Die rot-grünen Koalitionäre in Bremen sind nicht zu beneiden. Sie stehen vor einem fast unlösbaren Dilemma. Und egal wofür oder wogegen sich Rot-Grün entscheiden sollte, eine politische Blamage ist kaum noch zu vermeiden. Denn SPD und Grünen in Bremen müssen sich jetzt entscheiden, ob sie entweder ihre Klima- oder ihre Wirtschaftspolitik der neuen Koalitionsvereinbarung opfern wollen.
In Bremen stehen sich nämlich Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzerhalt auf der einen Seite und grüne Klimahysterie auf der anderen Seite gegenüber. Einer gebeutelten SPD dürfte es schwer fallen, den wirtschaftlichen Niedergang Bremens durch weiteren Arbeitsplatzabbau noch zu verschärfen. Die Grünen hingegen würden sich zur Lauchnummer der Republik machen, sollten sie dem Neubau eines Kohlekraftwerkes zustimmen und sich damit dem Vorwurf aussetzen, eine machtgierige “Klimakiller-Partei” zu sein.
Es wird also spannend sein zu beobachten, wie Rot-Grün aus dieser Zwickmühle herausfinden wird. Schließlich sind die Bremer Kopfschmerzen nur ein kleiner Vorgeschmack auf das gleichviel größere Dilemma, mit dem Deutschland und Europa insgesamt konfrontiert sind: Wie weit geht die Bereitschaft der politischen Eliten, im Namen des Klimaschutzes, die eigene Wirtschaft, Arbeitplätze und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu opfern? Time will tell.
——
Stadtwerker auf Kollisionskurs
BREMEN. Die Emotionen kochen hoch. Die Stadtwerker machten gestern mobil gegen eine mögliche rot-grüne Ablehnung des geplanten Kohlekraftwerks in Mittelsbüren. 1 500 Mitarbeiter des swb-Konzerns zogen zum Parteibüro der Grünen an der Schlachte, wo sich die künftigen Koalitionäre durch die Themen Bildung und Wissenschaft debattierten.
“500 Arbeitsplätze spielen anscheinend keine Rolle in Bremen”, heißt es im Positionspapier des Konzernbetriebsrates. So viele Jobs stehen demnach in der Hansestadt auf der Kippe, wenn das Kohlekraftwerk - im swb-internen Sprachgebrauch: Block 21 - nicht gebaut wird. Ohne ein neues Kraftwerk werde die Stromerzeugung in Bremen “auf Raten sterben”, heißt es. Und weiter: “Block 21 wird dafür sorgen, dass es nach 2020 noch eine swb-Erzeugung gibt.” Die swb wolle doch eine Milliarde Euro in den Kraftwerksbau stecken, fährt Betriebsratssprecher Werner Pranger fort, “welche Landesregierung kann sich erlauben, so etwas abzulehnen?”
Der spontane Demonstrationszug erzeugt Wirkung. SPD-Chef Uwe Beckmeyer spricht zu den Stadtwerkern. Und Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert. Die designierte Finanzsenatorin bekommt den Unmut der Belegschaft mit voller Wucht und voller Polemik inklusive plumper Zwischenrufe (“Geh’ doch nach Russland!”) zu spüren. Die Protestler wollen jetzt den Bürgermeister sehen. Und hören. Schließlich soll sich Jens Böhrnsen (SPD) gegen den Neubau ausgesprochen haben. Der Regierungschef lenkt schnell ein. “Arbeitsplätze sind ein wichtiges Argument”, sagt er. Ökonomie und Ökologie dürften allerdings nicht gegeneinander ausgespielt werden. “Wir wollen, dass die swb eine gute Zukunft hat”, ruft Böhrnsen in die Menge, “und wir wollen einen positiven Beitrag zu Umweltentwicklung und Klimaschutz leisten.” Böhrnsen verspricht schließlich einen Kompromiss, der die Perspektiven der swb und der Stadt berücksichtigt. Und er ergänzt in Richtung swb-Belegschaft: “Ich betrachte es nicht als Störung, sondern als wichtigen Beitrag, dass Sie hierhergekommen sind.” Der Betriebsratssprecher kontert: “Wenn das mit dem Kompromiss nicht klappt, kommen wir wieder.” http://syke.mzv.net/news/stories/bremen/?id=87409