Die Meldung fand kaum Beachtung in diesen Tagen, da vor allem über die Neuordnung des Corona-Notstandsregimes debattiert wurde. Die Landtage von Sachsen-Anhalt und Thüringen verabschiedeten den Staatsvertrag für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Der sächsische Landtag hatte dies bereits im März getan, nun steht dem Inkrafttreten neuer Regeln in der Dreiländeranstalt nichts mehr im Wege. Was ändert sich? Aus der Süddeutschen Zeitung erfuhren die Leser dazu:
„Es ist das erste Mal nach der Gründung des MDR im Zuge der Wiedervereinigung im Januar 1991, dass die drei zuständigen Landtage den MDR-Staatsvertrag modernisieren. Änderungen gibt es etwa beim Rundfunkrat: Dem Aufsichtsgremium sollen künftig Vertreter der Sorben angehören sowie von Migrantenverbänden und von LSBTTIQ-Verbänden, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle, Intersexuelle und Queere für ihre Interessen eintreten. Der Anteil von staatsnahen und staatlichen Vertretern wird begrenzt. Diese Gruppe dürfe höchstens ein Drittel der Mitglieder stellen, das hatte das Bundesverfassungsgericht 2014 in einem Urteil zum ZDF-Staatsvertrag festgelegt. Dem trägt nun auch der neugefasste MDR-Staatsvertrag Rechnung.“
Nun überrascht sicher niemanden, dass heutzutage den Vertretern von Migrantenverbänden und den LSBTTIQ-Verbänden – wobei mir das zweite T in der sich ständig erweiternden Abkürzung wirklich neu war – Sitze freigeräumt werden. Zudem hätte ich gedacht, dass die Sorben schon im alten Staatsvertrag berücksichtigt worden seien, schließlich produziert der MDR ja auch sorbische Sendungen. Aber einen wichtigen Teil des Staatsvertrags hielten die meisten Berichterstatter nicht für erwähnenswert, obwohl er für die meisten Politiker sicher wichtiger war als die Vertretung von Migranten oder Sorben: der Ausschluss der AfD, aber auch anderer parlamentarischer Minderheiten aus dem Rundfunkrat quasi per Gesetz.
Wer will schon kritische Aufsicht?
Im bislang gültigen MDR-Vertragswerk heißt es, dass sich der Rundfunkrat neben all den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und den Abgesandten der drei Landesregierungen auch zusammensetzt aus
„Vertretern der in mindestens zwei Landtagen durch Fraktionen oder Gruppen vertretenen Parteien in der Weise, dass jede Partei entsprechend der Gesamtstärke der Fraktionen oder Gruppen je angefangene fünfzig Abgeordnete ein Mitglied entsendet“.
Das führt dazu, dass auch die AfD im MDR-Rundfunkrat vertreten ist. Nun ist die AfD kein Freund des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Nicht nur wegen der klaren Haltung, von der fast jeder Bericht der gebührenfinanzierten Sender über die Partei gesättigt ist. Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine üppige Finanzierung wird von der AfD grundsätzlich infrage gestellt. Das lässt von einem Rundfunkratsvertreter aus dieser Partei vor allem nur kritische Prüfungsbegehren und Fragen erwarten. Wer will das schon?
Zum Glück konnten die Politiker der etablierten Parteien die Vorgabe der Begrenzung des politischen Einflusses auf die Sender gleich mit einer politischen Flurbereinigung verbinden. Denn jetzt steht in dem Passus im Staatsvertrag, der regelt, wer für die Landesparlamente im Rundfunkrat sitzt: „...je drei Vertreterinnen oder Vertretern der Landtage, die mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des jeweiligen Landtages gewählt werden“.
Zweidrittelmehrheiten werden AfD-Vertreter wohl kaum bekommen. Den gegenwärtigen Platz im Rundfunkrat wird die Partei bei dessen Neubesetzung räumen müssen. Wer sich darüber freut, weil er der AfD alles Schlechte an den Hals wünscht, sollte kurz bedenken, dass das, was jetzt konkret die AfD trifft, auch andere parlamentarische Minderheiten von der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausschließen kann. Wenn sich drei Parteien verständigen, die zusammen eine Zweidrittelmehrheit haben, dann besetzen diese drei Parteien die jeweiligen drei Sitze. Die anderen bleiben außen vor. Spannend wird es, wenn man, wie im MDR-Gebiet, vier Parteien für eine Zweidrittel-Mehrheit braucht.