Annette Heinisch / 16.07.2018 / 06:20 / Foto: Pixabay / 54 / Seite ausdrucken

Sami A., das Recht und die Gerechtigkeit

Da sitzt man fröhlich an einem halbwegs arbeitsfreien Sonntag und greift, nichts Böses ahnend, zur Sonntagszeitung. Dann prangt dort die Überschrift „Erosion des Rechtsstaats“: Kubicki greift FDP-Minister an“. Potzblitz, denkt man, sollte das Problem der Erosion des Rechtsstaats tatsächlich mal in der Politik angekommen sein? Aber nein, die kurz aufflammende Hoffnung erwies sich als trügerisch. Der Artikel geht um die Abschiebung des ehemaligen Leibwächters von Osama bin Laden, Sami A., nach Tunesien, wo gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt.

Der Sachverhalt

Was geschehen sein soll, weiß ich nur aus Zeitungsberichten, kann es also ausschließlich auf dieser Tatsachengrundlage beurteilen. Dies gilt aber wohl auch für die meisten anderen, die ihren Senf dazu geben.

Danach ist Sami A. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Abschiebescheid vorgegangen. Einigkeit besteht offenbar darüber, dass er keinen Anspruch darauf hat, in Deutschland zu bleiben, als Gefährder ist er abzuschieben. Fraglich ist allein, ob er nach Tunesien abgeschoben werden darf. Ausweislich der Presseberichte hat die tunesische Regierung im Mai dieses Jahres eine diplomatische Note übermittelt, in welcher sie garantiert, dass Sami A. in tunesischer Haft keiner Folter oder sonstiger unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wird. Der Vollzug der Todesstrafe ist in Tunesien ohnehin ausgesetzt.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen, dass eine Abschiebung rechtswidrig sei, erging am letzten Donnerstag, dem 12.07.2018. Warum diese Entscheidung erst am nächsten Tag per Fax übermittelt wurde, obwohl das Gericht um die Eilbedürftigkeit wusste – es handelte sich schließlich um ein Eilverfahren – ist offen. Nach eigenem Bekunden wusste das Gericht nicht, wann genau die Abschiebung vollzogen werden sollte, so dass es seine Entscheidung sofort hätte übermitteln müssen, was in Eilfällen sogar telefonisch vorab erfolgen kann.

Nach den Presseberichten befand sich Sami A. zum Zeitpunkt, als der Beschluss des VG Gelsenkirchen einging, bereits an Bord der Maschine. Es ist im Einzelnen unklar, wer wann was wusste, klar scheint jedoch zu sein, dass er schon im Flugzeug war und der Start nicht abgebrochen wurde. Tunesien lehnt eine Rückführung aufgrund eines eigenen Haftbefehls und dem Wunsch nach Strafverfolgung ab.

Bei uns wird eine Beschwerde gegen die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des VG Gelsenkirchen vorbereitet. Das eigentliche Hauptsacheverfahren, in dem eine vollständige Prüfung der Rechtslage erfolgt, steht aus.

Die Rechtslage

1. Absoluter Abschiebeschutz. Gemäß § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthaltsG besteht ein absoluter Abschiebeschutz bei

  • Folter
  • unmenschlicher Behandlung
  • erniedrigender Behandlung
  • Todesstrafe
  • Leibes- und Lebensgefahren als ziviles Opfer eines Bürgerkriegs

Absoluter Abschiebeschutz heißt absoluter Abschiebeschutz, das heißt, er gilt auch oder gerade dann, wenn es sich um einen ausgewiesenen Bösewicht handelt. Dies sind Standards, die wir uns selbst setzen und die – würden wir diese Grundsätze missachten – uns unserer Identität berauben würden. Es ist sehr schwer, sich an diese Standards zu halten, aber das gilt auch in anderen Bereichen. Es kommt immer darauf an, wie groß die Versuchung ist, deshalb ist der Satz im Vaterunser „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ nicht nur klug, sondern Beweis einer sehr guten Menschenkenntnis. Aber wenn wir diese ganz elementaren Grundlagen verraten, stehen wir ohne alles da. So war die Anwendung von Folter durch US-Amerikaner zwar menschlich verständlich, aber falsch. Im Ergebnis haben sie ihre Glaubwürdigkeit verloren, worauf Putin immer wieder gerne hinweist. Damit aber haben sie die moralische Grundlage ihres Führungsanspruches verloren.

Bevor man also an den Fundamenten unserer recht fortgeschrittenen Zivilisation rüttelt, sollte man sich überlegen, ob man die Folgen tatsächlich möchte.

Wenn der Innenminister Bayerns, Joachim Herrmann sagt: „Es ist humanitär richtig, niemanden abzuschieben, dem im Herkunftsland Folter oder gar die Todesstrafe droht“... „Das kann aber nicht automatisch auch für jemanden gelten, der selbst eine erhebliche Gefahr für unsere eigene Bevölkerung darstellt. Da müssen unsere eigenen Sicherheitsinteressen zur Geltung gebracht werden“, dann ist das ebenso falsch wie bedenklich.

Es geht hier um die Anwendung von zwingendem Recht, nicht um die Anwendung beliebiger humanitärer Regelungen. In einem Rechtsstaat ist die Exekutive verpflichtet, Gesetze anzuwenden. Es steht dem Parlament frei, andere Regeln zu schaffen, wenn sich die vorhandenen als nicht klug erweisen. Es steht aber der Exekutive nicht frei, bestehendes Recht nach Belieben anzuwenden. Das Regieren nach Gutsherrenart entspricht jedoch dem derzeit herrschende Verständnis unserer Politiker, ihre Macht nach eigenem Gutdünken zu nutzen.

Das „Dammbruchargument“ oder auch bekannt als „Argument der schiefen Ebene“ besagt, dass man mit manchen Verhaltensweisen gar nicht erst anfangen sollte, weil sie Konsequenzen haben, die man nicht möchte. Manche Geister kann man nicht mehr einfangen, wenn sie erst aus der Flasche sind, also lässt man sie erst gar nicht frei. Will man einen Rechtsstaat, der ein grundlegendes Element westlicher Zivilisationen ist und der einzige Schutz des kleinen Mannes vor dem übermächtigen Staat, dann muss sich die Exekutive streng an Recht und Gesetz halten.

Daher war auch der Bruch des Maastricht-Vertrages und damit verbunden der Bruch des Versprechens an das Volk, dass die Euro-Einführung niemals und unter keinen Umständen zur Finanzierung fremder Länder führen würde, ein Fehler, der – völlig unabhängig von der ökonomischen Seite – niemals hätte passieren dürfen. Die Migrationskrise mit all ihren rechtlichen Problemen, unter anderem der Tatsache, dass sich hier Tausende illegal aufhalten (dürfen), war ein Schritt weiter auf der schiefen Ebene. 

Wenn es absolute Abschiebehindernisse gibt, und wenn ein Gericht – und sei es im Rahmen einer nur summarischen Prüfung im Eilverfahren – entschieden hat, dass keine Abschiebung erfolgen darf, dann haben sich die Behörden daran zu halten. Wenn es sich um einen Gefährder handelt, ist dieser zum Schutze der Bevölkerung in Gewahrsam zu nehmen.

Vollzug der Abschiebung

Ob die Abschiebung als solche rechtswidrig war oder nicht, müsste in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Eilverfahren beinhalten keine abschließende rechtliche Prüfung, weil sie oft unter Zeitdruck erfolgen und nur eine sogenannte summarische Prüfung stattfindet, das heißt, das Gericht prüft nur oberflächlich, und wenn sich keine klare Rechtslage ergibt, kommt es darauf an, ob eine der Parteien einen nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet. In manchen Rechtsbereichen, so auch bei Abschiebungen, erfolgt aber nicht immer ein Hauptsacheverfahren.

Zunächst hat einmal die nächste Instanz im Rahmen der Beschwerde zu entscheiden, ob man nach Tunesien nicht ausliefern darf und das nicht einmal dann, wenn der Schutz des Auszuliefernden durch die dortige Regierung garantiert wird. Reicht eine solche diplomatische Note aus oder muss man der tunesischen Regierung unterstellen, dass sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an ihre Zusage halten wird?

Unabhängig davon ist aber die Frage zu sehen, ob die Abschiebung hätte vollzogen werden dürfen oder ob sie schon vollzogen war und hätte rückgängig gemacht werden müssen. Konkret stellt sich die Frage, wann eine Abschiebung soweit vollzogen ist, dass der Eingang eines Beschlusses wie in diesem Fall zu spät kommt.

Ist sie nämlich bereits vollzogen oder soweit im Vollzug, dass der Abzuschiebende den Herrschaftsbereich der Bundespolizei verlassen hat, stellt sich die Frage nach Rückgängigmachung, wo dann die Güterabwägung eine Rolle spielen kann. War in diesem Fall mit der Verbringung ins Flugzeug die Abschiebung insoweit abgeschlossen, dass der Beschluss des VG Gelsenkirchen zu spät kam und die Bundespolizei nicht mehr verpflichtet war, etwas zu unternehmen? Muss sie einen Start abbrechen? Muss sie das auch, wenn noch gar keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt? Welche Kriterien sind in einem solchen Fall anzuwenden? Es ließe sich durchaus behaupten, dass die Abschiebung vollzogen war und es „nur“ um eine Pflicht zur Rückführung, also etwas anderes ging. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die Menschenrechtslage in Tunesien sich seit 2015 deutlich verbessert hat, Tunesien sich durch die UN überprüfen lässt und entsprechende UN-Abkommen ratifiziert hat. Die Lage in Tunesien ist nicht schlechter (oder in Teilen sogar besser) als bei unserem Nato-Partner Türkei, was jeder im Amnesty International Report nachlesen kann (Amnesty-International-Report-2017 S. 364 ff.)

Und darf man dann, wenn es um derart komplizierte Rechtsfragen und zudem nur um einen Einzelfall geht, ernsthaft von einer „Erosion des Rechtsstaates“ sprechen, wie Kubicki dies tut?

Der Rechtsstaat erodiert tatsächlich, sogar seit langem, aber gewiss nicht wegen dieses einen Falles. Er erodiert, weil ein solcher Gefährder bei uns einreisen konnte und vom Geld des hart arbeitenden Steuerzahlers alimentiert wird. Er erodiert, weil unsere Gerichte – gerade die Verwaltungsgerichte – mit derartigen Verfahren komplett überlastet sind und der kleine Häuslebauer, der vor Gericht um seine Baugenehmigung streitet, jahrelang auf die Bearbeitung seines Falles warten muss. Insgesamt führt die unzureichende personelle Ausstattung der Gerichte bei gleichzeitiger Überflutung mit Asylfällen, die zu nicht mehr akzeptablen Bearbeitungszeiten führen, in manchen Fällen zum Ruin des betroffenen Bürgers. Alles das aber war und ist Herrn Kubicki ebenso egal wie es ihm gleichgültig war, dass bei der Euro-Rettung Vertrag und Vertrauen gebrochen wurden.

Recht und Gerechtigkeit

Um den Sonntag komplett zu verhageln, liest man dann noch, dass Gerechtigkeit gut, Recht aber besser sei. Danach ist Gerechtigkeit nur ein Gefühl, es gelte das Recht. Das nun lässt einem das Sonntagsbrötchen endgültig im Hals stecken bleiben, denn da ist das Koordinatensystem wohl vollkommen durcheinander gekommen. Recht ist die kleine Münze der Gerechtigkeit. Das Recht ist (oder sollte es zumindest sein) Ausfluss der Gerechtigkeit, es ist sein Diener, nicht der Herr! Bekannt ist das sogenannte Böckenförde-Diktum: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.

Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des Einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“ (Ernst-Wolfgang BöckenfördeStaat, Gesellschaft, Freiheit. 1976, S. 60).

Eine der Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, ist eine grundlegende Vorstellung von Gerechtigkeit, die übrigens weltweit in ihren Grundprinzipien gleich ist. Es ist zum Beispiel ungerecht, jemandem etwas wegzunehmen, daher ist Diebstahl praktisch weltweit – völlig unabhängig von Kultur und Religion – strafbar.

Missachtet man die grundlegenden Prinzipien der Gerechtigkeit, wird das Volk auch noch so schöne Gesetze der Politik nicht akzeptieren. Ohne Akzeptanz ist aber ein Regieren nicht möglich. Keine auch noch so totalitäre Regierung kann große Teile eines Volkes dazu zwingen, etwas zu machen, was es nicht will.

Bei uns scheint das Koordinatensystem grundlegend aus den Fugen geraten zu sein. Statt für Klarheit zu sorgen, arbeiten unsere „Eliten“ noch eifrig daran, dass wir noch mehr durcheinander geraten, weiter hinunter gleiten auf der schiefen Ebene.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Justin Theim / 16.07.2018

Zitat: ...dann ist das ebenso falsch wie bedenklich. Sorry, ein Staat hat nicht gesinnungsethisch sondern verantwortungsethisch zu handeln. Wie sagte doch schon Mr. Spock: Das Wohl der Vielen gilt mehr als das Wohl eines Einzelnen. Sami A. ist ein Terrorist und Krimineller. Er stellt eine Gefährdung für jeden Deutschen dar, solange er in Deutschland ist. Außerdem hat er so Gelegenheit, wieder eine neue Terrorzelle aufzubauen. Es ist höchste Zeit, mal die Regeln des Asyls und der Abschiebung zu kontrollieren, ob die wirklich sinnvoll und juristisch haltbar sind! Sie waren für Einzelne gemacht, nicht für ganze Völkerscharen. Sie waren gemacht unter dem Eindruck des Naziregimes und nicht mit dem Wissen, dass die Anwendung dieser Regeln auf große Menschenmassen den Kriminellen und Terroristen Gelegenheiten bietet.

Helmut Bühler / 16.07.2018

Wir sind ja schon so weit, dass Pseudoasylanten hier Straftaten gestehen, die sie gar nicht begangen haben, da sie dann nicht mehr in ihr Heimatland abgeschoben werden können, dessen Rechtspflege nicht mit unserer Hochmoral kompatibel ist. Es ist allerhöchste Zeit unsere Pseudohumanisten von den Schaltstellen der Macht zu vertreiben. Die rotgrün verirrten Journalisten und Richter werden wir zwar so leicht nicht los aber die Erfahrung zeigt, dass es denen nicht schwer fällt, links zu blinken und rchts abzubiegen, wenn der Wind dreht.

Robert Korn / 16.07.2018

Soso der Rechtsstaat. Warum findet der an den Grenzen nicht statt? Und was den Herrn Sami betrifft, möchte man mit der Kanzlerin bemerken: ” Nun ist er halt da”. Und da wird er auch bleiben, das walte Tunesien.

Karl Schmidt / 16.07.2018

Wie zieht man den Schimmel aus einer Frucht? Da gibt es nicht viele Möglichkeiten, aber eins ist sicher: Sie werden sie auch danach nicht mehr essen können. Die Abschiebung des Sami A. ist so eine schimmlige Frucht: Wie konnte dieser Mann in unser Land gelangen? Jedenfalls nicht legal. Doch das ist schon Normalität im Land der Merkel und ihrer grünen CDU. Sie haben den Rechtsverstoß zu Alltäglichkeit gemacht, zur (neuen) DNA dieser Nation. Politische Willkür ist unser neuer Maßstab. Da soll ich mich empören, wenn das Verwaltungsgericht ignoriert wird - das ist ja so falsch. Doch wäre der Rechtsstaat immer noch das Maß der Dinge, hätte es das Problem ja nie gegeben. Warum soll ich mich also (zeitlich betrachtet) von hinten aufregen, beim letzten Akt beginnen? Ist das auch Teil dieser neuen Willkür: Wir fokussieren uns auf den Teilaspekt des Falles, der mit Grünsprech kompatibel ist? Da spiele ich nicht mit. Das ist politisch eine so dreckige Nummer, dass daraus - für den Rechtsstaat - nicht Gutes erwachsen kann. Sie kriegen den Schimmel nicht raus, wenn er sich erst einmal ausbreitet. Da muss man sich nur die Belastung der Verwaltungsgerichte ansehen, die eine weitere Folge des Staatsversagens ist und den Rechtsstaat lähmt. Auch die Einheimischen werden das bald spüren. Nein, Ihre Diskussion setzt zu spät an und führt uns keinen Schritt weiter: Sie wollen das Kirchdach und gucken nicht auf den Zustand des Gebäudes darunter.

Angela Seegers / 16.07.2018

Sokrates: ich weiß, dass ich nichts weiß .... Allerdings interessiert mich schon: wer hat das durchgestochen…..?

Paul Tavan / 16.07.2018

Absoluten Abschiebeschutz gibt es nicht, wenn man die Gesetze zuende liest. Da heißt es in § 4 AsylG (2): “Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er .... eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.” und in § 60 Abs. 8 AufenthaltsG heißt es “Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist”. Der von der Autorin angesprochene Absatz 5 in §69 AufenthaltsG lautet: ” Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.” In Tunesien werden Todesstrafen nicht vollzogen, auch Folter droht nach Auskunft der Regierung nicht, also greift Absatz 5 nicht. Innenminister Hermann hat die Rechtslage korrekt dargestellt, die Autorin hat das versäumt.

Wolfgang Meins / 16.07.2018

Sehr geehrte Frau Heinisch, das Meiste in ihrem Artikel teile ich. Aber in einem zentralen Punkt habe ich doch Zweifel an der Tragfähigkeit ihrer Argumentation. Sie zählen die Gründe auf, die ein absolutes Abschiebehindernis darstellen und behaupten, dass eine Verletzung dieser Standards uns unserer Identität berauben würde. Da bin ich mir nicht sicher. Mir kommen diese Standards seit dem 11. September zunehmend wie aus der Zeit gefallen vor. Denn wir begeben uns damit ja in eine Art Geiselhaft von Leuten, die, wenn sie nur könnten, möglichst viele von uns umbringen würden. Wäre es bei Gefährdern und schweren Straftätern nicht sinnvoller und wahrscheinlich auch näher am Rechtsempfinden einer breiten Bevölkerungsmehrheit, im Asylgesetz die entsprechenden rechtlichen Schritte auf Grundlage der Eigenverantwortung eines jeden Menschen für sein Tun und Handeln vorzunehmen? Und dazu gehört dann eben auch die Inkaufnahme einer strengeren Justiz im Heimatland.

Rupert Drachtmann / 16.07.2018

Sehr geehrte Frau Heinisch, Ihr Text ist ja spannend zu lesen. Ich als „einfach“ denkender Bürger finde es immer toll, in akademischen Verklausulierungen, erklärt zu bekommen dass alles schon so richtig läuft - auch wenn es ganz offensichtlich der größte Quatsch ist. Natürlich können wir „einfache“ Bürger das nicht verstehen, deshalb bekommen wir es erklärt ! Von vielen Seiten. Nach längerem Überlegen wird uns dann schon klar, dass zwischen Recht und Gerechtigkeit wohl doch ein Unterschied besteht. (Sarkasmus pur, sollte es bisher noch nicht angekommen sein). Das Problem am und für das System wird nur dann ernsthaft, wenn eine kritische Menge der Bevölkerung / Wähler zunehmend der Meinung sind dass das Fass jetzt voll ist. Und ich befürchte oder hoffe, dass wir bald soweit sind. Wenn rechtliche, soziale und politische Strukturen über die Maßen missbraucht und überbeansprucht werden bis zur Zerstörung dann ist anzunehmen, dass das System in Schieflage kommt. Leider ist das ein träger Prozess wie man sieht. Für manche zu träge. Ihre Erklärungen mögen fachlich alle richtig sein. Wenn das System auf dieser Grundlage jedoch nicht mehr funktioniert, dann muss man eben das System ändern. Und zwar schleunigst.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Annette Heinisch / 19.03.2024 / 06:00 / 150

Schrödern mit Scholz?

Von Annette Heinisch und Gunter Weißgerber. Die Kriegsgefahr wird in den nächsten Jahren eher größer als kleiner. Wir leben nicht in Zeiten, die Fehler verzeiht. …/ mehr

Annette Heinisch / 04.03.2024 / 06:15 / 90

Correctiv:  Das Kartenhaus fällt, der Fake wirkt weiter

Kartenhäuser neigen dazu, instabil zu sein. Ein kräftiger Windstoß, und schon fallen sie zusammen. So ist es der „Recherche“ von Correctiv ergangen, sie entpuppte sich…/ mehr

Annette Heinisch / 29.01.2024 / 16:00 / 18

Ganz großes Kino!

Sind sie nicht putzig, unsere Mächtigen? Ich finde sie dermaßen drollig, dass ich für deren Theater Popcorn besorge. Ansonsten hilft ein Gesetz von Isaac Newton…/ mehr

Annette Heinisch / 08.01.2024 / 06:15 / 166

Mein kleiner Wutanfall zur Protest-Woche

Normalerweise bin ich ja ein freundlicher und gemütlicher Mensch, stets um Sachlichkeit bemüht (ja, ich weiß, was das heißt!). Aber momentan bin ich einfach nur…/ mehr

Annette Heinisch / 05.01.2024 / 06:20 / 93

Kanzlertausch und Kompromat

Übergibt Olaf Scholz bald an Boris Pistorius? Der Kanzler hat nicht nur die Cum-Ex-Affäre am Hals sondern auch „Wirecard“, den größten Skandal in Deutschlands Wirtschaftsgeschichte.…/ mehr

Annette Heinisch / 03.01.2024 / 14:00 / 40

Gibt es ein Recht auf Fahnenflucht?

Die Ukraine will auch im Ausland lebende wehrfähige Männer einziehen. Während Justizminister Buschmann sich gegen die Ausweisung solcher Personen ausgesprochen hat, finden andere, sie hätten…/ mehr

Annette Heinisch / 14.12.2023 / 14:00 / 91

Braucht Deutschland neue Parteien? Und wenn ja – welche?

Wie also soll in Deutschland ein Politikwechsel gelingen? Anders ausgedrückt: Warum soll derjenige, der einen Wechsel möchte, die Union wählen? Sie hat praktisch alle Chancen…/ mehr

Annette Heinisch / 24.11.2023 / 06:15 / 33

Mit weniger Steuern mehr soziale Gerechtigkeit?

Meistens werden Steuersenkungen als Vorteil für die Reichen denunziert. Tatsächlich sind nicht die Armen die Verlierer, denn alle Bürger profitieren von einer blühenden Wirtschaft und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com