehner und Willy Brandt. Vorgestrig. Die Marotte eines alten weißen Mannes. Oder, um der heutigen Korrektheit zu dienen: Es könnte auch die Marotte einer alten weißen Frau sein. Auf jeden Fall alt. Tatsächlich ist die Ehre eine ganz alte Dame. Stolz, altersschön, aber schon ein bisschen tüddelig.

Ich fürchte, das ist es. Es geht Thilo Sarrazin um die Ehre, diese tüddelige Alte. Er hängt an ihr wie ein alter Kavalier. (Kavalier? Was ist das denn?) Thilo Sarrazin ist nicht nur aus der SPD gefallen, er ist auch aus der Zeit gefallen.

Derweil singt die SPD: Mit uns zieht die neue Zeit. Auch wenn nicht mehr viele mitziehen. Saskia und Norbert fast allein zu Haus. Fast. Denn Thilo poltert noch geisterhaft auf dem Dachboden herum. Man hört es bis nach Karlsruhe. Die Teufelsaustreibung ist noch nicht vollendet. Und die SPD ist wohl doch noch nicht gerettet.   

Foto: Stefan Klinkigt

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Leserpost

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sybille eden / 03.08.2020

Gut wenn dieser Sozialistenhaufen keine Wähler mehr findet. Allerdings sind die ja nicht einfach weg, sie wählen jetzt eben andere linkspopulistische Parteien ! Also kein Grund sich zu freuen.

A. Ostrovsky / 03.08.2020

Die SPD ist ein Großkonzern mit anheschlossener Plapperstube. Die kommen auch ohne Mitglieder zurecht. Ich trauere den alten Zeiten nach, als man noch “SIEG MAR! SIEG MAR!” rufen konnte. Aber der Siggi hat es wirtschaftlich geschafft. Ob die zwei Trantüten es packen, bezweifle ich, Das ist aber völlig egal.

Dr.H.Böttger / 03.08.2020

Frau Esken (SPD) nicht die gebührende Ehre für ihre Warnung vor Corona versagen. Großplakate aufstellen mit dem Bild von Esken und der Unterschrift “VORSICHT CORONA”. Abschreckenderes ist kaum ausdenkbar.

Gert Köppe / 03.08.2020

Eigentlich müsste man doch der SPD für ihre grandiose Leistung gratulieren. Sie hat es in kürzester Zeit geschafft aus einer ehemaligen Volkspartei ein Sammelbecken überflüssiger Nullen zu machen. Weiter so!

E. Grüning / 03.08.2020

Na ja, Frau Esken sticht auf ihre eigene Art und Weise (nicht zu verwechseln mit dem Adjektiv) schon unter den vielen letzten ParteivorsitzendInnen der SPD hervor, und dabei spielt ihr doppeltes Lottchen überhaupt keine Rolle! Wahrscheinlich wird sie auch bald ein Buch heraus bringen, so ungefähr „Meine ersten zehn Jahre als SPD-Vorsitzende, Sprüche und andere Katastrophen“. Ich würd‘s vielleicht kaufen, es sei denn Norbert Walter-Borjans bringt eher ein Nachschlagewerk heraus, z.B. „Ich, Saskia und was von der SPD übrig blieb“. Herrn Sarrazin kann man nur antworten, wie in Loriots Film „Pappa ante portas“ in der Geburtstagsfeier- Szene: „Schwein gehabt!“

A. Ostrovsky / 03.08.2020

Lieber Herr Bornhorst, liebe Achse, leider weiß ich nciht, wer für die Bebilderung des Artikels zuständig ist, aber ich bin ein erklärter Freund dieses schönen Bildes. Ich bin nur durch die Kennzeichnung verwirrt; “Foto: Stefan Klinkigt”. Sei es wie es will, ... Darf ich um das Recht bitten, mir eine Kopie davon zu vergrößern? Ich habe einen Wechselrahmen und immer wenn ich die Tagesschau sehe, klemme ich diese Beiden dann in den Rahmen. Ich muss sie nicht ansehen, wenn sie hinter mir die Wand schmücken, aber es ist ein beruhigendes Gefühl, wenn ich die beiden hinter mir weiß, sobald ich Nachrichten sehen muss, die einen Teil von mir beunruhigen könnten. Bei der Wiederholung des neunundachzigsten Kessel Buntes vom MDR wechsle ich sie dann gegen das Bild vom Karl Eduard von Knack aus, damit sich nicht ein Teil der beiden durch die schönen alten DDR-Sendungen beunruhigt fühlt. Durch die Sendung vielleicht nicht, aber wie soll ich es denen erklären, dass die DDR untergegangen ist? Gut, das wissende Lächeln der Saskia sagt mir, vielleicht ist es doch anders,... Man hört ja heute so viel von L+genpresse. Vielleicht war der Untergang der DDR auch schon gelogen. Wo soll das denn gewesen sein, in der Ostsee? Die ist viel zu flach. Da würde ja wenigstens noch der Berliner Fernsehturm mit dem Pitti und dem Karl-Ede oben rausschauen.

Heinrich Hein / 03.08.2020

Worüber handelt dieser Artikel? Wer oder was ist ein oder eine “SPD”? Kenn ich nicht. Und ich denke, den Namen muss man sich auch nicht mehr merken. Ach und außerdem: Über Verstorbene bitte nur Gutes!

Jürgen Fischer / 03.08.2020

@Heiko Stadler, eine Gurkentruppe (ich zitiere hier @Rudhart M.H.) wie die SPD auch nur in die Nähe der Augsburger Puppenkiste und der Muppet Show, die Millionen Menschen Freude und Erbauung gebracht haben, zu bringen, ist schon ein starkes Stück! ;-)

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