Ein kleines Kammerspiel in der Haushaltsdebatte im Bundestag bietet einen Einblick in die Weltsicht der SPD-Politikerin Dr. Nina Scheer. Oder auch in die eines Kleinkindes, dem man das Löffelchen weggenommen hat. Sehen Sie selbst in der Durchsicht oder lesen Sie es hier als Transkript:
Nina Scheer, MdB (SPD): „Einfach zu sagen, schaut mal wie Ihr klarkommt mit dem Geld, das empfinde ich persönlich als Sabotage, ja sehr wohl.“
Das sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer, eine studierte Juristin und promovierte Politikwissenschaftlerin in der letzten Haushaltsdebatte des Bundestages. Manch einer könnte jetzt sagen, dass er selbst auch mit dem Geld klarkommen muss, was er hat, aber das sieht in der Gedankenwelt rot-grüner Politiker zuweilen etwas anders aus. Einen interessanten Einblick in selbige lieferte eine kleine parlamentarische Episode in der Haushaltsdebatte der letzten Woche, die wir in dieser Durchsicht nachträglich kurz würdigen wollen.
Sie erinnern sich ja: Die Bundesregierung glaubte, sich eine Lizenz zur verfassungswidrigen Zusatz-Verschuldung ertricksen zu können. Nach einer Klage von CDU und CSU hatte das Verfassungsgericht diesen Verfassungsbruch gestoppt und der Ampel-Regierung fehlten plötzlich 60 Milliarden Euro.
Konsequenzen für die Verfassungsbrecher hatte das nicht. In den Regierungsparteien ist man nur wütend auf die, die den Verfassungsbruch vor Gericht brachten. Das spricht auch deutlich aus den Worten der Genossin Scheer, als sie eine Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann beantworten sollte.
Nina Scheer (SPD): „Wenn Sie aber einerseits das Verfassungsgericht bemühen, um hier massive Lücken in die Handlungsfähigkeit Deutschlands zu provozieren, diese Lücken haben Sie durch die Klage provoziert, Sie können sie auch noch durch weitere Klagen provozieren, wir respektieren das Urteil, aber Sie können sich nicht davon frei machen, dass Sie durch die Klage diese Lücken provoziert haben. Soweit so gut.“
Wie ein Kleinkind im Buddelkasten
Also wenn man beim Verfassungsbruch erwischt wird, ist der an den Folgen schuld, der ihn aufgedeckt hat und nicht der, der verfassungswidrig agieren wollte? Deshalb – in der Logik der Genossin Scheer – müssen die erfolgreichen Kläger jetzt auch sagen, wo die Regierung das Geld herbekommen soll, das sie sich nicht mehr borgen darf.
Nina Scheer (SPD): „Der zweite Akt dieser Geschichte müsste dann konsequenterweise lauten, dass dann ein Ersatz gemeinsam, ein Ersatz für diese 60 Milliarden gesucht wird. Aber da lehnen Sie sich genüsslich zurück und sagen dann: Müssen wir mal schauen. Dann sehen wir mal zu, wie die Ampel mit den fehlenden 60 Milliarden umgeht. Da schauen wir mal genüsslich zu. Das ist Ihre Strategie.“
Es ist schon etwas erschütternd, wenn eine promovierte Politikwissenschaftlerin wütet, wie ein Kleinkind im Buddelkasten, dem seine Förmchen fehlen, nur weil eine Nicht-Regierungspartei der Regierung nicht die Verantwortung fürs Regieren abnehmen will.
Noch bezeichnender ist es, wie die Genossin es bewertet, wenn jemand dafür sorgt, dass ihre Regierung des Verfassungsbruchs überführt wird.
Nina Scheer (SPD): „… und insofern möchte ich gerne die letzten verbleibenden Sekunden noch mal darauf verwenden, sehr wohl noch mal zu unterstreichen, dass trotz dieses Sabotageversuchs, der tatsächlich auch in diesen letzten Monaten von Ihnen begangen wurde, dass trotzdem es gelungen ist, den Haushältern gelungen ist, trotz der massiv fehlenden Gelder etwas hinzubekommen, was Investitionen in diesem Land ermöglicht. So bewerte ich Ihr Vorgehen, jawohl! So bewerte ich es, vielen Dank.“
Julia Klöckner (CDU): „Sie sprachen gerade von einer Sabotage. Also Sie bezeichnen die Arbeit der Opposition als Sabotage. Das heißt, wir kontrollieren die Regierungs- und Koalitionspolitik, wir sind vor das Bundesverfassungsgericht gezogen und haben dafür gesorgt, dass ein Richterspruch gefällt worden ist, der besagt, dass der Haushalt, den diese Regierung vorgelegt hat, verfassungswidrig, also nichtig ist. Das heißt, wir haben als Opposition dafür gesorgt, dass die Verfassung eingehalten wird und Sie bezeichnen das als Sabotage, habe ich das richtig verstanden?“
Nina Scheer (SPD): „Ich meine, dass wenn man eine Klage anstrebt und weiß und damit rechnen muss, dass sie auch so und so ausgehen kann, also so ausgehen kann, wie sie es ja mit ihrem Antrag verfolgt, dann – darf ich jetzt vielleicht auch mal antworten – dann muss man auch die Verantwortung übernehmen, gemeinsam für unser Land das, was daraus folgt, konstruktiv zu begleiten und sich nicht zurückzulehnen und zu sagen: Jetzt schaut mal, wie ihr klarkommt, und wir hauen ordentlich drauf. Und nämlich genau dieses Verhalten, das entdecke ich in Ihren Reihen und das empfinde ich als Sabotage.“
Verzweifelte Suche nach neuen Verschuldungsmöglichkeiten
Nein, hier kommt jetzt kein hinkender historischer Vergleich, aber vielleicht sollte die promovierte Politikwissenschaftlerin dennoch mal wieder in ein Geschichtsbuch schauen und nachlesen, in welchen politischen Systemen es üblich war, dass die herrschenden Genossen die Folgen des eigenen wirtschaftlichen Versagens feindlicher Sabotage zurechneten.
Als sich diese kleine Szene abspielte, ging es in der Haushaltsdebatte gerade um den Etat von Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Da zeigte sich bekanntlich mehr als deutlich, dass die rot-grünen Regierenden vor allem verzweifelt nach Möglichkeiten suchen, zusätzliche Schulden machen zu können. Nur die Steigbügelhalter von der FDP zieren sich derzeit noch etwas.
Nina Scheer (SPD): „Ja, lasst uns für 2024 auch erneut die Schuldenbremse aussetzen. Ich weiß, das brauchen Sie gar nicht reinzurufen, dass wir auch in der Ampel darüber einen Diskurs führen müssen, das ist in der Gesellschaft zu führen, dieser Diskurs, und dazu sind Sie auch herzlich eingeladen, wie jeder. Dafür gibt es keine Blaupause, aber das sich davor wegducken, nicht dieser Tatsache in die Augen zu sehen, dass wir eine massiven Wettbewerbsdruck international haben, dass wir massiv Investitionen brauchen, sich davor wegzudrücken und einfach zu sagen, schaut mal wie ihr klarkommt mit dem Geld, das empfinde ich persönlich als Sabotage, ja sehr wohl.“
Übrigens, manchem Nachrichtenkonsumenten fiel am Wochenende vielleicht diese Schlagzeile ins Auge: „Bund nimmt 67 Milliarden aus CO2-Preis ein“. Sowohl die Steuer- und Abgaben- als auch die Schuldenlasten sind in Deutschland wohl groß genug. Es gibt sehr sehr viel Geld, das vom Staat ohne praktischen Nutzen fürs Gemeinwesen ausgegeben wird. Insofern ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass die Regierung mit dem auskommen muss, was sie hat. Das ist keine Sabotage. Und eine Regierung, die das nicht schafft, ist offensichtlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht willens oder in der Lage.
Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.