Oliver Zimski / 28.03.2022 / 06:13 / Foto: Kremlin.ru / 94 / Seite ausdrucken

Russian Reset

Holodomor, Stalin, Zarenreich und Weltkrieg – all diese verschütteten Erinnerungen blitzen in der Gegenwart plötzlich wieder auf.

Wie denken Anfang Zwanzigjährige über das, was in der Ukraine geschieht? – fragte ich kürzlich meine Tochter. Sie versuche, sich vor den täglichen Horrormeldungen und den vielen Videos in den sozialen Netzwerken abzuschotten, erwiderte sie, weil dieser Krieg mit seinem unermesslichen Elend so dicht in unserer Nähe „unfassbar“ sei für sie, die doch schon unter schlaflosen Nächten leide, wenn wieder mal ein Mann sein Auto in eine Fußgängergruppe gesteuert habe. Ihren gleichaltrigen Freunden gehe das genauso. Außerdem sei der Krieg irgendwie „irreal“, passe überhaupt nicht in die Zeit.

Meinen alten Eltern wiederum kommen vor dem Fernseher die Tränen vor Mitleid mit den ukrainischen Flüchtlingen – und weil sie wie mit einer Zeitmaschine zurückfahren in die Vergangenheit. Von den TV-Bildern werden ihre eigenen Kindheitserinnerungen an die Bombennächte des letzten Krieges getriggert.

Dass dieser Krieg für die Jungen „unpassend“ ist und die Alten an den Zweiten Weltkrieg erinnert – so denn beide Beobachtungen einigermaßen repräsentativ sein sollten –, klingt durchaus schlüssig, ist doch sein Urheber in einer ganz speziellen Zeitmaschine ebenfalls weit zurückgereist in die Vergangenheit und rechtfertigt seine Invasion der Ukraine geschichtspolitisch.

Wobei die nostalgische Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ etwas sehr Menschliches ist. Früher wollte man in Deutschland den Kaiser wiederhaben, später die Goldenen Zwanziger, die wilden Achtziger, dann – je nach Prägung – die BRD-Wohlstandsjahre oder die DDR-Vollversorgung. Immer schien es in der Vergangenheit besser gewesen zu sein als in der Gegenwart. Entsprechend sehnt sich in Russland manch einer zurück in die Zeit der Sowjetunion.

Im Luftschutzkeller der Geschichte

Gefährlich wird es, wenn Menschen ihre nostalgische Sehnsucht nicht als kleine Flucht aus der Realität begreifen, sondern aus ihr mit der dazu notwendigen politischen und militärischen Macht eine neue Realität formen wollen. Für Wladimir Putin ist die Vergangenheit keine Schatztruhe individueller und kollektiver Erinnerung und historischer Lehren, sondern ein alter Luftschutzkeller, in dem er Waffen und Munition gebunkert hat. Die bringt er jetzt zum Einsatz.

Mit seiner Amokfahrt zwingt er uns alle ebenfalls in die Zeitmaschine. Allen, die eigentlich mit vermeintlich Wichtigerem beschäftigt waren – dem Klimawandel, der Energiewende, dem Kampf gegen Rassismus und Rechtspopulismus –, aber auch jenen, deren Augenmerk eher auf Corona-Irrsinn, Genderwahn, Cancel Culture und „Great Reset“ lag, all denen ruft Putin ein „Nitschewo!“ zu und drückt seinen eigenen Reset-Knopf, mit dem es weit zurück geht, wahlweise ins Jahr 1917, 1944, 1962 oder 1982. Auf einmal sind die Panzerschlachten des Zweiten Weltkrieges zurück, die Flächenbombardements auf Großstädte, die größte Fluchtbewegung seit achtzig Jahren, selbst Massendeportationen missliebiger Bevölkerungsteile, wie gegenwärtig rund um die umkämpfte Hafenstadt Mariupol – eine „Spezialität“ stalinistischen Terrors. Der Kalte Krieg ist wieder da, auch die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Wir alle fahren mit und fallen dabei um Jahrzehnte zurück.

Boris Reitschuster weist darauf hin, dass die russische Gesellschaft bereits seit zwei Jahrzehnten mental auf einen großen Krieg eingestimmt wurde und die dortige Propaganda auch Kinder systematisch indoktriniert mit dem Ziel, ein großrussisches Reich zu schaffen, einschließlich der „Rückeroberung“ Alaskas. In seinem programmatischen Aufsatz von 2021 behauptete Putin, offenbar in direkter Vorbereitung seines Angriffskrieges, die moderne Ukraine sei 1917 von Lenin und dessen Mitstreitern erschaffen worden, indem diese sie von „russischem Land“ abgetrennt hätten. Deshalb habe sie kein Recht auf eigene Staatlichkeit. Damit überrollt er mit seiner Zeitmaschine locker die vergangenen dreißig Jahre ukrainischer Souveränität. Doch wenn Lenin daran schuld ist, dass Russland heute die Ukrainer mit Waffengewalt zum „Anschluss“ zwingen muss, warum verherrlichte dann letzte Woche ein Sänger auf Putins großer Durchhaltekundgebung im Moskauer Luschniki-Stadion den Vollstrecker der Russischen Revolution mit den Zeilen „Lenin und Stalin – das ist mein Land!“? (Gesungen von Oleg Gasmanow ab Minute 23:06)

Wer Geschichte für einen Angriffskrieg instrumentalisiert, muss selektieren, aussieben, umlügen, was nicht ins eigene Narrativ passt. So entsteht eine krude Mischung aus „rechtem“ Wagenburgdenken (der Westen wolle Russland „zerstören“) und „linker“ Paranoia (Neonazis würden russische Minderheiten mit Genozid bedrohen).

Putins, Faesers und Kahanes Nazikeule

Die Moskauer Propaganda-Show stand unter dem Motto „Für einen Frieden ohne Nazismus“, denn für die gleichgeschaltete russische Öffentlichkeit wird die „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine, die unter Androhung drakonischer Strafen nicht Krieg genannt werden darf, bekanntermaßen gegen Neonazis und Drogensüchtige geführt. Angesichts dessen, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski Jude ist, fehlt hier aus der Mottenkiste kommunistischer Agitprop-Phrasen nur noch der Vorwurf, in Kiew trieben „Kosmopoliten“ und „Zionisten“ ihr Unwesen.

Selten zuvor wurde die „Nazikeule“, d.h. die Rechtfertigung eigener Aggression mit dem Verweis auf die Bedrohung durch angebliche Faschisten, so deutlich als das entlarvt, was sie schon zur Zeit des Stalinismus war (und auch im Deutschland der Faesers, Kahanes, Haldenwangs und Co. längst geworden ist): ein ideologisches Kampfmittel zur Dämonisierung und Entmenschlichung des politischen Gegners, das mit systematischer Lüge und Geschichtsfälschung einhergeht.

Das Körnchen Wahrheit, das in jeder Propagandalüge liegt, besteht hier darin, dass das inzwischen der ukrainischen Nationalgarde unterstellte und in Mariupol kämpfende paramilitärische Asow-Regiment tatsächlich viele Rechtsradikale in seinen Reihen hat. Politisch hingegen spielten rechtsextremistische Gruppierungen in der Ukraine nie eine Rolle, scheiterten bei Wahlen stets weit abgeschlagen hinter der Fünfprozenthürde.

Übrigens hat auch die russische Seite Rechtsextremisten in ihren Reihen. Die Söldner-Gruppe Wagner, von ihrem Chef, einem russischen Neonazi, nach Hitlers Lieblingskomponist benannt, umfasst dreimal so viele Kämpfer wie das Asow-Regiment und soll den Auftrag haben, den ukrainischen Präsidenten Selenski und die beiden Klitschko-Brüder zu töten. Und das „Z“, das auf die russischen Panzer gepinselte Erkennungsmerkmal und Siegessymbol, erinnert viele Ukrainer an SS-Runen. Eine bittere Ironie der Geschichte ist, dass einer der letzten hochbetagten KZ-Überlebenden nun in seiner Wohnung in Charkow durch russische Bomben getötet wurde. So viel zur Glaubwürdigkeit des „Ukraine entnazifizieren“-Narrativs.

In der heftig umkämpften und teilweise eroberten Hafenstadt Mariupol dient Putins Nazikeule nun zum Vorwand für ethnisch-politische Säuberungen. Wer nicht für Russland optiert, steht unter „Nazi“-Verdacht und wird „abgeholt“. Aus dem imaginierten, als Kriegsvorwand benutzten Genozid an der russischen Minderheit in der Ostukraine droht ein tatsächlicher Genozid an der ukrainischen Bevölkerung zu werden.

Da passt es ins Bild, dass die russischen Behörden wenige Wochen vor Beginn des Krieges unter dem Vorwurf „ausländischen Agententums“ die hochangesehene Menschenrechtsorganisation „Memorial“ verbieten ließen, die sich seit Jahrzehnten gegen alle Widerstände bemüht, die Verbrechen des Stalinismus aufzuarbeiten und den Millionen namenloser Opfer von Massenhinrichtungen und Gulags Gesicht und Würde zurückzugeben.

Die Dämonen der Vergangenheit

Die beiden auf der Durchhaltekundgebung besungenen Sowjetführer waren verantwortlich für den „Holodomor“ genannten Völkermord an den Ukrainern vor 90 Jahren, dem 4–7 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Lenin bahnte ihn an, Stalin führte ihn aus – auch um die damaligen ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu ersticken.

Die fehlende Aufarbeitung dieses Menschheitsverbrechens durch die russische Gesellschaft und Putins demonstrative Verachtung des ukrainischen Selbstbestimmungsrechts dürften ihren Teil dazu beitragen, dass sich die Ukrainer so erbittert verteidigen. In diesem Krieg geht es um ihre Identität, um ihre Existenz als freie und eigenständige Nation.

Auch bei Russlands kleinen europäischen Nachbarstaaten weckt Putins geschichtspolitisch begründeter Imperialismus die Dämonen der Vergangenheit, sät Angst und Misstrauen bei den leidgeprüften baltischen Staaten, Polen und sogar bei Finnland, die alle ebenfalls einmal Teil des Zarenreiches waren. Nachdem der ehemalige russische Ministerpräsident Medwedew jetzt polnische Politiker als „Marionetten des Westens“ und „Bande von Schwachsinnigen“ beschimpfte, kommen aus Polen scharfe Töne zurück. Polen habe genügend Territorium, konterte der polnische Präsident Duda, um alle potenziellen Angreifer begraben zu können. 

Per Zeitmaschine in den Atomkrieg

Sicher gibt es eine „Vorgeschichte“, wie von Putin-Apologeten ins Feld geführt:

Dass die NATO zu nahe an Russland herangerückt sei (aber war es nicht eher so, dass die osteuropäischen Staaten nach ihrer Befreiung vom sowjetischen Joch aus guten Gründen regelrecht in die Arme der NATO geflüchtet sind?);

dass Russland sich eingekreist fühlte, dass sein Sicherheitsbedürfnis als Großmacht verletzt worden sei (was ist eigentlich mit dem Sicherheitsbedürfnis der baltischen Staaten oder Polens?);

dass Putins ausgestreckte Hand für eine umfassende Kooperation 2004 vom Westen sträflich ignoriert worden sei – ein Punkt, der im Nachhinein sicher zu bejahen ist.

Eine solche Vorgeschichte gab es jedoch immer. Auch Deutschland wurde 1919 in Versailles Unrecht getan, was Hitlers späteren Aufstieg begünstigte. Die Auflösung des Völkergefängnisses Sowjetunion vor dreißig Jahren beraubte zwar viele Russen – insbesondere jene, die im Zuge der kommunistischen Russifizierungspolitik etwa im Baltikum angesiedelt worden waren – ihrer privilegierten Stellung, aber viele andere dürften sie ebenfalls als Befreiung erlebt haben.

Ob und inwieweit Putins Vorwürfe, benachteiligt, eingekreist oder provoziert worden zu sein, berechtigt waren, wird allerdings nach Ende des brutalen Angriffskrieges, den er gegen die Ukraine führt, niemanden mehr interessieren. Durch seine Invasion und die gerade in den letzten Tagen immer lauter geäußerte Drohung, wenn Russland sich existenziell bedroht fühle – und dies behauptet er aufgrund der westlichen Unterstützung der Ukraine – könne es auch Atomwaffen einsetzen, hat er Tatsachen geschaffen, die für eine Zeitenwende stehen, weil ihre Auswirkungen die deutsche und europäische Politik in allen nur erdenklichen Feldern und damit auch das Leben aller Bürger einschneidend verändern werden.

Was die Ukraine betrifft, ist Putin schon jetzt auf ganzer Linie gescheitert. Wenn es vorher – zumindest unter russischsprachigen Ukrainern – tatsächlich kein ausgeprägtes Nationalbewusstsein gegeben haben sollte, so dürfte dieser Krieg später einmal als Geburtsstunde einer einheitlichen ukrainischen Nation gelten und er, Putin, als ihr Geburtshelfer. Politisch wird die Ukraine sich in Zukunft aus verständlichen Gründen so eng wie möglich an EU und NATO anlehnen.

Wolodymyr Selenski konterte den Auftritt des russischen Präsidenten in Moskau mit einem drastischen Bild: Man solle sich als Publikum im Stadion die Leichen der 14.000 bisher in ihren Panzern und Lastwagen verbrannten russischen Soldaten vorstellen, dazu die vielen Verwundeten und Verstümmelten. Außerdem – möchte man ergänzen – auch die ukrainischen Männer, Frauen und Kinder, die dem Krieg bisher zum Opfer gefallen sind. 

(Dieser Artikel wurde nachträglich um eine Passage zum Lied von Oleg Gasmanow ergänzt, in dem dieser auf Präsident Putins Veranstaltung Lenin und Stalin besingt.)

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Helmut Driesel / 28.03.2022

  Ja, besonders die zerbombten Hochhäuser haben eine Aura des Postapokalyptischen, wie sie in den beliebten amerikanischen Endzeitfilmen immer wider zu sehen sind. Und ich bekomme bei dem Anblick sofort das Gefühl, dass sie auch hier bei uns stehen könnten. Aber wenn Kriege Sinn haben, was ich nicht in letzter Instanz beurteilen kann, nämlich den, Widersprüche aufzulösen, dann müssen sie unter Betrachtung ihrer Vorgeschichte hingenommen werden. Die Vorgeschichte ist das Versagen derer, die diese Widersprüche erzeugt und gepflegt haben. Niemand hat hier im betrachteten Konflikt ein versöhnliches Wort gefunden. Darum bin ich überzeugt, alle beteiligten Mächte inklusive der stillen Teilhaber im Westen haben den Krieg gewollt. Insofern ist alles Bedauern, all das Entsetzen, alle gespielte Solidarität nicht vollständig ehrlich und nicht ohne Heuchelei. Es ist eine Rolle in einer Tragödie, die alle mitspielen. Denn es wurde gemeinsam mit den greinenden Zuschauern inszeniert. Wir alle wissen doch, es gewinnen immer die Guten, im Film allemal. Im Leben werfen sie oft das Handtuch. Die patriotischen Klitschkos und ihr komischer Präsident vertreten einen Grad an Nationalismus, der in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Vielleicht lädt sie in Sachsen mal jemand ein, auf einer Pegida-Demo zu sprechen. Es ist auch naiv, zu glauben, die politischen Haltungen der Flüchtlinge würden innenpolitisch keine Wellen schlagen. Es könnte natürlich sein, dass gerade die weltoffenen Hippis und Europafanatiker dort abgehauen sind. Bürgen wurde ich dafür nicht. Ich bin überzeugt, begeistert von den hiesigen Verhältnissen werden die nicht sein.

Walter Weimar / 28.03.2022

Wenn ich das lese, kann ich auch wieder Fernsehen anmachen, die lesen mir vor. Wie schon im Kommentaren bemerkt, es fehlt an Journalisten, die den Namen verdienen.

Uwe Heinz / 28.03.2022

Ich sehe Parallelen zwischen diesem Krieg und dem Krieg, der am 1. September 1939 begann! Deutschland verlor durch den Versailler Vertrag Staatsgebiet und Staatsbürger. Rußland hat seit dem Ende der Sowjetunion Staatsgebiet und Staatsbürger verloren. Der Völkerbund wollte die deutschen Minderheiten in den abgetretenen Gebieten nicht schützen. Das Minsker Abkommen ist seit dem Abschluss 2014 das Papier nicht wert auf dem es geschrieben steht. Im Donbass herrscht Bürgerkrieg, in Odessa wurde ein Haus angezündet, in dem Russen bei lebendigem Leib verbrannt wurden! All das hätte seit 2014 verhindert werden können, aber man wollte nicht und sicher werden sich nachträglich gute Gründe und Rechtfertigungen dafür finden! Die Geschichte wird wiederholt, weil es vermeintlich wieder genauso ausgehen könnte wie 1945!  Es gibt in diesem Spiel jedoch einen großen Unterschied: NIEMAND kann Rußland erobern oder militärisch besiegen, denn dazu ist es zu groß! ALSO STAATSMÄNNER: Setzt euch verdammt nochmal zusammen und findet eine diplomatische Lösung! Dafür werdet ihr bezahlt und nicht dafür, daß Menschen in Kriegen ihr Leben und ihren Besitz für eure Machtspielchen verlieren!

Günter Schlag / 28.03.2022

Bei dem, was wir über diesen Krieg hören und sehen, sollten wir nicht vergessen, was Baron Arthur Ponsonby, ein englischer Diplomat, schrieb. Der hatte bereits nach dem Ersten Weltkrieg jene zehn „Prinzipien der Kriegspropaganda“ analysiert, die ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren haben sollen: 1. Wir wollen den Krieg nicht 2. Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung 3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel 4. Wir kämpfen für eine gute Sache 5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen 6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich 7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm 8. Künstler und Intellektuellen unterstützen unsere Sache 9. Unsere Mission ist heilig 10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter. Die gelten für beide Seiten. Und wir, genauso wie die Russen erfahren nur das, was nötig ist, damit wir in die gewünschte Richtung denken.

Chris Kuhn / 28.03.2022

“In der Ukraine sind die Rechtsextremen eine unbedeutende Minderheit”. Für die Rußländische Föderation werden sie zusammen mit den Sowjetnostalgikern in dem Artikel als repräsentativ bezeichnet. So einfach ist das ganze nicht. Die “Androhung drastischer Strafen” für russ. Anti-Kriegs-Demonstranten heißt noch lange nicht, daß sie verhängt werden. Von 14 Tsd. “Verhafteten” war die Rede. Nur wurden die meisten von denen nach ein paar Stunden auf der Wache wieder heim geschickt. Selbst die Dame mit dem “Stop War” - Schild in der TV-Nachrichtensendung kam mit einer Strafe in Höhe eines Fünftel Moskauer Monatsgehalts davon. Da ist es hierzulande zehnmal teurer, den Münchener SPD-OB, “Vollpfosten” zu nennen. Natürlich wird jene Moskauer Redakteurin ihren Job verloren haben, genauso wie die Corona-Whistleblower im SWR und ZDF. Nun ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich, aber die “Achse” sollte zu diesem Thema nicht auch noch in Reitschusters (auf dessen Seite überwiegend kritisierten) Haltungsjournalismus verfallen. Krieg ist Krieg und dieser wurde erst scheußlich, weil der russ. Armee seitens der militärischen und politischen Führung rasch nachvollziehbare Ziele ausgingen. Seitdem wird indiskriminiert gebombt, was den Anteil der ukrainischen Rußlandhasser von 70 auf 90% erhöhte. Bessere Lagebilder zum Ukrainekrieg als in den BRD-Medien und hier findet man in den kompakten und nüchtern emotionslosen YouTube-Einspielern des Österreichischen Bundesheeres! Sehr empfehlenswert und weit weg von dem allenortens schon herbei gewünschten “Sieg” der Ukraine. Die von Henryk Broder idolisierten Herren Selenskij (der seine Verständigungsversprechen zusammen mit den Minsker Abkommen brach) und Klitschko werden harte Kompromisse eingehen müssen. Broder sollte sich einmal damit befassen, daß Polen, zu dem einst fast die ganze Ukraine gehörte, sich mit seiner Zündelei durchaus nicht interesselos verhält. Man träumt dort schon davon, ein irlandgroßes Stück im Westen zu protegieren.

Dr. Markus Hahn / 28.03.2022

Die Kenntnisnahme der Vorgeschichte würde immerhin dabei helfen, eine manichäische Dämonisierung des politischen Gegners zu vermeiden. Denn - außer man sucht nach totaler Annihilierung - mit dem wird man sich am Ende des Tages zusammen setzen müssen. Chronologische Einordnung und Wertung der “Vorgeschichte” unterliegen sowieso immer höchst subjektiver Einschätzung.

Dr. Daniel Brauer / 28.03.2022

Lieber Herr Zimski, die Ukraine ist ein ultra- nationalistischer Staat. Auch die mit Kriegswaffen ausgerüsteten Milizen, finanziert von Oligarchen wie in Russland, passen ja wohl kaum zum Diktum der EU. Sie sind die absolute Anti- These wofür Europa heute stehen will ! Russland natürlich ebenso. Wenn sie das Z auf russischen Einheiten jetzt als Nazi- Rune interpretieren, so sollten sie sich besser über die ukrainische Seite informieren. Warum in einem doch eigentlich ethnisch- kaukasisch homogenen Land WHITE- POWER- Supremacist- Bewegungen existieren, ist mir selbst schleierhaft, aber es gibt sie massenhaft und sie haben sogar internationales Sendungsbewusstsein und ziehen Anhänger vor allem aus Skandinavien an. Stepan Bandera als geplanter und durch internationalen Druck gescheiterter Nationalheld und sein damaliges Umfeld mit Hass auf alles nicht- ukrainische und Morden an hunderttausenden sind eben kein Randphänomen. Die Ukrainer agierten so brutal, das sich sogar die SS abwandte, was man sich eigentlich bei diesen Verbrechern nicht vorstellen kann. Peinlich für unser Land, das Bandera nach dem Krieg wie viele Schergen in München Unterschlupf fand, bevor der KGB in dort aufspürte. Vielleicht wäre es besser erst mal vor der eigenen Haustür zu kehren und sich daran zu erinnern, das der Westen alle Absprachen mit Russland gebrochen hat, während er selber Angriffskriege führend bombend um die Welt zog, statt jetzt immer wieder zu behaupten Putin mache dies alles aus Entnazifizierungsgründen. Unsere Moral ist nicht besser, keinen Deut ! Die vom Westen bombardierten, konnten nicht mit Atomwaffen drohen, antworteten mit Migrationswellen. Und Selensky ist kein Argument, das es keinen nennenswerten Neo- Nazismus in der Ukraine gäbe. In der Knesset kam er mit seinen Reden nicht gut an. Und dann könnte man auch glatt behaupten unter Obama hätte es keinen Rassismus in den USA gegeben und als Friedensnobelpreisträger hatte jede Drohnenbombe einen pazifistischen Hintergrund.

Hans-Joachim Gille / 28.03.2022

Werter Herr Zimski, wenn dem alles so ist, wie Sie schreiben, warum gibt es die NATO dann überhaupt noch? Ist die NATO nicht vielmehr ein Angriffs-Bündnis, um politische Interessen, vordergründig die der USA durchzusetzen? Mich ekeln meine Landsleute an, die nur durch eigene Betroffenheit (geographische Nähe) einen Krieg wahrnehmen und denen andere Kriege, Afghanistan, Jemen, Syrien, Libyen, Israel am Allerwertesten vorbeigehen. So gesehen haben wir für unsere Ignoranz diesen Krieg sogar verdient. Bei den Ukrainern ist dies nicht anders. Wer hat denn dort diejenigen gewählt, die Minderheiten verbieten, russisch oder ungarisch zu sprechen?

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