Sagt nach dem Lesen nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt

Von Hans-Jörg Jacobsen

Vor kurzem wurde auf Achgut.com an dieser Stelle über die Bio-Branche und ihre vor der werten Kundschaft gerne verheimlichten Spritzmittel berichtet.  Worum geht es heute? Fachleute wissen es längst, aber das Publikum sollte es auch wissen: Auch die Bio-Spritzmittel müssen natürlich mittels Netzmitteln auf oder in der Pflanzen dorthin gebracht werden, wo sie die Schaderreger oder die Schädlinge auch erreichen können. Ein solches Netzmittel ist das Präparat PREV-B2®, welches in neuer Formulierung unter dem Namen WETCITTM vertrieben wird. In der Werbung für dieses auch bei DEMETER oder NATURLAND zugelassenen Stoffes heisst es dann auch:“ Neue Formulierung des bewährten PREV-B2™ sorgt für noch größeren Erfolg bei Fungizid- und Insektizid- und Blattdüngerapplikationen“. Na, dann wollen wir uns mal das Sicherheitsdatenblatt dieses formidablen Mittelchens anschauen.

Achtung, Bio-Esser und Tierschützer: Hier kommt nun schwere Kost auf Euch zu, mit komplizierten Abkürzungen und grausamen Details für Eure zarten Seelen, deshalb sagt nach dem Lesen nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt. Habe ich hiermit.

Was also bekommen wir zu lesen? Dieses Netzmittel enthält unter anderem 8,1 Prozent Fettalkoholethoxylat. Das hört sich schon einmal nicht so gut an - weil chemisch und vor allem kompliziert! Folgt man dem US-amerikanischen „Food Babe“, übrigens hinreissend charakterisiert hier von Florian Aigner, sollte man diesen Stoff schon allein wegen der komplizierten chemischen Bezeichnung meiden. Aber auch, wenn es unter dem eher an „wetTshirt“ erinnernden Label WETCITTM vermarktet wird, lernen wir trotzdem, dass der Stoff „schwere Haut- und Augenreizungen verursacht“ und darüberhinaus „Schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung“ ist. Auch „Berufsbedingte Exposition des Stoffs oder Gemischs kann negative gesundheitliche Auswirkungen haben“.

„Reizend“ ist hier allerdings nicht im volkstümlichen Sinn gemeint

Liest man dann weiter - mittlerweile schon ein wenig nachdenklich - so erfährt man etwa, dass weder Daten für ein „Derived No-Effect Level“ noch für „Predicted No Effect Concentrations“ verfügbar sind. Vermitteln diese Informationen jemandem ein Gefühl der Sicherheit? Mir eher nicht. Weiter hat man durch Tests an Ratten, Kaninchen und Meerschweinchen ermittelt, dass dieses Produkt „reizende“ Effekte auf Haut und Augen hat, aber immerhin „wird nicht erwartet, dass dieses Produkt Auswirkungen auf die Reproduktion oder Entwicklung verursacht“. 

Der Begriff „reizend“ ist hier allerdings nicht im volkstümlichen Sinn gemeint. Ich frage mich an dieser Stelle, wo PETA und all die anderen Tierschützer bleiben, wenn man sie einmal braucht. Immerhin muss eine Ratte, so hat man es zur Erstellung des Sicherheitsdatenblattes herausgefunden, pro Kilogramm Körpergewicht 2 Gramm von dem Zeugs fressen, um zu 50 Prozent tot zu sein. Allerdings sind, und das sollte zu denken geben, „keine Daten zur Abbaubarkeit diese Produkts verfügbar“. Vielleicht sollte man auch mal die Sicherheitsdatenblätter andere allerdings „chemischer“ Wirk- und Hilfsstoffe daraufhin durchforsten, ob die mit einer solchen Information auch aufwarten können. Bei „Bio“ geht das aber irgendwie:

Was lernen wir also? Die Welt ist anders, als „Landlust“ oder die Schutzstaffeln und Sturmabteilungen der grünen Bewegung dem unaufgeklärten Publikum gerne weis machen wollen, sie ist auch beim Bio-Bauern nur mit Chemie machbar, nur können die das besser verschleiern.

Professor Hans-Jörg Jacobsen war Leiter der Abteilung Pflanzenbiotechnologie am Institut für Pflanzengenetik der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.

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Roberta / 10.07.2016

Apropos Unfugbehauptungen und Ängste: Das besagte Fettalkoholethoxylat, auch bekannt als FAEO, von dem jedes Jahr weltweit 1,3 Mio. Tonnen in Waschmitteln und Kosmetika verbraucht werden, ist ein nichtionisches Tensid, das laut Herstellerangaben in Reinform: gesundheitsschädlich beim Einatmen ist, die Augen reizt und eine
 Sensibillisierung durch Hautkontakt möglich ist: http://www.nufarm.com/Assets/28789/1/Wetcit_2015.pdf Bei einem Herbizid mit Glyphosat, wie z.B. Glyphosat-Berghoff, steht in den Warnhinweisen: „Haut sofort mit viel Wasser waschen. Bei anhaltenden Symptomen ärztlichen Rat einholen. Augenkontakt: Sofort gründlich mit viel Wasser / steriler Augenwaschlösung ausspülen. 15 Minuten lang fortsetzen.“ http://images.raiffeisen.com/Raicom/sdb/4/GLYPHOSAT.pdf Und das gleiche gilt auch für Essigessenz, denn wenn die in die Augen kommt oder auf die Haut, brennt es ebenfalls gewaltig. Bei Herbiziden mit Glyphosat, also (N-(phosphonomethyl)glycin), geht es aber nicht um die Haut- und Augenreizungen, sondern um das Eindringen in sämtliche Pflanzenteile, also in den Mais, in die Linsen, in den Weizen, in die Baumwolle von Tampons und OP Tupfern, wo es auch nie wieder ausgewaschen werden kann, im Gegensatz zum Essig oder dem Fettalkoholethoxylat. Und da Glyphosat, einmal in die Pflanzen eingedrungen, nicht abgewaschen werden kann, absorbiert der Organismus nach dem Essen von Lebensmitteln mit Glyphosatrückständen, dieses Glyphosat über den Darm, wo es vorher aber erstmal wichtige Darmbakterien tötet, die uns gegen Krankheiten und Allergien schützen. Glyphosat kann u.a. bei trächtigen Säuen auch über die Plazenta an den Fötus weitergegeben werden, was dazu führt, dass Glyphosatrückstände (zwischen 7,7 und 9,9 Nanogramm pro Gramm Gewebe) im Darm, Muskelgewebe und sämtlichen Organen der toten oder missgebildeten Ferkel nachgewiesen werden können, die noch nie selber gesäugt wurden oder Futter mit Glyphosat erhalten haben, wie man in diesem Artikel nachlesen kann: http://www.ackergifte-nein-danke.de/news/68-glyphosatwerte-in-den-organen/view.html Und wenn man schon Schrecken mit den Chemikalien in Pestiziden verbreiten will, sollen sich die Chemiker mal die knapp 100 verschiedenen Herbizid Rezepturen anschauen, die Glyphosat enthalten und Hilfsstoffe wie Tallowamin (POEA), Propylenglykol, Natriumsulfit, Natriumbenzoat, Natriumsalz von o-Phenylphenol, aromatische Erdöldestillate, Methyl p-Hydroxybenzoat, 3-iodo-2-propynyl Butylcarbamat, 5-chloro-2-methyl 3(2H)-Isothiazolon und zahlreiche andere Gift- und Hilfstoffe, die wir mit RoundUp und Co in unsere Tiere und unser Ökosystem lassen und über unsere täglichen Lebensmittel jeden Tag, morgens, mittags abends in unseren Körper aufnehmen. http://www.epi-gen.de/themen/oekologie/monsanto-wie-giftig-ist-roundup-fuer-menschen Und welche Schäden diese teilweise geheimen Kombinationen mit unserem Körper anrichten hat noch niemand untersucht. 
Und kein Wissenschaftler, kein Arzt und selbst wir selber wissen nicht, wie viel Glyphosat wir täglich aufnehmen oder in uns tragen, denn von den jährlich 5 Millionen Pestizidrückständen in Lebensmitteln, werden nur 1200 auf Glyphosat getestet. Das sollten wir mal im Chemieunterricht in den Schulen lehren, denn dann würden natürliche, ökologische und nachhaltige Lebensmittel, Natur, Tier und der Beruf des Landwirtes auch wieder wertgeschätzt und werden.

Mad Scientist / 09.07.2016

Sehr geehrter Herr Jacobsen, Asche auf mein Haupt, ich hielt den Text für echt. Es wird aber auch derart viel dummes Zeug geschrieben und wie berichtet auch noch heftig diskutiert, so dass ich beim Lesen einfach falsch abgebogen bin. Wenn Sie sich schon einmal mit einem Kollegen gestritten haben, der sich nach dem Lesen des SDB vor einer 0,1% Lösung eines Stoffes fürchtet, weil dieser als reiner Stoff ätzend wirkt, dann wissen Sie in etwa, was mich manchmal plagt. Da liegen wir wohl sogar auf einer Linie. Nichts für ungut, ich wünsche ein schönes Wochenende.

Hans-Jörg Jacobsen / 08.07.2016

Hallo madscientist, natürlich weiss ich das alles: Es ging mir darum, den Lesern deutlich zu machen, mit welchen Unfugbehauptungen Ängste geschürt und der Bio-Bereich heilog gesprochen wird und was wirkliche Fakten sind. Vielleicht sollte ich für manche Leser noch die satirische Intention etwas deutlicher machen….

Jürgen Mägert / 08.07.2016

OK, ich geb’s zu. Ich habe Wasserstoffperoxid vergessen - aber das dürfte in Getränken nur in unbedenklichen Spuren enthalten sein!

Wolfgang Richter / 08.07.2016

Wer als Bio-Tierzüchter zur Fleisch- und Milchproduktion die vorgegebenen Richtlinien einhalten wollte, um Siegel konforme Lebensmittel abzuliefern, darf z,. B. auch nur Futtermittel verwenden, die entsprechend “sauber”, unbehandelt, nicht herkömmlich gedüngt sind. Setzt man die fraglichen Viehbestände ins Verhältnis zu den Flächen zur Futtermittelgewinnung (z. B. Grünfutter u.- Heu) dürfte jeden klar werden, daß es kaum möglich sein dürfte, hinsichtlich der Futterbeschaffung die Kriterien einzuhalten. Aber der Glaube an sich versetzt nicht nur Berge, der an das Gesundheit versprechende Siegel macht sicher auch glücklich. Und ich glaube, daß viele der Bio-Öko-Folger auch bereit sind, nicht so genau darüber nachzudenken oder zu hinterfragen, um ihre selbst gestrickte “Heile-Welt-Vision” zum Einsturz zu bringen.

Jürgen Mägert / 08.07.2016

Ich kenne nur Dihydrogenmonoxid - und das ist Wasser

Karla Kuhn / 08.07.2016

Ich lasse mir trotzdem von Ihnen meinen BIO-Konsum nicht verderben, ich esse lieber Bio zweite Wahl, als Chemie erste Wahl. Oder wollen Sie den Bio-Käufern mit dem Artikel suggerieren, dass Bio genauso schädlich ist, wie mit Glyphosat gespritzte Lebensmittel?

Stefan Fischer / 08.07.2016

Unsere Vorfahren haben ausschließlich nach den allerstrengsten Biorichtlinien gearbeitet - sie sind in unregelmäßigen Abständen verhungert. Wir würden heute wohl nicht mehr verhungern wenn den Biobauern die Ernte auf Grund des Verzichts auf Fungizide verfault, aber die Biobauern selbst wären dann sehr bald kurz davor zu verhungern, zumindest wenn sie nicht in einem Land mit ausgeprägtem Sozialsystem leben. Ich plädiere sehr dafür jeglichen Einsatz von Giften in der Biolandwirtschaft zu untersagen. Dann wäre der ganze Kokuspokus sehr schnell vorbei, von dem was dann noch geerntet wird kann auch ein Demeterfreak seine Rechnungen nicht bezahlen.

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