Die umweltbewegte Geigerin Patricia Kopatchinskaja gab bei den diesjährigen Salzburger Festspielen ihre Klimaschutz-Performance zum Besten. Ihr Mann unterstützt sie als „Advokat des Publikums“.
Dass es während der Salzburger Festspiele kräftig regnet, ist nichts Ungewöhnliches. Früher nannte man das austriakisch-verniedlichend Schnürlregen, weil im Alpenstau manchmal so viel Wasser vom Himmel kommt, dass es aussieht, als falle der Regen wie endlose Bindfäden herab. Heute gibt es keinen Schürlregen mehr, heute heißt das Starkregen und ist, auch in Salzburg, immer eine direkte Folge des menschengemachten Klimawandels.
Vor drei Jahren hatte es während eines solchen „Extremwetterereignisses“ – ein wunderbar deutsches Wort! – bei einem Klavierabend ins Große Festspielhaus hineingeregnet. Nun habe der Klimawandel endgültig das größte und renommierteste Musik- und Theaterfestival der Welt erreicht, hieß es hernach in den Medien. Dabei war wohl weniger ein in der Tat ungewöhnlich heftiger Platzregen für das Malheur verantwortlich, sondern die Tatsache, dass das im Jahre 1969 eröffnete Festspielhaus und insbesondere sein riesiges Dach dringend sanierungsbedürftig sind. Ein Jahr nach dieser hausgemachten Klimakatastrophe durfte der US-Regisseur und notorische Vielflieger Peter Sellars zur Eröffnung der Festspiele über den Klimawandel schwadronieren, wobei ihm Österreichs grüner Bundespräsident Alexander van der Bellen pflichtgemäß assistierte.
Auch in diesem Jahr wirft die Klimakrise ihren dräulichen Schatten auf die Salzburger Festspiele. Zuerst fiel wieder einmal die Premiere des „Jedermann“ ins Wasser, weil es am Premierenabend regnete, nicht außergewöhnlich stark zwar, aber es reichte, um das Spektakel vom Domplatz ins Festspielhaus verlegen zu müssen, wo es diesmal glücklicherweise trocken blieb. Zehn Tage später brachte die umweltbewegte Geigerin Patricia Kopatchinskaja in der Salzburger Kollegienkirche im Rahmen der Festspiel-„Ouverture spirituelle“ ihre Klimaschutz-Performance „Dies irae“ zu Gehör.
„Betroffenheit eines Musikers“ über den Klimawandel
Kopatchinskaja hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Luisa Neubauer von Fridays for Future, und sie redet und schreibt ähnlich dringlich. „Die Klimaerwärmung führt zur Selbstverbrennung des Planeten, das sagt die Wissenschaft. Bisherige Gegenmaßnahmen sind nicht mehr als ein Alibi. Dieses Programm umkreist die Betroffenheit musikalisch, unter anderem mit dem Dies irae: seit der Gregorianik bis hin zu Galina Ustwolskaja jener Ausdruck des endzeitlichen Zorn Gottes, der sich im Jüngsten Gericht entlädt. Und vor allem stellt es die Frage, wieviel Zeit uns noch bleibt.“
Die gebürtige Moldauerin Kopatchinskaja zieht schon seit 2017 mit ihrer Klimaschutz-Performance durch die Häuser. Dabei spielt sie nicht nur auf ihrer Meistergeige, sondern dreht auch effektvoll an einer Handsirene (solche vorsintflutlichen Apparaturen waren bei der jüngsten Flutkatastrophe an Ahr und Erft gerade nicht zur Hand) und lässt ihre Musiker wie tot auf dem Boden liegend spielen. Zum finalen Dies irae, einem mittelalterlichen Hymnus ans Jüngste Gericht, ticken Metronome und symbolisieren die ablaufenden Zeit. Das Stück soll die „Betroffenheit eines Musikers“ über den Klimawandel und die Ignoranz der Politik auslösen, die nicht bereit ist, sofort den weltweiten Klima-Lockdown zu verhängen, der dann allerdings auch Veranstaltungen wie jene von Frau Kopatchinskaja unmöglich machen würde.
Ihr blieben dann wohl nur noch Hauskonzerte in ihrer Wohnung in der Schweizer Hauptstadt Bern, wo sie 2017 ein Reporter der Neuen Zürcher Zeitung besuchte und sich freute, dass er sie überhaupt zu Hause antraf, denn sie gebe gegenwärtig „etwa 100 Konzerte pro Jahr in Europa und Übersee“. Seit Corona dürfte ihr Kalender zwar etwas ausgedünnt sein, doch finden sich von Juli bis Oktober 2021 immer noch Termine in Salzburg, Brüssel, Oslo, Edinburgh, London, Antwerpen, Bukarest, Wien, Berlin, Hamburg und Luxemburg. Es heißt, Kopatchinskaja habe ihre Agenten dazu verdonnert, vor allem Auftritte an Orten zu terminieren, die klimafreundlich per Zug erreichbar sind. Auf der Webseite ihres Ensembles Camerata Bern heißt es, die „künstlerischen Partnerin“ der Camerata, Kopatschinskaja, werde in der Saison 2021/22 auch Tourneen mit anderen Ensembles wie dem Budapest Festival Orchestra unternehmen, auch eine Nordamerika-Tour wird dort avisiert.
„Advokat des Publikums“
Die 41-Jährige teilt ihr Berner Haus mit ihrem fast doppelt so alten Ehemann Lukas Fierz, einem Psychiater und ehemaligen Mitbegründer und Parlamentsabgeordneten der Schweizer Grünen. Was den Klimawandel anbelangt, ist der Mediziner, Buchautor und Ex-Politiker so etwas wie Kopatchinskajas klimapolitscher Mastermind. Er vergöttert geradezu den einstigen Kanzlerinnenberater und „Klimapapst“ Hans Joachim Schellnhuber, aus dessen Endzeit-Epos „Selbstverbrennung“ er immer wieder zitiert, ein Schlagwort, das sich auch Kopatchinskaja im Programm der Salzburger Festspiele zu eigen macht.
Auf seinem Internetblog versteigt sich der Schweizer zu einem Vergleich, für den er sich in Deutschland wohl postwendend entschuldigen müsste. Für ihn ist die bevorstehende Klimakatastrophe ein zweiter Holocaust, „diesmal mit grauenhaften Folgen nicht nur für Mensch und Menschlichkeit, sondern für die ganze Biosphäre“. Und dieser „Holocaust 2“, eine Folge des Wachstums- und Konsumwahns, sei in seinen Konsequenzen sogar noch entsetzlicher. Und „genauso vorsätzlich wie der erste Holocaust, denn Ursachen und Folgen sind bekannt und sichtbar.“
Weiter unten verstrickt sich Fierz noch tiefer in seine kruden Gedankengänge: „Es wurde verschiedentlich bezweifelt, ob der Ausdruck Holocaust 2 zulässig sei“, schreibt er. „Ich habe diesen Text deshalb einem Halbjuden und einem Zigeuner vorgelegt, welche beide in Auschwitz Angehörige verloren hatten und somit befugt sind, zu urteilen. Beide bejahten, dass der Ausdruck zutreffe und gebraucht werden dürfe.“
Vor ein paar Jahren fand ein gemeinsam von Fierz und Kopatchinskaja geschriebener, reichlich verschwurbelter Text zum Klimawandel sogar Eingang ins Hochglanzmagazin der Bayerischen Staatsoper. Abermals eine Eloge auf Schellnhuber, das nobelpreisverdächtige Genie und der angeblich verkannte Mahner in Sachen Weltuntergang – und abermals ein Nazivergleich. Schellnhuber nämlich sitze in seinem Potsdamer Institut in dem gleichen Büro, das einst Albert Einstein benutzt habe, „dem der nationalsozialistische Pöbel einst sagen durfte, dass eine Relativitätstheorie jüdisch und deshalb falsch sei. Haben wir daraus gelernt?“
Laut Bayerischer Staatsoper unterstützt Fierz seine Gattin nicht nur bei „Programmentwicklung und Quellenstudium“, sondern agiere auch als „Ohr im Saal“ und „Advokat des Publikums“. Fragt sich, ob das Publikum solche Advokaten nötig hat.
Nachtrag:
Der Link zu Lukas Fierz Blogbeitrag „Redet endlich Klartext: Holocaust 2.0“ wurde offenbar abgeschaltet. Fierz teilte inzwischen mit, er habe den Artikel vorübergehend „zur Bearbeitung“ von der Seite genommen.