Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 03.09.2014 / 11:24 / 3 / Seite ausdrucken

Sagen Sie jetzt nix (Folge 4)

Hier kommt die Maus

“Mäusetag ?”, frage ich dummerweise nach.
Papa Bruch freut sich darauf, das Rätsel für mich entschlüsseln zu dürfen. Am Sonntagmorgen, erklärt er, dürfe bei den Bruchs ferngeschaut werden, und die ganze Familie sei ein Riesen-Fan der Sendung mit der Maus. “Ja”, ist Mama Bruch sofort mit dabei. “Wir lieben die Maus! Kinder, zeigt mal eure Shirts!” In geübter Synchronität heben die beiden Kids emotionslos die Arme, um mir einen einwandfreien Blick auf ihr Shirt zu gewähren, welches bei dem Jungen von der Maus und bei dem Mädchen vom Elefanten geziert wird.

Ich habe mich nie getraut zuzugeben, dass ich die elterliche Begeisterung für die Maus, die immer – “klack klack” – mit den Augen klimpert, und den Elefanten, der immer – “pffffff” – laut trötet, nie so recht teilen konnte. Ich entscheide mich, mein kleines schmutziges Geheimnis auch heute für mich zu behalten. Papa Bruch versucht sich an einer launigen Imitation des Elefanten und bringt damit zwar nicht seine Kinder, aber immerhin seine Gattin und sich selbst zum Lachen. Mit einer entschuldigenden Geste weise ich die beiden Kleinen darauf hin, dass sie ihre Arme wieder runternehmen können.

“Hach, unsere beiden haben von der Maus so viel gelernt”, gerät Mama Bruch ins Schwärmen. “Wie Nudeln gemacht werden oder wo die Dose herkommt. Nicht wahr, Kinder?”  Ich schaue in zwei vollkommen regungslose Kindergesichter und wundere mich, wieso sie dann von der Maus noch nicht gelernt haben, wie man einen überzeugenden Fan darstellt.

“Allein der Anfang jeder Folge…”, führt Papa Bruch die Maus-Lobeshymne fort. “Da wird dann immer irgendeine Fremdsprache gesprochen. Die ganze Familie versucht dann bis zur Auflösung zu erraten, um welche Sprache es sich handelt. Das ist nicht nur wahnsinnig lehrreich, sondern auch noch superspannend.”

Okay, vielleicht habe ich als Kind die Maus nur so ungern geschaut, weil mir der Anfang zu spannend war. Und die Bruch-Kids haben durch die Maus wahrscheinlich schon so viele Fremdsprachen gelernt, dass sie noch überlegen müssen, welche die richtige wäre, um sich am Gespräch zu beteiligen. Mama Bruch steht inzwischen fast bedrohlich nah vor mir: “Soll ich dir mal sagen, was ich an der Sendung mit der Maus besonders gut finde?” Noch bevor ich mit Nein antworten kann, legt sie die Antwort nach: “Da war kürzlich ein toller Beitrag über Menschen mit dunkler Hautfarbe.”

“Oh ja!” Jetzt liegt bedeutungsvolle Ernsthaftigkeit in Papa Bruchs Stimme: “Es gibt wohl keine andere Kindersendung, in der kulturelle Vielfalt so groß geschrieben wird.”

Doch, denke ich, in der Muppet Show kommt locker das Fünffache an Hautfarben zusammen. Und in Sachen Artenvielfalt sind die Muppets der Maus zweifelsohne um Lichtjahre voraus.

“Und Nachhaltigkeit!” Papa Bruch ist offensichtlich noch was eingefallen. “Selbst das Thema Nachhaltigkeit kommt bei der Maus nicht zu kurz.” Mama Bruch lacht sofort laut auf und erinnert die Kinder an eine “geniale Folge” Anfang des Jahres. Da habe die Maus gemeinsam mit dem Elefanten im Bollerwagen Buntglas zum Container gebracht! In den Augen der beiden fünfjährigen Rebellen erkenne ich deutlich, wie sehr sie sich dagegen wehren, den großen Maus-Bollerwagen-Moment noch mal abzurufen.

Papa hat inzwischen beide Hände auf meinen Schultern abgelegt: “Aber das Aller-Allerwichtigste ist doch, dass die Sendung mit der Maus einfach Spaß macht. Also, über diesen Käpt’n Blaubär könnten wir uns regelmäßig kaputtlachen.”

“Ah, Käpt’n Blaubär!” Mama macht sofort wieder mit. “Der ist wirklich unverbesserlich, oder, Kinder?”

Spätestens in diesem Moment beginne ich, eine Prise Mitleid für die beiden Kleinen zu empfinden, und entscheide mich dazu, ihren stillen Widerstand aus dem Untergrund zu unterstützen. Zu Weihnachten werden sie von einem anonymen Spender eine Kermit-Puppe und zwei Wasserpistolen bekommen.

Auszug aus dem neuen Buch von Samira El Ouassil und Dominic Boeer “Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg”. Hier bestellen. 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Hans-Peter Hammer / 04.09.2014

Ich frage mich ein wenig wann die Autoren das letzte Mal “Die Maus” gesehen haben? Nach einer Phase die tatsächlich der beschriebenen entspricht: “Öko, Öko, und political correctnessüber alles!”, ist “Die Maus” von diesem Trip inzwischen wieder runter! (Ähnlich wie übrigens “Löwenzahn”) Zum Glück! (Während der Zeit habe ich “Die Maus” tatsächlich verabscheut!) Meine Tochter (15) und ich (habe das halbe Jahrhundert hinter mir) lieben “Die Sendung mit der Maus”, und zwar gerade weil sie nicht mehr mit dem hochgereckten Zeigefinger belehrt! (Woran sich der WDR, und andere ÖR insgesamt ein Beispiel nehmen sollten!) “Käpt’n Blaubär” ist wirklich komisch! Aber “Shaun, das Schaf”, das zweite Highlight,  scheinen die Autoren nicht zu kennen! Schade!

Axel Knappmeyer / 03.09.2014

Servus! Verzeihung, soll das Obige amüsant sein? Soll das das von Max Goldt denunzierte Eingeweihtheit-Grinsen hervorrufen, das viele nun scheinbar Konservative vereint im Verdrängen der eigenen linken Vergangenheit, da man nun nicht schnell genug im Bürgerlich-liberalen anzukommen anstrebt? Bei nicht Wenigen ist aus Liebe Hass geworden… hier Hohn und Spott. Was kann eine doch in Spuren anarchistische Sendung für das schrecklich paternalistische Kommentieren derartiger Eltern? Ich unterstütze jede Kritik an dem grün-öko-vegan-appeasement-islamrelativieren Spießertum, welches die Mehrheit in Europa resp. den sich selbst hassenden Westen beschreibt. Aber Jim Henson und seine Freunde sind sicher nicht Anhänger eines starken Amerikas gewesen, den USA, die sich nicht fürchten, ihre Flugzeugträger gezielt einzusetzen. Wasserpistole und Kermit: das ist Paternalismus ex negativo. Vormals wurden Kinder als Marionetten der Linken benützt und mit Che-Konterfei et al. verkleidet. Was macht das nun für einen Unterschied, denselben Trotz nur anders herum anzuwenden?

Hjalmar Kreutzer / 03.09.2014

Ich finde Ihr Buch und die Leseproben zum Kugeln, aber die Maus gefällt mir trotzdem! Wenigstens verstehe ich hier die Eklärungen, wie eine Schraube entsteht!

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 13.09.2014 / 18:03 / 0

Sagen Sie jetzt nix! (Folge 6)

Tier sind die besseren Menschen Das Schicksal hat meiner Freundin Heike übel mitgespielt. Sie bekam zwei Kinder, süße blonde Zwillings-Mädchen, die obendrein die Frechheit besaßen,…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 07.09.2014 / 20:27 / 0

Sagen Sie jetzt nix (Folge 5)

„Plastikschaufeln sehen wir gar nicht gerne.“ „Der heutige Tagesordnungspunkt steht ganz im Zeichen eines widerwärtigen Verbrechens“, verkündet Hannes um Punkt 17:00 Uhr im Sitzkreis. Er…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 05.09.2014 / 21:20 / 10

Sagen Sie jetzt nix (Folge 5)

Hach, was sind wir doch für Revoluzzer! Wir brauchen eine Revolution. Für was auch immer, scheißegal. Hauptsache mit einem charismatischen Anführer! Klar, wir sind reich,…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 30.08.2014 / 17:17 / 3

Sagen sie jetzt nix (Folge 3)

Petapa ist überall Sie fragt mich, ob ich wisse, warum der indische Pipal-Baum nicht nur ein heiliger Baum sei, sondern auch als Buddha-Baum bezeichnet werde.…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 26.08.2014 / 15:22 / 6

Sagen sie jetzt nix (Folge 2)

In Mathe war ich immer schlecht “Ach, in Mathe war ich immer schlecht!” Dabei hat er so viel Stolz in der Stimme, wie jemand, der…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 25.08.2014 / 16:05 / 3

Sagen Sie jetzt nix! (Folge 1)

Mit rund 120 Talk-Formaten, also ungefähr 7200 Minuten Sendezeit, findet in unserer Glotze Woche für Woche eine sich gerne laut im Kreis drehende, politisch korrekte…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 26.06.2014 / 23:36 / 4

BIO schmeckt, verdammt nochmal!

Meistens ist es ja umgekehrt, aber an diesem Sonntagmorgen bin ich im Gegensatz zur Fernsehmoderatorin Andrea „Kiwi“ Kiewel glänzend aufgelegt. Die ärgert sich nämlich im…/ mehr

Samira El Ouassil und Dominic Boeer / 19.03.2013 / 08:25 / 0

Karriere in Konformistan (Folge 11)

Samira El Ouassil und Dominic Boeer wissen, wie man als Applausjäger in der Mediengesellschaft fette Beute macht. In der Reihe “Karriere in Konformistan” verraten sie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com