Volker Seitz / 04.08.2017 / 06:14 / Foto: Rudolf Simon / 14 / Seite ausdrucken

Ruanda, ein Leuchtturm für Afrika

Anfang April 1994 begann in Ruanda ein Völkermord, der bis Mitte Juli 1994 andauerte. Er kostete circa 800.000 Menschen das Leben. In annähernd 100 Tagen töteten Angehörige der Hutu Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi Minderheit sowie moderate Hutu, die sich am Genozid nicht beteiligten. Während die Vereinten Nationen tatenlos zusahen, marschierte Paul Kagame, ein Tutsi, mit seinen Guerillatruppen aus dem benachbarten Uganda ein – und stürzte das Regime der Hutu-Extremisten. In Ruanda hat sich seither vieles verbessert. Heute gilt Kigali als sicherste Stadt Afrikas.

Wenn man eine Erfolgsgeschichte auf dem Kontinent sucht, kommt man aktuell an Ruanda nicht vorbei. Am 4. August 2017 wurde Paul Kagame (59) nach 2003 und 2010 zum dritten Mal zum Präsidenten von Ruanda gewählt. Er versicherte in einem Interview mit dem Pariser Magazin „Jeune Afrique“ im Mai 2017, dass er sich 2024 zurückziehen wird. („Ce sera sans doute mon dernier mandat.“) In Europa und den USA wird Kagame gerne mit dem Zusatz „umstritten“ bedacht.

Afrikaner, die ich kenne, betrachten ihn als vorbildlichen Modernisierer und Versöhner. Sie bezeichnen ihn in Anlehnung an Singapur als „aufgeklärten Autokraten“. Er ist beim Volk als Garant von Stabilität, bescheidenem Wohlstand und Wirtschaftswachstum beliebt. Bevor eine westliche Demokratie in Ruanda entstehen kann, müssen erst einmal lebenswerte Bedingungen geschaffen werden. Unter der Führung Kagames ist Ruanda eines der wenigen Länder Afrikas, das die vorgegebenen Ziele des Armutsabbaus erreicht hat. Größter Devisenbringer ist der Tourismus, weil die Regierung früh den Wert von Wildtier-Tourismus in den unberührten Wäldern erkannt hat und Reisen zu den Berggorillas geschickt vermarktet. 2016 hat Kigali 18 internationale Konferenzen beherbergt und ist damit nach Kapstadt und Marrakesch ein wichtiges Ziel für Geschäftstourismus. Die neuen Hotels Radisson Blue, Marriott, Park Inn by Radisson und Ubumbwe Grand Hotel haben die Hotelkapazitäten auf 8000 Zimmer erhöht.

Ruanda entspricht ganz und gar nicht dem Klischee des hoffnungslosen Kontinents. Es wurde unter der Führung Kagames zu einem Vorzeigebeispiel für ein Land in Afrika, das vorankommt, ein rarer Lichtblick. Gute Regierungsführung hat sich zum Nutzen der Bevölkerung ausgezahlt. Die Wirtschaft der jungen Nation boomt und die Lebenserwartung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt. Der Anteil der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze lebt, konnte in fünf Jahren um zwölf Prozentpunkte auf 45 Prozent gesenkt werden. Das Jahreseinkommen pro Kopf hat sich auf 2017 auf 723 US Dollar erhöht. (Zum Vergleich die ungleich reichere Demokratische Republik Kongo 489 Dollar.) Das ist der Verdienst der Regierung von Paul Kagame. Immer mehr in den Kriegswirren ausgewanderte Ruander kommen zurück.

Ruanda hat eine Einschulungsrate von nahezu 100 Prozent

Nicht weniger als 41 Prozent der nationalen Ausgaben fließen in Gesundheit und Bildung. Die Führung des Landes hat verstanden, wie stark der Wohlstand und Lebensqualität eines Landes von der Bildung abhängt. Der Zugang zu primärer Schulbildung ist für Jungen und Mädchen gewährleistet. Ruanda hat eine Einschulungsrate von nahezu 100 Prozent. Die Anstrengungen lohnen sich. Das Bildungsniveau ist ein zuverlässiger Gradmesser für die langfristige Wohlstandsentwicklung und Stabilität des Landes. Es spielt eine Vorreiterrolle bei gutem Regierungsmanagement. Es hat eine qualitativ hohe Bildungsinfrastruktur. Ausstattung als auch Qualitätssicherung sind sehr gut und die Bevölkerung profitiert davon.

Paul Kagame sieht in Singapur sein Vorbild. All die Erfolge, die sich Singapur zugutehält – die fehlende Korruption, effiziente Bürokratie und Wirtschaft, Schutz der Umwelt – gehören auch zu den Zielen der Regierung Ruandas. Der Präsident schuf eine Leistungsgesellschaft, eine funktionierende Verwaltung und damit eine höhere Lebensqualität. Er reist immer wieder durch die Provinzen und hört sich die Anliegen der Bewohner an. Jeder Bürgermeister ist dem Präsidenten persönlich verpflichtet, Probleme in seinem Bezirk innerhalb eines Jahres zu lösen. Die Bürger werden über ihre Rechte und Gesetze informiert, welche staatlichen Dienstleistungen ihnen zustehen, und wo sie sie bekommen können. Kigali gilt als die sauberste Stadt Afrikas. Ruanda wird straff regiert, aber seine Führung ist Dank einer verantwortungsvollen Politik, die das Gemeinwohl in den Vordergrund stellt, wichtiger Reformen, kluger Verwendung ausländischen Kapitals und der Entwicklungshilfe ein Ansporn für den Kontinent. Es ist ein autoritäres System, das soziale Reformen in Gang gesetzt und den Lebensstandard der Massen substantiell verbessert hat. Es ist eines der wenigen Länder Afrikas, wo Homosexualität als Privatangelegenheit angesehen wird.

Während fast überall in Afrika Urwälder abgeholzt werden und damit maßgeblich zum Klimawandel beigetragen wird, ist der Anteil der Waldfläche in Ruanda seit 1994 um mehr als ein Drittel gestiegen. Diese umsichtige Politik schützt auch vor Erosion und Überweidung. Plastikabfall wird bereits seit neun Jahren recycelt, beispielsweise zu Müllbeuteln oder Rohmaterial für neue Produkte. Die Straßen der Hauptstadt und das Fernstraßennetz sind in gutem Zustand. In Kigali sind am Abend die Straßen beleuchtet. Die Fahrzeuge werden alle sechs Monate technisch überprüft. Es dürften keine Autos aus Europa eingeführt werden, die älter als sieben Jahre sind. Auf Ruandas Straßen fahren deshalb keine Rostlauben, nirgendwo stehen die in Afrika sonst üblichen Autowracks. Für Motorradfahrer gibt es eine Helmpflicht. Motorradtaxis haben sogar einen zweiten Helm für den Fahrgast dabei. 

Eine flächendeckende Krankenversicherung

Die Regierung von Ruanda nimmt die Familienplanung ernst. Ruanda hat, beispiellos in Afrika, in das Bildungs- und Gesundheitswesen investiert. Es gibt Kranken- und Servicestationen im ganzen Land, die Familienplanung ist in jedes Beratungsgespräch integriert. Die Säuglingssterblichkeit ist seit 1998 um zwei Drittel gesunken; HIV, Tuberkulose und Malaria sogar um 80 Prozent. 90 Prozent der Ruander sind krankenversichert und haben Zugang zu einer einfachen Gesundheitsversorgung, die Geburtenrate ging von sechs Kinder pro Frau auf vier zurück, die Bürger bekommen Ausweise, Geburtsurkunden oder andere wichtige Dokumente inzwischen in ihrer Nähe. Gesundheits- und Bildungseinrichtungen werden überall im Land gebaut, und nicht nur im Dorf eines allmächtigen Ministers, wie das in anderen Staaten üblich ist.

In keinem anderen Land Afrikas gibt es bisher eine flächendeckende Krankenversicherung. Die Ärmsten zahlen überhaupt keine Beiträge. Obwohl Ruanda das mit Abstand am dichtesten besiedelte Land des Kontinents ist, kann es sich heute selbst ernähren. Es galt nach dem Genozid 1994 als das ärmste der Welt, die Kindersterblichkeit war hoch. Das Gesundheitssystem wurde mit einer Strategie für HIV, Tuberkulose und Kindersterblichkeit neu aufgebaut. Vielen Ländern südlich der Sahara ist gemein, dass Kranke kilometerweit bis zum nächsten Arzt oder Krankenhaus gehen müssen. Anders in Ruanda: Medizinisches Personal wurde fortgebildet und Dorfkliniken gebaut. Ein Teil alltäglicher Leiden kann rasch und ohne weite Wege auch in Dörfern behandelt werden. 20 Jahre nach dem Genozid ist die Kindersterblichkeit um zwei Drittel gesunken. Die Zahl der Aids- und Tuberkulose-Toten fällt schneller als sonst irgendwo.

Die Regierung betreibt eine investorenfreundliche Marktpolitik. Im „Doing Business“-Ranking der Weltbank belegt das Land einen Spitzenplatz.  Nach Untersuchungen des Internationalen Währungsfonds wird die Wirtschaft dieses Jahr erneut um fast acht Prozent wachsen. Nach Sektoren aufgeteilt trugen die Landwirtschaft und Dienstleistungen überdurchschnittlich zum Wachstum bei. Es herrscht eine besonders aufgeschlossene Stimmung gegenüber moderner Informationstechnik. Ruandas Trumpfkarten sind die Qualität seiner Dienstleistungen, die Zweisprachigkeit der Stadt-Bevölkerung (englisch/französisch) und das Geschäftsklima. Die ruandische Regierung tut einiges, um die Entwicklung des It-Sektors im Land zu fördern: Mehrere tausend Kilometer Glasfaserkabel wurden verlegt. In der Hauptstadt Kigali gibt es kostenlose, drahtlose Internet-Zugänge. Das Land hat eine gesellschaftliche Entwicklung, stabile Gemeinwesen und große wirtschaftliche Fortschritte vorzuweisen. Ruandas Wirtschaft boomt. Die eigenen Antriebskräfte stehen im Vordergrund. Es wurde, vorwiegend aus eigener Kraft, erreicht, was viele Afrikaner für ihr Land nur zu träumen wagen. Es ist ein Land, das bescheidenen Wohlstand bietet, zu dem auch Sicherheit gehört. Um dies zu erreichen bedurfte es starker und verantwortungsbewusster Institutionen, Standards und Denkweisen. Was dort passiert in den letzten 20 Jahren ist eindrucksvoll. Das Land hat nach dem Völkermord das Beste aus der Situation gemacht. In der Nachkriegszeit mussten Frauen Führungsaufgaben in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen und für den Wiederaufbau sorgen.

Investitionen in die Zukunft

Ruanda investiert verstärkt in Wasserkraft, Geothermik und Methangas-Kraftwerke. Das erste Photovoltaik-Kraftwerk in Ostafrika mit einer Nennleistung von 8,5 Megawatt (MW) wurde von Scatec Solar aus Norwegen gebaut. Es wurde 2015 in Betrieb genommen und hat die installierte Kraftwerkskapazität von Ruanda um 6 Prozent gesteigert. Die ruandische Regierung hat das Ziel, die Kraftwerkskapazität  bis 2017 zu verfünffachen, um die Hälfte der Bevölkerung mit Strom zu versorgen. Außerdem soll die Abhängigkeit von Dieselkraftstoff gemindert werden. Die Berliner Oneshore Energy GmbH und Baywa r.e. haben in Ruanda eine PV-Diesel-Hybrid Pilot-Anlage installiert, die eine der führenden Teefabriken des Landes mit umweltfreundlichem Solarstrom versorgt.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat ein Handy, rund ein Viertel aller Ruander surft im Internet. Eine führende Position strebt Ruanda auch in der Film- und Fernsehbranche an. Derzeit wird in Kigali ein zentralafrikanisches Hollywood aufgebaut.  Die Volkswagen AG hat im Dezember 2016 den Bau einer lokalen Produktionsstätte angekündigt. 

2010 hatte „Rwand Air Express“ noch keine eigenen Flugzeuge und bediente nur Ziele im Inland. 2017 heißt die ruandische Fluggesellschaft „Rwand Air“ und fliegt mit 13 eigenen Flugzeugen (darunter zwei Airbus A 330 und sechs Boeing 737). Berater aus Singapur und Südkorea beraten die Gesellschaft in strategischen Fragen. Die Wartung der Maschinen hat der Partner Ethopien Airlines übernommen. Neben dem afrikanischen Netz werden Bombay und London angeflogen. 2018 sind regelmäßige Verbindungen nach China und den USA geplant.

Man kann sicherlich vieles kritisch sehen, aber Dank Kagames Nulltoleranz-Strategie beim Kampf gegen die Korruption steht Ruanda laut „Transparency International“ inzwischen an viertbester Stelle in Afrika (nur in Botsuana, Kap Verde, Seychellen ist die Korruption noch geringer) und, gemeinsam mit Lettland, auf Platz 49 in der Welt. Dahinter sind Länder wie die Türkei (53), Kroatien (57) und die Tschechische Republik (57) gelistet. Gelder, die anderswo im Korruptionssumpf versickern, gehen in Ruanda tatsächlich in Entwicklungsprojekte.

Nur einige notorisch-besserwisserische Kolumnisten versuchen die Politik des „aufgeklärten Autokraten“ Paul Kagame international herabzuwürdigen und relativieren die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge in Ruanda. Aber die Stabilität kommt allen Nachbarstaaten zugute. Die Regierung von Paul Kagame besteht zu mehr als der Hälfte aus Hutus. Etwa 2 Millionen Menschen leben in der Hauptstadt Kigali. Hutu und Tutsi sind heute wieder Nachbarn. Unter den Überlebenden des Genozids gibt es offenbar keinen Hass und keine Rachegefühle. Verantwortliche wurden bestraft und Opfer erhielten materielle und symbolische Entschädigungen. Die Unterscheidung zwischen den Volksgruppen Hutu und Tutsi, die nie eine ethnische, sondern eine Frage des sozialen Status war, darf öffentlich nicht mehr thematisiert werden.

Es fehlen grundlegende Freiheiten wie Presse- oder Versammlungsfreiheit. Auch gibt es keine offizielle Opposition. Aber das Positive überwiegt doch gewaltig, insbesondere wenn man die Lage in den weitaus reicheren Ländern, etwa in Nigeria, Kenia, Kamerun, Angola, Mosambik, Gabun und in den beiden Kongos betrachtet. In Ruanda gibt es keine Oligarchie, die alle Einkommensquellen des Staates kontrolliert und in die eigene Tasche wirtschaftet. Die Lebensqualität ist gestiegen, Auswanderungswillige sind deshalb rar. Deshalb hält sich die Kritik an der Regierung von Paul Kagame im Land und in Afrika in Grenzen. Afrikaner anderer Staaten die ich kenne, sehnen sie sich nach politischer wie ökonomischer Stabilität und wären bereit, dafür auf einen Teil ihrer Freiheit zu verzichten.

Für viele Afrikaner, so zumindest mein Eindruck, wird der autoritäre Führungsstil durch den wirtschaftlichen Aufschwung legitimiert. Delegationen aus Gabun, Togo, Senegal, Benin und Guinea haben sich in letzter Zeit in Kigali die Klinke in die Hand gegeben, um sich von der glänzenden Bilanz Ruandas in den Bereichen wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Qualität der Regierungsführung und dem Kampf gegen Korruption inspirieren zu lassen. Die Präsidenten nicht nur dieser Länder zeigen ihre Bewunderung für die Erfolge Ruandas. Einstimmig haben seine afrikanischen Kollegen Kagame mit der Reform der Finanzierung der Afrikanischen Union beauftragt. Er beklagt, dass 98 Prozent der Aktivitäten der Organisation von Geldgebern außerhalb Afrikas finanziert werden. Das dürfe nicht so bleiben.

Wichtige Positionen für Frauen

Ruanda hat eine erneuerte Verwaltung als Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung verstanden. Im Unterschied zu anderen afrikanischen Staaten hat die Regierung auch einen Überblick über die tatsächlichen Beschäftigungszahlen im öffentlichen Dienst. Das Land ist zwar arm an Schätzen, aber emsiger Fleiß – insbesondere der Frauen – ist überall. In keinem Land findet man heute mehr Frauen in wichtigen Positionen als in Ruanda. Ruandas Parlament war 2008 die erste Volksvertretung der Welt, in der mehr weibliche als männliche Abgeordnete saßen, bei den letzten Wahlen gewannen die Frauen fast zwei Drittel der Sitze, im Senat sind es vierzig Prozent. Die Ministerien für Auswärtiges, Gesundheit, Familie, Landwirtschaft und Energie sind allesamt in Frauenhand. In Ruanda ist es völlig normal, dass viele hohe Justizbeamte Frauen sind. Hotelmanager, viele kompetente Unternehmer sind Frauen. Nicht nur die „Washington Post“ glaubt, „Women run the Show“, dass Frauen in Ruanda, trotz einiger demokratischer Defizite, für den Aufschwung zu einem der fortschrittlichsten Staatswesen Afrikas verantwortlich sind.

Die Landwirtschaft, in der noch immer etwa 60 Prozent der Ruander beschäftigt sind, wurde reformiert. Das Land wurde parzelliert und mit dem Ziel, die Produktivität zu erhöhen, als Privatbesitz überschrieben. Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau haben Methoden der ökologischen Land- und Forstwirtschaft mitentwickelt. Mit Bäumen und Sträuchern wird auf der landwirtschaftlichen Fläche einer Bodenerosion entgegengewirkt. Gleichzeitig wird so nachhaltig Holz produziert. Mit der Schulung von Agrarberatern, Bauernkooperativen, Schülern und Studierenden auf den Gebieten „Ökologisch angepasste Landwirtschaft, Agroforstwirtschaft und Bodenschutz“ werden die Ergebnisse in die kleinbäuerliche Praxis umgesetzt. Kaffee ist das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt. Über 500.000 Kleinfarmer bauen in Ruanda Kaffee an. Für die Armen wurde 2006 ein Programm aufgelegt, das jeder Familie mindestens eine Kuh als Besitz sichert. Bislang wurden etwa 200.000 Tiere durch das „Girinka-Programm“ verteilt. „Girinka“ heißt in der Landessprache Kinyarwanda so viel wie „Du darfst eine Kuh haben“. Ziel ist es, bis Ende 2017, wenn das Programm ausläuft, 350.000 Tiere zu übergeben. In den vergangenen zwei Jahren ist durch das „Girika-Programm“ die Milchproduktion Ruandas um elf Prozent gestiegen.

Afrika hat derzeit wenige Chancen auf dem Weltmarkt. Deshalb ist es klug, wenn einige Staaten den afrikanischen Binnenmarkt besser entwickeln und eine engere Zusammenarbeit im politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich anstreben. Im Jahre 2000 wurde die zwischenstaatliche Ostafrikanische Gemeinschaft (englisch: East African Community) der ostafrikanischen Länder Kenia, Uganda, Tansania gegründet. Mitte 2007 kamen Ruanda und Burundi hinzu. Sitz des Sekretariats ist Arusha in Tansania. Ziel ist die Bildung eines gemeinsamen Marktes.

Ruanda als treibende Kraft in der Gemeinschaft sucht händeringend qualifizierte Arbeitskräfte. Gesucht werden vor allem Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten und Spezialisten für das Qualitätsmanagement. Bereits 2000 Kenianer arbeiten vor allem im Hotel- und Tourismusmanagement. Die ruandische Entwicklungsgesellschaft hat seit 2010 mehr als 500 Millionen für das Bauwesen, Landwirtschaft und Pharmazeutische Industrie vorfinanziert. 30 Prozent der Mittel kamen von Unternehmern aus Uganda, Kenia, China, USA, Indien und Südkorea.

Keine der anderen wirtschaftlichen Zusammenschlüsse in Afrika kommt so erfolgreich voran. Kernfrage bleibt allerdings, ob die anderen Staaten, die auch nur formale Demokratien sind, die Lebensqualität ihrer Bürger steigern und gleichzeitig die Korruption, die die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum untergräbt, eindämmen können. Eine der größten Chancen Afrikas besteht, den heimischen Binnenmarkt besser zu entwickeln, Regionen wettbewerbsfähiger und attraktiv auch für Investoren aus dem Ausland zu machen. Die Wirtschaftsgemeinschaft in Ostafrika kann mit der Lokomotive Ruanda den Weg zu steigendem Wohlstand in der Region ebnen.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Bernd leber / 04.08.2017

In der Tat: Ruanda ist eine der Erfolgsstories in Afrika, leider viel zu wenig wahrgenommen. Dafür wird der Exil-Opposition, die vor allem aus Anhängern der mörderischen Hutu-Power -Bewegung besteht, erstaunlich viel publizistische Präsenz eingeräumt. Aus diesen Kreisen stammen nicht nur Verläumdungen von Kagame als einem afrikanischen Pol Pot, sondern auch wissenschaftlich daherkommende Schmalen Literatur wie neulich das Buch von Gerd Henkel (immerhin vom renommierten Hamburger Institut für Sozialforschung) zur post-Genozid-Geschichte Ruandas, das -ganz im Sinne der Hutu-Aktivisten von gestern- aus Tätern Opfer machen will. Gerade in Zeiten, in denen die Abwanderung aus Afrika dramatische Ausmaße annimmt, sind Beispiele wie Ruanda umso wichtiger.

Walter Raum / 04.08.2017

Interessant zu lesen, dass offensichtlich e i n afrikanisches Land eine normale Entwicklung nimmt. Schon lange bin ich auf Grund meiner über 30-jährigen Auslandstätigkeit und den dadurch gewonnenen Erfahrungen der Meinung, dass unsere Luxusregierungsform, manche nennen sie auch dekadent, (noch) nicht für alle Länder von Vorteil ist. Tunesien ging es unter dem Autokraten Bourgiba weit besser und König Hassan II hatte Marokko fest im Griff, die Migrantenausreise aus aller Welt wurde jedenfalls massiv behindert. Die Elfenbeiküste war unter dem mächtigen Charismatiker Houphouet Boigny die Schweiz Afrikas. Selbst der Dämon Papa Doc und sein Sohn haben Haiti damals zur Perle der Karibik gemacht. Vom Tod Titos hat sich die Region immer noch nicht erholt. Und die Familie Marcos war im Gegensatz zum Westen in den Philippinen äusserst beliebt. Bleibt noch zu nennen: Libyen, Ägypten, ja sogar Syrien. Und die Erfolge des geschmähten Erdogan sind unbestritten. Auch Putin und China führen ihre Riesenreiche ortsüblich und angemessen. Demokratie in China: Ein Albtraum. Ja, aber die Menschenrechte ! Die Bevölkerung sieht das ein wenig anders. Menschenrechte sind Nahrung, Behausung und persönliche Sicherheit. Pressefreiheit für Analphabeten, Bio für Hungernde, Demonstrationsrechte für Ausgeraubte und Vergewaltigte haben da wenig Zugkraft. Und die sog. Meinungsfreiheit, was ist das denn ??? Wenn gesättigte Schreiberlinge der Menschenrechtsindustrie die Argumente der angeblich Nichtregierungsorganisationen übernehmen, ist das menschenverachtend. Gut, jeder will verdienen, aber doch nicht auf Kosten der Ärmsten. Sie bestreiben doch nur die Geschäfte derer, die als nächste an die Macht wollen. Merke: Die Tröge bleiben die Gleichen, nur die Schweine wechseln.

Markus Sell / 04.08.2017

Das ist sehr schön zu hören. Menschen können, wenn sie Gemeinsinn entwickeln und die reichlich vorhandenen intellektuellen Ressourcen in Aktion setzen, eine Menge erreichen und annährend ein Paradies auf Erden einrichten. Ebenso können sie, wenn Neid, Faulheit, Inkompetenz und ideologische Verbohrtheit um sich greifen, auch ein reiches und fruchtbares Land ruinieren und in eine Hölle auf Erden verwandeln. Ruanda scheint auf einem guten Weg zu sein. Viele andere afrikanische Länder zeigen, was die ersten 3 Faktoren anrichten. Venezuela ist das weltweite Paradebeispiel dafür, wohin ideologische Verbohrtheit führt. Leider ist unser deutsches Vater- (oder Mutter-) Land derzeit auf dem Weg, ebenfalls im Rahmen eines sozialistischen Großexperimentes zugrunde gerichtet zu werden.

Volker Kleinophorst / 04.08.2017

Ein “guter” König ist manchmal besser als eine korrupte Demokratie.

Klaus Grabenhorst / 04.08.2017

Das linke Narrativ sieht den Migrationsdruck aus Afrika als angeblich weltökonomisch gebotene Fatalität. Herr Seitz zeigt mit dem Bericht über das positive Beispiel Ruanda, dass es Chancen für die Afrikaner gibt, in Afrika zu bleiben und im eigenen Land eine ökonomisch fundierte Existenz zu finden. Ich habe mich schon länger gefragt: Was macht eigentlich Paul Kagame?  Danke für die Informationen. Gruß  Klaus Grabenhorst, Leipzig

Daniel Oehler / 04.08.2017

Höchst erfreuliche Nachrichten aus dem Herzen Afrikas. Bleibt zu ergänzen, dass dem Land eine Eisenbahnverbindung zu den Nachbarn Tansania und Uganda fehlt. Aber vielleicht schaffen die Chinesen das ja in den nächsten Jahren. In der deutschen Kolonialzeit hat man mit dem Bau einer Bahn nach Daressalam begonnen. Leider hatten die den Deutschen nach dem 1. Weltkrieg folgenden belgischen Kolonialherren kein Interesse an dem Projekt. Die Straßenverbindungen in die Nachbarländer haben erhebliches Optimierungspotential. Keine Eisenbahn und mangelhafte Straßen bedeutet hohe Transportkosten. Da erscheint Chinas Engagement im Bau von Straßen und Eisenbahnen in Afrika als die optimale Form der Entwicklungshilfe. Die wichtigste internationale Verbindung eines afrikanischen Landes ist heutzutage sowieso eine Flugverbindung nach China. Zu den Spuren des Genozids: Die konnte man vor einigen Jahrzehnten auch in Uganda sehen. Ich spreche von Waisenhäusern, in denen man von einem Meer aus Kinderköpfen umgeben war. Uganda hatte zeitweilig 1/2 Millionen Waisen zu versorgen. Das Land hat sich ebenfalls durch eine wohlmeinende Herrschaft aufgerappelt. Herr Museveni regiert seit 1986. Eine wohlmeinende starke Hand ist vielleicht das beste Mittel, um den alten Hass zwischen Tutsis und Hutis einzuschläfern.

Gabriele Kremmel / 04.08.2017

Danke, Herr Seitz für einen weiteren, hochinteressanten und aufklärenden Artikel über Afrika, der den Blick auf den Kontinent und seine Entwicklungsmöglichkeiten verändert und den Fokus auf die Potentiale anstatt auf die Defizite lenkt, und der gleichzeitig aufzeigt, wo die wahren Defizite unterentwickelter Staaten liegen. Hier, in einer verantwortungsvollen, vorausschauenden und korruptionsfreien Führung, zusammen mit engagierten und fleißigen Menschen können Wohlstand und Sicherheit entstehen und Menschen sich entfalten. Afrikas fleißige Frauen haben daran einen maßgeblichen Anteil, was gut zu der Feststellung passt, dass Systeme mit einem ausgewogenen Frauen- und Männeranteil in der Wirtschaft und im öffentlichen Leben zu mehr Wohlstand und Sicherheit führen. Ob eine solche Entwicklung, respektive die Überwindung von Korruption, Rivalitätskämpfen und Selbstbereicherung, etc. ohne einen autoritären Führungsstil überhaupt möglich gewesen wäre, ist durchaus diskussionswürdig. Interessant auch die Frage, wie hätte sich Ruanda entwickelt, hätten sich die Vereinten Nationen eingemischt und nicht Kagame.

R. Kuth / 04.08.2017

“Es ist ein autoritäres System, das soziale Reformen in Gang gesetzt und den Lebensstandard der Massen substantiell verbessert hat.” Warum nicht, denn wenn das der Mentalität entspricht, der Allgemeinheit nutzt und Erfolg bringt. Da braucht es dann auch kein pampern mehr von Gutmenschen aus Europa und anderswo.

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