Christian Osthold, Gastautor / 10.10.2022 / 12:00 / Foto: Pixabay / 92 / Seite ausdrucken

Russland: Die Gefahr der Eskalation steigt

Die Streitkräfte Russlands in der Ukraine sind militärisch nicht mehr Herr der Lage. Ungehindert rücken Kiews Truppen auch im Süden auf breiter Front vor. Die von Moskau verkündete Annexion gerät damit zur Farce. Leider wird die Möglichkeit einer nuklearen Eskalation dadurch signifikant erhöht. 

Wer hätte gedacht, dass Russland innerhalb eines halben Jahres die Oberhand im Krieg gegen die Ukraine verlieren würde? Als die Invasion am 24. Februar 2022 ohne vorherige Kriegserklärung begann, erwartete die Weltöffentlichkeit einen schnellen Sieg. Doch es kam anders. Anstatt ihren Nimbus als stärkste Armee Europas zu behaupten, boten Moskaus Streitkräfte eine desolate Performance. Das Ergebnis ihres Feldzugs ist eine Katastrophe. Nicht nur hat das russische Heer immense materielle Verluste erlitten, sondern auch viele erfahrene Offiziere verloren. Infolge der anhaltenden Sanktionen ist der hypertrophierte Rüstungskomplex nicht mehr in der Lage, den Bedarf an Ersatzteilen und neuem Gerät zu decken. 

Auch die Luftwaffe ist geschwächt. Hochmoderne Systeme wie die Suchoi Su-57 und der Kampfhubschrauber Ka-52 konnten die Erwartungen nicht erfüllen und sind in großer Zahl ausgefallen – vernichtet von einem Gegner, der noch immer vielfach mit Waffen aus Sowjetbeständen kämpft. Selbst die prestigeträchtige Schwarzmeerflotte, die Hüterin des Südens, ist schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Dass im Mai 2022 ausgerechnet ihr Flaggschiff, das den Namen der russischen Hauptstadt trug, von einer Armee versenkt wurde, die selbst keine Marine einsetzt, ist für Russland eine Schmach, die sich kaum in Worte fassen lässt. All dies lässt eine Entwicklung erkennen, die mittlerweile immer schneller voranschreitet: den kläglichen Niedergang der russischen Streitmacht in der Ukraine. 

Aber wie ist das überhaupt möglich? Dass eine Armee sehr wohl auch dann kampfunfähig sein kann, wenn sie noch über aktive Truppen und funktionsfähige Waffen verfügt, ist in Europa spätestens seit dem Sommer 1940 bekannt. Frankreich verfügte damals über eines der modernsten Arsenale der Welt. Dennoch verlor es gegen die kühn agierende Wehrmacht, weil es an Kampfeswillen und Risikobereitschaft mangelte. Das lähmte die Kommandeure und untergrub die Moral der Truppe. Nie zuvor in der Moderne war ein derartiger militärischer Koloss innerhalb so kurzer Zeit in sich zusammengefallen. 

Die Teilmobilisierung versinkt im Chaos

Wenngleich sich Russlands Invasion der Ukraine auch in vielfacher Hinsicht anders darstellt als der Westfeldzug von 1940, ereilt Moskau doch ein ähnliches Schicksal wie Paris. Die russischen Soldaten werden miserabel geführt, tragen kein Ethos in die Schlacht und sind unzureichend ausgebildet. In den sozialen Medien kursieren Videos von mobilisierten Soldaten, die ihrem Frust Luft machen. In der Oblast Belgorod, die direkt an die Ukraine grenzt, wurden jüngst 500 Mann einfach an einem Sammelpunkt ausgeladen. Niemand hatte ihnen gesagt, welcher Einheit sie angehörten und wohin sie gehen sollten. Die ausgegebenen Waffen waren nicht registriert und Munition musste in der Kaserne zusammengesammelt werden. In einem anderen Film wurde den Rekruten von einer Ausbilderin mitgeteilt, die Armee könne ihnen keine Medikamente und Verbandszeug zur Verfügung stellen. Dies müsste privat angeschafft werden. 

All das zeigt, wie sehr die Teilmobilisierung bereits im Chaos versunken ist. Dieses Scheitern ist das Ergebnis von Korruption und Vetternwirtschaft. Seit Jahrzehnten wird der gesamte militärische Komplex von Offizieren als Instrument zur persönlichen Bereicherung missbraucht. In großen Mengen haben sie Waffen, Munition und Ausrüstung auf dem Schwarzmarkt verkauft. Dieses Phänomen ließ sich schon im Tschetschenienkrieg nachweisen, als russische Offiziere den Gegner mit Waffen aus Heeresbeständen belieferten. Dass Wladimir Putin in dieser Situation militärische Laien wie den tschetschenischen Machthaber Ramzan Kadyrov zum Generaloberst befördert, deutet darauf hin, dass er den tatsächlichen Zustand seiner Streitkräfte nicht kennt. Längst ist jedoch klar: Die Armee Russlands mag für Paraden auf dem Roten Platz geeignet sein, nicht aber für einen realen Krieg.

Anstatt die rationalen Konsequenzen aus der sich abzeichnenden Niederlage zu ziehen und den sinnlos gewordenen Kampf zu beenden, kennt der Kreml nur die Eskalation. Mit Wladimir Putin steht ein Mann an der Spitze der russischen Machtpyramide, der fest entschlossen ist, die von ihm selbst in Gang gesetzte Gewaltspirale immer schneller zu drehen. Mit der Teilmobilmachung der Reserve hat er eine strategische Wegmarke gesetzt, die auf direktem Wege in die Katastrophe führt. Das ist so, weil es in Putins Logik nur Sieg oder Niederlage gibt. Entweder wird Russland den ihm aufgezwungenen Existenzkampf siegreich beenden oder untergehen; und da sich der russische Präsident berufen fühlt, das zu verhindern, könnte es schon bald zum Einsatz nuklearer Gefechtsfeldköpfe kommen. Putin wird diese Karte ziehen, wenn er realisiert, dass sich eine Niederlage mit konventionellen Mitteln nicht mehr abwenden lässt.

Putin driftet immer mehr in imperiale Obsessionen ab

Seit seinem bizarren Auftritt vom 30. September 2022, als er vor geladenen Gästen im Kreml – sowie später vor handverlesenen Statisten auf dem Roten Platz – die Auferstehung Russlands als Großmacht verkündete, war klar erkennbar, dass der russische Präsident den Gegebenheiten der Realität mittlerweile konsequent die Anerkennung verweigert. Siege zu feiern, während die eigenen Truppen fluchtartig das Schlachtfeld verlassen, ist ein surreal anmutendes Kunststück. Und damit dies nicht auffällt, verleibt er der Russischen Föderation gleich noch Territorien ein, die er gar nicht kontrolliert. Auch dieser Akt ist Lichtjahre von jeglicher Realpolitik entfernt. Dass das Staatsoberhaupt der weltweit größten Atommacht nach nur sieben Monaten Krieg in diesen Sphären angekommen ist, bedeutet nichts Gutes. 

Während sich in Russland immer mehr Menschen ins Ausland absetzen oder aber in die innere Emigration zurückziehen, ist Wladimir Putin davon überzeugt, die Unterstützung seiner Landsleute zu haben. Seine Auftritte vom 30. September legen Zeugnis davon ab. Putin sprach mehrfach im Plural und sagte: „Wir sind stark, weil wir zusammen sind!“ Wen genau er damit meint, ist fraglich. Offenbar scheint er zu glauben, die Menschen im Donbass hätten gerade keine dringlicheren Probleme, als am Referendum teilzunehmen. Gut möglich also, dass er auch die später veröffentlichten Wahlergebnisse für authentisch hält. Wie selektiv Putins Wahrnehmung der Realität heute ist, lässt sich schwerlich sagen. Fest steht lediglich, dass er immer mehr in imperiale Obsessionen abdriftet. Dazu gehört auch, für kurze Zeit in die Rolle Stalins zu schlüpfen.  

Während seiner Rede auf dem Roten Platz vom 30. September 2022, wo er gemeinsam mit den Führern der annektierten Gebiete auf der Bühne zu sehen war, forderte er die Menge dazu auf, den heroisch an der Front kämpfenden Truppen ein Zeichen der Unterstützung zu setzen. Auf sein Kommando, so der sichtlich ergriffene Putin, solle die Menge dreimal laut „Hurra!“ (russ.: Ura) schreien. Dieser Aufforderung schickte er folgende Worte voraus: „Zur Unterstützung und Dankbarkeit, zur Anerkennung ihrer Verdienste, ihres Heroismus und ihrer Aufopferung, schlage ich vor, Ihnen vom hiesigen Roten Platz ein Zeichen unserer Unterstützung, unserer Achtung sowie der Verneigung vor ihrem Opfer- und Heldentum zu senden. Ich schlage vor, dies laut zu tun, sodass sie über tausend Kilometer hinweg die Stimme des Roten Platzes hören mögen.“ 

Hoffen auf die Wende

Das Ritual, die eigenen Truppen in Kriegszeiten vor dem Kreml zu versammeln und sie dem Feind eine Botschaft entgegenschreien zu lassen, stammt aus dem Dezember 1941. Damals paradierten die soeben aus Sibirien herangeführten Verbände – insgesamt elf Armeen – feierlich vor Stalin über den Roten Platz. An die 20 Kilometer vor Moskau stehende Wehrmacht gerichtet, schrien die Truppen nun auf Kommando „Ura!“. Nur wenige von ihnen überlebten die am 5. Dezember 1941 beginnende Gegenoffensive. Dennoch gelang es, die Deutschen mehr als 250 Kilometer zurückzuwerfen und die Belagerung der Hauptstadt zu brechen. 

Es ist gut möglich, dass auch Putin auf eine solche Wende hofft. Dass das Regime offenbar tatsächlich auf einen solchen „Triumph des Willens“ setzt, zeigt die pathetische Inszenierung des zweieinhalbstündigen Konzerts, das die Regierung anlässlich der Feierlichkeiten auf dem Roten Platz ausrichten ließ. Eine besonders bizarre Kostprobe nationaler Inbrunst gab der Schauspieler Iwan Olchobystin ab. Mit hysterisch kreischender Stimme schrie er dem Publikum entgegen: „Es gibt die Meinung, wonach die spezielle Militäroperation demnächst in eine Anti-Terror-Operation umbenannt wird; manche sagen sogar, dass sie ein patriotischer Krieg sein wird. Aber ich glaube nicht, dass das ausreicht. Richtig wäre es, sie ‚heiligen Krieg‘ zu nennen.“

Dass den Russen schon lange nichts mehr heilig ist, zeigen längst nicht nur die vielen in der Ukraine bis zur Unkenntlichkeit zerschossenen Kirchen, sondern auch die hemmungslose Dienstbarmachung der Orthodoxie für die verbrecherische Regierungspolitik. Dass der Kreml, dessen Vertreter nach wie vor großen Wert auf ein seriöses Auftreten legen und dergestalt wahrgenommen werden möchten, nun auf eine Mixtur okkulter Riten, billiger Propaganda und konsequenter Mythenbildung zurückgreift, ist hingegen eine relativ neue Erscheinung. 

Kein unangefochtener Anführer mehr

Auch Putin hat an diesem Schmierentheater mitgewirkt. Wie schon in seiner Ansprache vom 24. Februar 2022 sagte er erneut einen Satz, den jeder Russe im Alter von über 30 Jahren kennt: „Hinter uns steht die Wahrheit; und in der Wahrheit liegt Stärke.“ Bevor sich einige nun bemüßigt fühlen, den tieferen Sinn dieser Worte zu ergründen, möchte ich gern für Aufklärung sorgen. Das Zitat stammt aus dem populären russischen Mafiafilm „Brat 2“ (2000). Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass Stärke immer mit Moral verbunden ist. Demnach ist nicht stark, wer andere übervorteilt, sondern wer moralisch im Recht ist. Dass dies im vorliegenden Fall jedoch nicht auf Russland, sondern auf die überfallene Ukraine zutrifft, scheint Putin nicht zu kümmern. In seiner Optik war der russische Angriff ohnehin kein Überfall, sondern bloß ein legitimer Akt der Selbstverteidigung. 

Noch bedeutsamer als die zahlreichen befremdlichen Auftritte und Verlautbarungen, die man auf dem Konzert vernehmen konnte, war die Reaktion der Menge. Glaubt man dem russischen Staatfernsehen, war alles klar: Die glücklichen Menschen feierten ihren Erlöser Wladimir Putin und ergingen sich in kollektivem Jubel. Mittlerweile ist jedoch klar, dass es so nicht gewesen ist. Mehrere, dieselben Momente erfassende private Mitschnitte zeigen eindeutig, dass kaum jemand mitging. Fast alle Versuche, die Menge anzustacheln, liefen ins Leere. Das spürte auch Wladimir Putin. Während er das erste „Ura!“ noch aus voller Kehle hinausschrie, sprach er die folgenden zwei Male überraschend leise. Vergleicht man die Reaktion der Menschen mit Putins Aufritt von März, als er im Moskauer Luschniki-Stadion eine Rede hielt, wird deutlich, dass das Regime seine einstigen Mobilisationskräfte längst verloren hat. 

Die Annahme, seine Position als unangefochtener Anführer wäre nicht in Gefahr, könnte sich als trügerischer Irrtum erweisen. Noch nie in seiner Karriere stand Putin dermaßen unter Druck wie heute. Zwar ist richtig, dass er seine Machtbasis in den letzten zehn Jahren durch eine geschickte Personalpolitik stabilisiert hat. Hierzu hat er Schlüsselstellen im Apparat stets nur mit Personen besetzt, die ihm einerseits alles verdanken und einander andererseits nicht ausstehen können. Viele seiner Statthalter kommen wie er selbst aus St. Petersburg. Das ändert aber nichts daran, dass seine Politik in letzter Konsequenz auch ihre Stellung gefährdet. Dabei handelt es sich um ein Ergebnis, das sich kaum noch abwenden lässt. 

Wenn Russland den Krieg militärisch verliert und gedemütigt aus der Ukraine abzieht, werden die Eliten und die städtische Bevölkerung das Regime zur Disposition stellen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Krieg ohne realistische militärische Perspektive weitergeht und russische Mütter fortwährend die Leichen ihrer gefallenen Söhne in Zinksärgen entgegennehmen müssen. Wenn zudem noch die ramponierte Wirtschaft unter den Sanktionen endgültig in die Knie geht und der Wohlstand im Land vollends erodiert, ist es mit dem Regime vorbei. 

Pathologischer Verfolgungswahn

Aus dieser Notlage, die sich mit jedem Tag intensiviert, da die Streitkräfte Kiews weiter vorrücken, gibt es für Putin nur einen Ausweg. Zunächst soll durch eine Auffrischung der Truppen zumindest ein numerisches Gleichgewicht hergestellt werden. Dass die mobilisierten Soldaten weder über eine profunde militärische Ausbildung verfügen noch mit modernen Waffen versorgt werden, ist bestenfalls zweitrangig. Schon in der Schlacht von Stalingrad, dem wohl symbolträchtigsten Triumph der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, hatte für zehn Soldaten zeitweise nur ein Gewehr zur Verfügung gestanden. Das sind freilich keine optimalen Bedingungen. Sie sind aber auch kein Novum. Dass Russland gegenwärtig die schwersten militärischen Niederlagen seit dem Sommer 1941 erleidet, wird vorerst also noch verdrängt.

Sobald jedoch klar wird, dass dieses Kalkül nicht aufgeht, steht Wladimir Putin vor der singulären Entscheidung, ob er den Krieg nuklear eskalieren oder beenden will. Auch wenn es objektiv besehen völlig irrational sein mag, strategische Atomwaffen in der Ukraine einzusetzen, bedeutet das nicht, dass Putin sich nicht dafür entscheidet. Wie ich bereits ausführlich beschrieben habe, sind mehrere Entschlüsse, die er seit dem 24. Februar 2022 getroffen hat, irrational gewesen. Das gilt für die Entscheidung, einen langwierigen Krieg ohne Konzept zu führen, ebenso wie für die Teilmobilmachung der Reserve. All diese Maßnahmen sind mit heißer Nadel genäht, basieren nicht auf dezidiert ausgearbeiteten Plänen und haben daher lediglich einen improvisierten Charakter. Dasselbe träfe im Falle des Einsatzes von Atomwaffen zu. Abermals würde der Kreml eine taktische Disposition wählen, deren Folgen er nicht im Geringsten absehen kann. 

Zu all dem kommt hinzu, dass Wladimir Putin glaubt, sich in einem Abwehrkampf zu befinden, den ihm der Westen aufgezwungen hat. In ihm gehe es darum, Russland als kulturelle Entität zu vernichten, seine Bevölkerung zu versklaven und seine Ressourcen auszubeuten. Diese Wahnvorstellung ist mittlerweile von pathologischem Verfolgungswahn geprägt und sorgt dafür, dass der russische Präsident nicht mehr dazu fähig ist, objektive Entscheidungen zu fällen. Die stark ausgeprägte Servilität der Personen aus seinem Umfeld bedingt, dass keinerlei Widerspruch geäußert wird. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, Putin in die Schranken zu weisen.

Die russische Invasion der Ukraine markiert nicht nur eine tiefe Zäsur in der europäischen Geschichte des 21. Jahrhunderts. Moskaus Krieg hat nämlich auch einen Raum geöffnet, in welchem sich Wladimir Putin innerhalb weniger Monate zu einem Kriegsverbrecher gewandelt hat, der bereit ist, Millionen Menschen zur Verwirklichung seiner ideologisch geschwängerten Vorstellung von einer gerechten Weltordnung zu opfern. Dieses Mindset und der stetig wachsende Druck auf den russischen Präsidenten sind es, die eine nukleare Eskalation heute wahrscheinlicher machen als je zuvor.

Foto: Pixabay

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Arne Ausländer / 10.10.2022

@Gabriele Klein: Daß man versucht, für die “prophezeiten” Clashs zu sorgen, fiel mir schon seinerzeit auf, als “Experten” sich “sorgten”, daß es bald auch in Rumänien so kommen müsse wie in Jugoslawien. Was zum Glück nicht gelang zu initiieren. - Aber ansonsten: Kommt niemandem der Anhänger der Ost-vs-West-Sicht auf diesen Krieg das Script bekannt vor? So das Bestreiten, es handele sich um einen Krieg - das hatten wir doch jahrelang bei Afghanistan! Und die Legende von “chirurgisch sauberen” Schlägen unter maximaler Schonung der Zivilbevölkerung. Ein Bär, den uns die Amis lange aufbanden, der nur nichts mit der Realität zu tun hatte. So nun Rußland seit Kriegsbeginn: es würden Waffendepots und strategische Knotenpunkte zerstört - aber Bilder gibt es fast ausschließlich von zerschossenen Wohn- und Bürogebäuden, gern auch Krankenhäuser. Die werden dann oft nachträglich zu getarnten Militärobjekten deklariert, mit dubiosen Belegen, oft auch ganz ohne. Bei der Krimbrücke aber gab es etliche Videos, in denen man das Geschehen nachvollziehen konnte. Sollten da die Russen schlicht keinerlei Möglichkeiten haben, die Belege auch für ihre “legitimen militärischen Ziele” wenigstens ab und zu vorzulegen? Wahrscheinlicher ist da doch, daß die Unzahl der Bilder und Videos aus der Ukraine, aus ganz unterschiedlichen Quellen, doch ein recht korrektes Bild liefern. Wie übrigens die Angaben über die Frontverläufe beider Seiten sich mit entsprechendem Kartenmaterial nachvollziehen lassen und im Wesentlichen übereinstimmen. Also: ob Putin die Rede vom Nicht-Krieg und der Schonung der Zivilisten nun raubkopiert hat oder ob er lizensiert demselben Script folgt, eine Alternative zu westlichen Untaten würde ich mir doch anders vorstellen. Ähnlich ist es ja bei Corona, Digitalgeld und Überwachung. Auch Cyberpolygon, die 2019-2021 von Rußland und WEF gemeinsam veranstaltete Übung zur Cyber Security, sollte bedacht werden: paßt schlecht zum Märchen der “bösen russischen Hacker”.

Ludwig Luhmann / 10.10.2022

Auch in diesem Krieg werden sicherlich viele Reiche reicher und viele Mächtige mächtiger. Wahrscheinlich werden die allermeisten beteiligten 08/15-Menschen ärmer und ohnmächiger. Die Reichen und Mächtigen haben in den letzten 30 Monaten deutlich demonstriert, dass sie (fast) keinerlei Furcht oder Respekt vor uns normalen Menschen haben. Ich betrachte Putins Krieg als einen Teil des Great Reset, weil die spürbaren Konsequenzen dieses Krieges sehr gut zu den erwünschten Zielen des Great Reset passen. Ich bin ganz und gar nicht der Meinung, dass Putler gegen den Great Reset und für die Freiheit kämpft. Falls die Brüsseler EU durch diesen Krieg zugrunde geht, dann wäre das eine ganz wunderbare Chance, Freiheit und nationale Souveränität zurückzugewinnen. Denn normale Menschen wissen, wie man ein normales Leben aufbaut und führt. Aber das wird wohl nur ein Traum bleiben. - Si vis pacem, para bellum. Friede den Hütten!

Stefan Weyhenmeyer / 10.10.2022

wir sind hier wie bei einem Schachspiel mitten in der Spieltheorie. Wenn Putin eine Atombombe in die Ukraine wirft, hat das Auswirkungen. Wenn er eine Atombombe auf eine europäische Stadt wirft, hat das Auswirkungen. Die Amerikaner warten nur darauf, die Russen endlich zu einer unbedeutenden Regionalmacht zu degradieren. Putin hofft immer noch auf einen kleinen Platz in den Geschichtsbüchern. Wenn er nicht aufpasst, besteht sein Verdienst darin, dass das russische Reich für Jahrzehnte untergegangen ist.

H.Reichmuth / 10.10.2022

@ Werner Arning: Dieses Bündnis existiert schon: Es ist die “Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit” oder englisch auch “SCO”. Auf Youtube finden Sie unter “Mit offenen Karten” von “ARTE” eine 10-minütige, gute und neutrale Beschreibung dieser Organisation. Die Politisierung der Geldströme und des SWIFT-Systems durch den Westen und der US-Einfluss auf die Weltbank und den IWF beschleunigen den Prozess der Entkoppelung der Nicht-Weststaaten massiv. China weiss, dass es als nächstes Land angegriffen wird, wenn das rohstoffreiche Russland den Krieg gegen die NATO verliert. Es verhält sich relativ ruhig, hat aber angekündigt, grosse Teile seiner Dollarreserven auf den Markt zu werfen (offiziell wegen innenpolitischer Schwierigkeiten - aber das Timing ist interessant). Mohammed bin Salman von Saudi-Arabien und andere OPEC-Staaten haben mit ihren doppelten Stinkefingern gegenüber den USA (Akzeptanz der chinesichen Währung für Ölkäufe und die Weigerung, die Ölförderung zu erhöhen) gezeigt, wen sie sich als Sieger wünschen oder auch schon sehen. Diese Koordination erfolgte vermutlich bei der SCO-Konferenz von Samarkand im September dieses Jahres. Putin hat sich dort in die Karten schauen lassen - und seine SCO-Partner glauben wohl an seinen Sieg. Es war zwar immer klar, dass der Westen eines Tages von China überflügelt würde. Aber m.E. hat das idiotische Ukraine-Engagement unseren Niedergang um mindestens 20 Jahre beschleunigt. Die USA ist Rohstoff- und Energie-autark. Wir Europäer werden hingegen untergehen. LNG-Gas ist schlicht keine Alternative zum Russengas, und Alternativenergien sind Science-Fiction. Deutschland schafft es nicht einmal, einen ICE von Hamburg nach Basel-Badischer Bahnhof halbwegs pünktlich ankommen zu lassen. Wie man in zwei Jahren eine Energiewende schafft, ist mir ein Geheimnis. Vielleicht erbarmt sich Putin unser - aber dann wird Europa die NATO auflösen und die US-Armee nach Hause schicken müssen.

Ansgar Dr. Smeet, Brockdorff / 10.10.2022

Das ist natürlich weiterhin bedenklich: Die russophilen Deutschen, die Russlanddeutschen, die dummdeutschen Sozialisten und FDJ-Fähnchen-Schwenker, Merkelbegeisterte, vermutlich viele Zeit-Leser_Innen und die ganzen russischen Trolle und Bots, denen die Achse des Guten leider eine willkommene Bühne ist! Fehlen nur noch die Feministinnen und Spezialistinnen des Völkerrechts, die eine rasche Unterwerfung unter die friedliebenden Russen empfehlen.  

RMPetersen / 10.10.2022

Klar, dass die Ukraine gegen Russland gewinnen werden und dass Putin wechselweise ein paranoider Kiegsverbrecher und imperialer Abgleiter ist. Gibt es nicht mal etwas sachliches, Herr Osthoff? Dies Zeug liest und hört man doch überall im Mainstream.

H.Reichmuth / 10.10.2022

@ Ludwig Luhmann: Die USA haben ca. 3 Billionen (= 3000 Mrd.) Dollar für den Irakkrieg und den Afghanistankrieg ausgegeben. Das ist der Gegenwert von ca. 2500 Top-Spitälern oder Tausender von km erneuerter Autobahnen oder Stromleitungen. Oder zehntausende Psychotherapien für US-Kriegsveteranen (Mittlerweile sind mehr US-Soldaten durch eigene Hand als durch Feindeinwirkung im Irak oder Afghanistan gestorben) In meinen Augen sind diejenigen Anti-Amerikaner, die die Kriege der letzten 20 Jahre zu verantworten haben. Der Ukrainekrieg heute folgt demselben Muster wie alle anderen vier verlorenen Kriege der letzten 20 Jahre: Man findet jemanden unsympathisch, schlägt ihm die Fresse ein oder provoziert ihn zum Krieg - und hat nicht eine Sekunde seine Kultur, seine Lebenswelt oder die politischen Verhältnisse studiert. Man weiss einfach, dass man ihn weghaben will. Mehr nicht. Und dann verhält man sich wie die Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg und ist ganz verwundert, dass der Widerstand mit jedem Jahr grösser statt kleiner wird - und verliert dann das Interesse und schlussendlich den Krieg. Dass in den USA ein Krieg nach dem anderen angezettelt wird und alle Niederlagen keinerlei Konsequenzen haben, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass dort Kriege nicht einen Zweck verfolgen, sondern nur dem MIK dienen. Mehr nicht. In dem Sinne ist der verlorene Ukraine-Krieg ein senstationeller Erfolg: Die Waffenbestände der Osteuropäer sind geleert (alle alten Sowjetwaffen sind in der Ukraine), die Westeuropäer sind zu Tode geängstigt und wollen mehr Waffen - und für die Werbung in der Ukraine ist kein einziger US-Soldat gestorben (zumindest nicht solche auf der Lohnliste des DoD). Und Europa wird dank der Energieknappheit als US-Konkurrenz verschwinden. Um mehr geht’s den US-Politikern nicht… da ist mir mittlerweile Russland sympathischer.

Volker Kleinophorst / 10.10.2022

@ T. Schneegaß Ich nerv die Jünger des Halbwissens zu gern, Niemals zurückweichen, niemals aufgeben. ;)

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