Rainer Bonhorst / 15.07.2018 / 16:00 / 12 / Seite ausdrucken

Sahra-Alice Wagenknecht-Schwarzer

Nach Sahra Wagenknecht auch die arme Alice Schwarzer? Jedenfalls kann ich mich köstlich darüber amüsieren, dass neulich die liebe „Emma“ in den Kreis der rechtslastigen Publikationen aufgenommen worden ist. Ein Medienmagazin namens „Übermedien“ hatte berichtet, dass eine automatisierte digitale Wort-Analyse im Twitter-Account des Alice-Schwarzer-Magazins bedenkliche Rechtstendenzen entdeckt hat. Die „Analyse“ kommt zu dem Schluss, dass „Emma“ „rechten Tendenzen in die Hände spielt“. Also ich finde das lustig.

Alice Schwarzer hat sich natürlich vehement gegen das Urteil der digitalen Zensurmaschine gewehrt. Aber angeprangert ist angeprangert. Digitale Organe der automatisierten Text-Kontrolle kennen keine Nuancen und demonstrieren damit selber immer wieder, was für eine lächerliche und zugleich gefährliche Erfindung sie sind. Und weil sie keine Nuancen kennen, verirren sie sich zwangsläufig in der neuen Welt der Rechts-Links-Konfusion, in der sich selbst Analytiker in Humanform heutzutage nicht mehr zurecht finden.

Oder was soll man davon halten, dass Sahra Wagenknecht, diese ausgewiesene Links-Ikone – wie nun Alice Schwarzer – längst auch nach rechts gerückt worden ist? Dies allerdings nicht von einem digitalen Roboter sondern – ganz menschlich – von ihrer Parteifreundin Katja Kipping. Sie spiele den Rechten in die Hände, lautet auch hier wieder der Vorwurf, der zur Standard-Waffe gegen Leute geworden ist, die die immer enger werdende Links-Schublade sprengen wollen. 

Ist also Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken, wie die Emma-Gründerin ein neues unfreiwilliges Mitglied in dem Klub, der sich „rechts von links“ nennen könnte? Sie selber hat in der „Welt“ das neue Wort von einer „nationalen linken Sammelbewegung“ geprägt. Also links, aber national. Ja, geht das denn? Im Prinzip – ja. Die Linke konnte schon immer beides sein, international und national. Kurt Schumacher hat als Nachkriegs-Chef der SPD ganz national gedacht und die West-Integration Konrad Adenauers bekämpft, weil sie, was ja auch geschah, zur Teilung Deutschlands führen würde.

Klingt wie eine linksgedrehte Alternative zur Alternative

Sahra Wagenknechts linksnationale Sammelbewegung ist der Versuch einer „nicht rechten“ Antwort auf das offensichtliche, jedem in die Augen starrende Problem der massenhaften Zuwanderung, das die offizielle Linke nicht als Problem wahrnehmen will. Diese Wahrnehmungsstörung hat inzwischen dazu geführt, dass die Linkspartei an Zuspruch verliert und die SPD von der AfD überholt wird. Frau Wagenknechts Antwort darauf klingt wie eine Art Alternative zur Alternative für Deutschland mit menschlichem Antlitz. 

Ob so die Abwanderung der frustrierten Wähler aus dem schwarzgrünsozialen Konsens zu stoppen ist? Frau Wagenknecht hofft auf ein Potenzial von über 20 Prozent, ein Ziel, das – schöne Parallele – auch die AfD anpeilt. 

Letzten Endes geht es darum, sich mit der Frage der Zuwanderung zu befassen, ohne sich in der Links-Rechts-Wrestling-Arena blaue Flecken zu holen. Dabei haben diese politischen Ortsbeschreibungen inzwischen nur noch die philosophische Tiefe eines Häkelkränzchens. Motto: Zwei links, zwei rechts, eine fallen lassen. Links gestrickt und rechts geknöpft. Rechts ist, wo der Daumen links ist. Also gut: Das Bild mit dem Daumen passt nicht ganz zum Häkelkränzchen. Macht aber nichts: Hauptsache es sitzt, wackelt und hat Luft.

Soviel zum heutigen Niveau der politischen Ortsbestimmungen. Und zurück zu den beiden linken Rechtsverdächtigen: Vielleicht können sich Sahra Wagenknecht und ihre Mitverdächtige Alice Schwarzer ja in der nationallinken Sammelbewegung zusammentun. Also Sahra-Alice Wagenknecht-Schwarzer – das wäre eine Traumkombination, um unter Bewohnern enger Links-Schubladen eine wunderbare Verwirrung zu stiften.

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Leserpost

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Helmut Bühler / 15.07.2018

Die Linken vom Schlage Kipping wissen zwar nicht genau, warum sie tun was sie tun aber sie haben so ein ungutes Gefühl dabei, wenn jemand links sein will und gleichzeitig das Nationale nicht aufgeben möchte. Und mit dieser Ahnung haben sie verdammt recht. Das ist genau der Ausgangspunkt des italienischen Faschismus, links aber anders links als vom Bolschewismus und Stalin verordnet, nämlich nicht international sondern italienisch. Da schließt sich der Kreis auf’s trefflichste. Ich will Frau Wagenknecht keine faschistoiden, menschenverachtende Tendenzen unterstellen. Die sehe ich eher bei der Kipping-Fraktion, der es ja nicht wirklich um Humanismus geht, sondern darum, die Gesellschaft durch kulturfremde Einwanderung zu destabilisieren in der Hoffnung, so wieder etwas revolutionäres Potential anfachen zu können. Die Wagenknecht-Fraktion muss nicht unbedingt menschlicher sein, auf jeden Fall aber ist sie klüger, indem sie die Interessen des ansässigen Prekariats nicht ganz beiseite schiebt. Die Hatz aber von Linken der reinen Lehre auf jeden eingebildeten Abweichler, die ist nicht ohne Charme, macht sie doch mal wieder deutlich, wie nah sich Rechts- und Linksextremismus sind. Die immer engere Exegese des einzig wahren linken Glaubens, bei der sogar die Altfeministinnen durch’s Raster fallen wird hoffentlich noch vielen die Augen öffnen und sie endlich zum Nachdenken zwingen.

Karla Kuhn / 15.07.2018

„Übermedien“  Das klingt für mich wie überflüssig. Warum wehrt sich Frau Schwarzer ? Ist “rechts” oder “Nazi”  nicht inzwischen ein Auszeichnung geworden für gesunden Menschen verstand ?? “Sahra-Alice Wagenknecht-Schwarzer ” Warum nicht ? Doppelnamen sind doch in Mode. Sahra-Alice sind zwei schöne Vornamen und der Nachname Wagenknecht-Schwarzer ist mir deutlich sympathischer als Kramp-Karrenbauer. Schöne Satire

Rainer Brandl / 15.07.2018

...was für eine lächerliche und zugleich gefährliche Erfindung sie sind… Gefährlich sind die Menschen, die Ergebnisse dieser Erfindung zum Diskreditieren oder Schlimmeren nutzen.

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