Alles wird gemeinsam im Rudel gemacht. Es herrscht „Rudel-Mania“. Sport gucken, Singen, Bummeln und sogar wissenschaftliches Schreiben. Aber die soziale Rudelkarikatur übertrifft sich selbst. Menstruieren und Masturbieren im Rudel werden salonfähig. Das zeigt, es geht immer ein Stückchen weiter.
Der Mensch als „Mängelwesen“. So bezeichnete der Soziologe Arnold Gehlen den Menschen. Ob Geruchssinn oder Hörsinn, ob Schnelligkeit oder Muskelkraft. Im Gegensatz zum Tier kann sich der Homo sapiens nicht als Grandseigneur der Körperlichkeit rühmen. Diese Positionen übernehmen etwa der Adler als „König der Lüfte“ oder der Jaguar als „König der Dschungel“. Deswegen bedient sich der Mensch diverser Hilfsmittel, mit denen er seine Unterlegenheit kompensieren kann.
Zu hässlich, zu langweilig, zu blöd? Kein Problem, die neue, „schöne“ Katalognase wartet schon, Google spuckt gegen die Langeweile einige „aufregende“ Sprüche aus und Wikipedia kaschiert das Gröbste der intelligenten Unterlegenheit. Böse Zungen würden höhnen: „Je mehr der künstlichen Helfer, desto knauseriger die Natur.“
Und genau diese Knauserigkeit stellt nach Gehlen einen Grund für das Entstehen gesellschaftlicher Institutionen dar. Somit bieten sie dem Homo sapiens Orientierung und Sicherheit und damit Überlegenheit. Doch die Institutionen bröckeln, wie etwa die Ehe. Sie treibt vom sicheren Hafen auf die offene, stürmische See zu – ohne Land in Sicht.
Das A und O nicht-demokratischer Staaten
Diese Orientierungslosigkeit verunsichert viele. Daher kapert man ein Schiff nach dem andern, so lange, bis ein „Rudel“ entsteht. Der Homo sapiens befindet sich voll im „Rudelrausch“. Alles, was im Rudel gemacht werden kann, wird „verrudelt“. Fußballgucken beim „Rudelviewing“, öffentliches Grölen beim „Rudelsingen“ oder Late-Night-Shopping beim „Rudelbummeln“.
Doch vielleicht schwelgt manch einer nur in alten Erinnerungen? Schließlich sind „Rudelveranstaltungen“ und „Rudelorganisationen“ das A und O nicht-demokratischer Staaten. Vom „Rudelappell“ während des Nationalsozialismus bis hin zum sozialistischen „Rudelbuddeln“ im Sinne Erich am Strand mit Familie und Kollegen.
Sogar an der intellektuellen Sammelstelle, der Universität, grassiert das nostalgisch-romantische „Rudelfieber“. Wissenschaftliche Traktate entstehen nicht mehr im stillen Kämmerlein. Stattdessen tippt man sich die Finger beim „Rudelschreiben“ wund – und um die Exzellenz der wissenschaftlichen Kunstwerke weiß man spätestens seit der „Fake Science“-Debatte. Das ist intellektuelle Exzellenz – zumindest aus der universitären Perspektive gesehen. Doch zu universell sollte man „vom Kopf auf die Füße gestellt“ auch nicht nehmen.
Und wer nach einem schweren Arbeitstag an der „Rudeluniversität“ den Kopf frei bekommen möchte, geht mit seinen Freundinnen zur gegenseitigen Huldigung der weiblichen Fruchtbarkeit zum „Rudelbluten“. Doch die „sauberen“ Freundinnen müssen nicht traurig sein, denn auch sie kommen auf ihre Kosten – zumindest an der Universität Bielefeld. Dort trifft man sich zum Ausspannen beim gemeinsamen „Rudelmasturbieren“. Eins, zwei, drei und los.
Was kommt danach? „Rudelvorträge“ mit anschließendem „Rudelkuscheln“? Ein Wort pro Wissenschaftler inklusive „Danceperformance“, um die Attraktivität seiner Darstellung zu steigern und um die Hörer dort abzuholen, wo sie sind (so wie Pädagogen gerne behaupten). Wenn dem so wäre, müsste man die „Rudelvorträge“ überspringen und direkt zum „Rudelkuscheln“ übergehen. Doch der verantwortungsvolle Wissenschaftler weiß: „la science oblige“ und das ist schließlich eine Frage der wissenschaftlichen Ehre.
Wie man sieht, schlägt die „Rudel-Mania“ um sich. Auf der Arbeit, in der Freizeit, einfach überall. Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Fast alles lässt sich „verrudeln“, die Unterlegenheit muss nur groß genug sein.
Ist somit der einsame Wolf, der überlegt, auch dem Rudel überlegen?