Die Hauptakteure in Afrika sind China, die EU und die USA. Indien, Brasilien, die Türkei, Südkorea und die Golf-Staaten versuchen ebenfalls, mehr Einfluss zu gewinnen. Russlands politische und ökonomische Bedeutung ist noch gering, obwohl Russland, wie China, den afrikanischen Staaten keine der üblichen westlichen moralischen Vorschriften, wie etwa zu Menschenrechten oder zum Rechtsstaat, macht. Das kommt bei Afrikas Regierungen gut an. Statt ideologischer Belange geht es nun um Verträge, vor allem in den Bereichen Energie und militärische Zusammenarbeit.
Russland erinnert sich, dass die Sowjetunion (SU) von 1950 bis 1990 in Afrika großen Einfluss hatte und vor allem radikale Machthaber unterstützte. Nach dem Ende des Kolonialismus drängte die SU auf mehr politischen Einfluss in Afrika und suchte militärische und strategische Vorteile. Die Hauptrivalen waren zu dieser Zeit die USA und China. Die SU stärkte den Kongo von Lumumba, die Herrschaft von Sékou Touré in Guinea, Nasser in Ägypten, die frühere marxistische Partei MPLA im angolanischen Bürgerkrieg und die FRELIMO in Mosambik. Während des angolanischen Bürgerkrieges befanden sich etwa 10.000 sowjetische und kubanische Soldaten im Lande.
Es wurde aus ideologischen Gründen massiv in diese Länder investiert. Auch das brutale Regime von Mengistu Haile Mariam (1977-1991), dem tausende „Klassenfeinde“ zum Opfer fielen, wurde bis zum Schluss mit Militär und als Hauptwaffenlieferant zur Hand gegangen. Der Sturz von Mengistu erfolgte einen Monat, nachdem Hilfsgelder aus der Sowjetunion ausblieben. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion führten wirtschaftliche Probleme dazu, dass Russland seine afrikanischen Projekte aufgab.
Alte Netzwerke werden erneuert
Jetzt, fast 30 Jahre später, will Wladimir Putin seine Position in Afrika wieder stärken. Viele hochrangige Regierungsmitarbeiter in Afrika haben in der Sowjetunion studiert. Alte Netzwerke werden erneuert. Johannes Burger von der Nanyang Technological University in Singapur meint, dass die Sanktionen in Europa seinen Staat isolieren und dieser sich auch deshalb Afrika zuwendet. Russland ist bereits bei allen UNO-Blauhelmeinsätzen dabei. Russland hat mehr Soldaten bei diesen Missionen als Frankreich, Großbritannien und die USA zusammen.
Vor allem Staatsbetriebe wie Gazprom (Gas), Rosneft (Öl), Alrosa (Diamanten), Rosatom (Atomindustrie) und Waffenhersteller engagieren sich heute. 13 Prozent aller russischen Waffen gehen in afrikanische Staaten (meist über Algerien). Zwischen 2005 und 2015 hat Russland seine Direktinvestitionen um 185 Prozent gesteigert.
In Simbabwe, Guinea und Namibia engagiert sich Moskau in der Bergbauindustrie. Mangan muss Moskau komplett importieren, Chrom zu 80 Prozent, und den Uranbedarf kann Russland nicht mit seinen eigenen Reserven decken. In Angola soll Alrosa seine Beteiligung bei der Erschließung von Diamanten-Lagerstätten ausbauen.
Gazprom arbeitet in Algerien, Libyen, Ghana und Angola. Die russische Atomindustrie sieht wegen des Mangels an Elektrizität potenzielle Kunden in Sudan, Ägypten, Äthiopien, Kenia, Nigeria, Sambia und Südafrika. In Namibia unterzeichnete die Gazprombank mit der nationalen Ölgesellschaft Namcor einen Vertrag über den Bau eines gasbetriebenen Elektrizitätswerks. Mit der 800-Megawatt-Anlage soll auch Elektrizität nach Südafrika exportiert werden. Die Vertriebsunternehmen von Alrosa sind in Botswana, Angola und Simbabwe tätig.
2017/18 empfing Präsident Putin die Staatschefs Alpha Condé (Guinea), Omar al-Baschir (Sudan), Paul Kagame (Ruanda) und Ali Bongo Ondimba (Gabun). Im Juli 2018 reiste Putin zum BRICS Gipfel nach Johannesburg. Außenminister Sergei Wiktorowitsch Lawrow besuchte in dieser Zeit Angola, Namibia, Mosambik, Simbabwe, Äthiopien und Ruanda.
Durch militärisches Engagement mehr Einfluss
Russland versucht durch Investitionen, Rüstungsverkäufe und Militärkooperationen, verstärkt Einfluss in Afrika zu gewinnen. Kamerun erhielt Waffen für den Kampf gegen die Dschihadisten. In Somaliland verhandelt Russland über eine Marinebasis in Zeila City für Kriegsschiffe, U-Boote und Militärflugzeuge. Dies wäre der erste Stützpunkt seit Ende des Kalten Krieges und Putins erster Schritt, seine Marine aufzuwerten. Nicht zufällig haben im Nachbarland Dschibuti China (10.000 Soldaten) und die USA (4.000 Soldaten) ebenfalls militärische Einrichtungen.
Militärische Zusammenarbeit wurde 2017 mit Burkina Faso, Guinea, Ägypten, Zentralafrikanische Republik (ZAR) und 2018 mit Sudan und der RD Kongo vereinbart. Nach russischen offiziellen Angaben wurden nach der ZAR „fünf militärische und 170 zivile Ausbilder“ entsandt. Im Februar 2018 hatte der französische Radiosender „Europe No. 1“ über russische Söldner der Söldnertruppe „Wagner“ in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) berichtet. Drei russische Journalisten, die im Auftrag des Kreml-Kritikers Michail Chodorkowskij in der ZAR waren und über die Gruppe Wagner recherchierten, wurden bei einem Überfall im August 2018 ermordet.
Moskau befindet sich seit der Annexion der Krim in einer Konfrontation mit dem Westen. Die Gefahr der politischen Isolierung von Europa und den USA haben den Kreml offenbar bewogen, nach Verbündeten in Afrika zu suchen – nicht zuletzt wegen deren Stimmen in der UN-Generalversammlung. Für einige afrikanische Länder sind bessere Beziehungen zu Russland attraktiv, weil sie so Europa und China unter Druck setzen können. Außerdem verspricht Moskau den afrikanischen Staatschefs mehr Mitsprache in der UNO.
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.