Fängt man einmal an, die Marktwirtschaft durch staatliche Vorgaben zu ersetzen, verstrickt man sich in immer kompliziertere und abstrusere Regelungen der Details. Aktuell zu beobachten im Hause des Ministers für Wirtschaft und Klimaschutz.
Die neueste Kopfgeburt aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nennt sich Strommarktdesign der Zukunft, Optionen für ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Stromsystem. So viel sei vorab verraten: Ein solches System wäre weder sicher noch bezahlbar und nicht einmal nachhaltig. Es ist ein Monster der Planwirtschaft. Strommarktdesign ist Neusprech vom Feinsten – einen Markt kann man nicht konstruieren. Das BMWK tappt hier in die gleiche Falle, in der schon alle sozialistischen Länder gefangen waren: Fängt man einmal an, die Marktwirtschaft durch staatliche Vorgaben zu ersetzen, verstrickt man sich in immer kompliziertere und abstrusere Regelungen der Details. Am Ende steht zwangsläufig der wirtschaftliche Zusammenbruch.
Die Ursünde der Planwirtschaft liegt nun schon einige Jahrzehnte zurück: Man garantierte den steten Absatz von „grünem Strom“ zu weit über dem Marktwert liegenden Preisen. Jede neue Windmühle wurde gefeiert als ein Versprechen auf eine „schöne neue Welt“ ohne Energiekosten – Wind und Sonne schicken keine Rechnung. Das charakteristische Versprechen jeder sozialistischen Sekte über eine paradiesische Zukunft. Man muss nur noch ein paar Jahrzehnte (zusätzliche und eigentlich unnötige) Entbehrungen während des Aufbaues erdulden. Kritiker wurden und werden mundtot gemacht. Laiendarsteller und Schlangenölverkäufer übernehmen das Kommando.
Immer mehr Menschen erkennen den Widerspruch aus der gefeierten Zunahme von „Ökostrom“ und steigenden Strompreisen. Für die grünen Ideologen kein Problem, man muss nur noch etwas Feinsteuerung betreiben. Die letzten Ungläubigen müssen sich halt mit dem Gefühl, die Welt vor dem Hitzetod zu retten, als Trostpreis zufrieden geben.
Die verweigerten Naturgesetze
Wind, Sonne und Niederschläge sind Wetter. Keiner kann zu jedem Zeitpunkt ihre Größe vorhersagen. Mittelungen über große Zeiträume bringen gar nichts. Auch der ideologisch Verbohrteste muss inzwischen die Tatsache anerkennen, dass die Natur ihren eigenen Gesetzen folgt und sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen richtet. Je „grüner“ das Stromnetz wird, um so mehr bewegt es sich nur noch zwischen den Zuständen „Dunkelflaute“ und Überproduktion. Inzwischen findet sogar ein Kannibalismus zwischen Wind und Sonne statt: Wenn die Sonne schön scheint und der Wind weht, drängen die Sonnenkollektoren die Windmühlen aus dem Markt. Das Ergebnis ist eine noch schlechtere Ausnutzung der Windmühlen, was zu noch höheren Kosten führt.
In einem Netz muss die Produktion stets genau dem Verbrauch entsprechen, sonst verschlechtert sich die Qualität des Stroms (Frequenz). Wird nicht sofort die Abweichung ausgeregelt, kann das sogar zum großflächigen Zusammenbruch der Versorgung führen. Bisher haben die geschmähten Fossil- und Kernkraftwerke diese Leistung erbracht (in Neusprech: „Steuerbare Kapazitäten“). Im grünen Staat bleibt nur die Zwangsabschaltung von Erzeugern und Verbrauchern (in Neusprech: „Flexible Lasten“). Beides erzeugt zusätzliche Kosten, die der Bürger tragen muss. Damit der Michel das nicht sofort merkt, dient diese blumige Studie als Nebelmaschine. Da auch die Planwirtschaft nicht bei allen in Deutschland so beliebt ist – leidige Erfahrungen damit sind noch reichlich in Erinnerung – wird dies mit dem Neusprech: „Marktliche Refinanzierung“ kaschiert. Wetten, dass 90 Prozent der Parlamentarier, die den einschlägigen Gesetzen zustimmen werden, gar nicht in der Lage sind zu kapieren, um was es geht?
Neben der Zwangsbewirtschaftung soll es noch eine zweite Wundermedizin geben: Speicher. Strom lässt sich grundsätzlich nicht in erforderlicher Menge speichern. Wenn man diese Energieform speichern will, muss man sie immer erst in eine andere Energieform umwandeln und bei Bedarf anschließend auch wieder zurückverwandeln. Beide Wege sind mit Verlusten behaftet und beliebig teuer (Pumpspeicher, Batterien etc.). Trotz Heilsversprechen ausreichender Speicher wird es diese nie geben. Die Physik lässt sich durch keine Ideologie außer Kraft setzen. Was Habeck verspricht, ist nichts anderes als Voodoo-Zauber.
Die Börsenbegeisterung
Lustig ist die plötzliche Begeisterung der Öko-Sozialisten für die Vorteile von Börsen. Neben der Strombörse soll möglichst noch eine „Kapazitätsbörse“ eingerichtet werden – auf regionalen, nationalen und europäischen Ebenen, versteht sich. Oder weiß man inzwischen selbst, dass das Vorgeschlagene gar nicht funktionieren kann und erschafft sich schon mal vorab den bösen Spekulanten als Schuldigen? Der Sozialismus ist ja nie an sich selbst gescheitert, sondern stets durch dunkle Mächte.
Das wirtschaftliche System besteht aus Erzeugung, Verteilung und Verbraucher. Die bestimmenden Erzeuger sollen nur noch Windmühlen und Photovoltaik sein. Man hat deshalb alles daran gesetzt, deren Ausbau zu fördern. Bisher geschah das sehr komfortabel für Investoren über festgeschriebene Vergütungen (20 Jahre) und garantierte Abnahme. Damit ist aber nun Schluss. Die EU-Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung erlaubt zukünftig solche festen Vergütungen nicht mehr. Es müssen Modelle sein, bei denen nur bei Unterschreitung des Referenzpreises Subventionen gezahlt werden dürfen. Übersteigen die erzielten Preise diesen Referenzpreis, müssen die vorher gezahlten Subventionen wieder zurück bezahlt werden (in Neusprech: „Claw-Back“).
Dieser Referenzpreis (in Neusprech: „markträumender Preis“) soll sich an der Strombörse bilden. Die Erzeuger bieten elektrische Energie für einen bestimmten Zeitraum an. Die Verbraucher melden für diesen Zeitraum ihre Nachfrage an. Die Börse sortiert die Angebote nach aufsteigenden Preisen bis die insgesamt nachgefragte Menge elektrischer Energie erreicht ist. Nun gilt für alle der Preis des Erzeugers, der gerade noch die Gesamtmenge abgedeckt hat (in Neusprech: „Merit-Order“). Eine Börse kann nur funktionieren, wenn der Pflicht zum Kauf auch die Pflicht zur Lieferung gegenübersteht. Ein Stromnetz funktioniert aber nur, wenn in jedem Augenblick Produktion und Verbrauch genau gleich sind. Alle anderen Börsen funktionieren anders: Es wird ein Preis (z.B. durch einen Makler) aufgerufen, und der Handel läuft so lange, bis kein Käufer oder Verkäufer mehr bereit ist, diesen Preis zu zahlen. Dann beginnt die nächste Handelsrunde durch Festsetzung eines neuen Preises. Das ist möglich, weil kein Käufer oder Verkäufer gezwungen ist, zu dem aufgerufenen Preis zu handeln, denn alle anderen Produkte (Aktien, Öl, Kaffee usw.) sind speicherbar. Mit elektrischer Energie funktioniert das nicht. Wenn nur ein einziger Erzeuger zurückziehen würde, bräche das Netz zusammen.
Eine „Strombörse“ ist also gar keine Börse im üblichen Sinne. Wenn Lieferanten ausfallen (Dunkelflaute) oder politisch vom Markt genommen werden (Kernkraft, Kohle), kann es zu extremen Preisen kommen. Bei sonstigen Börsen ist es sogar üblich, bei Preissprüngen zur Normalisierung den Handel eine Zeit lang auszusetzen. Auch die wichtige Funktion der Absicherung durch Termingeschäfte funktioniert an einer Strombörse nur schlecht. Wetter vorhersagen zu wollen, gleicht einem Glücksspiel. Je mehr Wind- und Sonnenstrom, um so mehr unkalkulierbare Preissprünge. Steigen Kohle- und Ölpreise unerwartet (z.B. durch Kriege), wird sofort durch Öffnung der Lager gegengesteuert. Hat man aber keine fossilen Kraftwerke mehr, ist man dem Wetter gnadenlos ausgeliefert – zurück ins Mittelalter.
Flexible Lasten
Auch der letzte Öko akzeptiert inzwischen, dass man das Wetter nicht beeinflussen kann. Dümmliche Aussagen wie „irgendwo weht immer der Wind“ sind langsam ausgelaufen. Ausreichende Speicher sind nicht mehr als ein Heilsversprechen in ferner Zukunft. Also suchen die Schlangenölverkäufer ihr Heil in Zwangsabschaltungen (in Neusprech: „Flexible Lasten“). Riesige Tauchsieder zum Heizen werden landauf, landab gebaut, um die Strompreise bei Überproduktion zu stabilisieren (in Neusprech: „Sektorkopplung“). Man versucht dem Michel zu erzählen, dass die Preise bei Überproduktion und Mangel genug Anreiz bieten, in Speicher zu investieren oder einfach die Produktion einzustellen.
Welch naive Vorstellung von Wirtschaft. Selbst wenn eine Produktionsunterbrechung technisch möglich wäre, zu welchen Kosten? Man hat dann nicht nur „Strom gespart“, sondern auch Kosten durch den Produktionsausfall erzeugt. Hat sich im BMWK schon jemals einer die Frage gestellt, warum viele Fabriken im Zweischicht- oder gar Dreischichtbetrieb arbeiten? Einzig, um die gewaltigen Kapitalkosten auf möglichst hohe Stückzahlen umzulegen. Wer Zwangsabschaltungen befürwortet, löst eine nicht zu stemmende Kostenlawine aus.
Der Strom kommt nicht mehr aus der Steckdose
Es wird vollkommen lebensfremd von der ausgleichenden Wirkung der „Elektromobilität“ schwadroniert. Man soll zukünftig bei Starkwind und Sonnenschein sein Auto aufladen. Nur dumm, wenn man gerade mittags auf der Arbeit ist und dort kein Ladepunkt zur Verfügung gestellt wird. Kommt man nach Feierabend nach Hause, muss das Auto wieder über Nacht aufgeladen werden, damit man am nächsten Morgen wieder zur Arbeit fahren kann. Ganz übergriffig wird es, wenn man mit einem teuren Stromzähler mit Fernüberwachung (in Neusprech: „Smart-Meter“) zwangsweise ausgerüstet worden ist. Egal ob die Strompreise abschreckend hochgesetzt worden sind, man zwangsweise abgeschaltet wurde oder sogar die Batterie zur Netzstabilisierung entladen wurde: Man geht erwartungsvoll in die Garage und steht ganz schön doof da. E-Auto ist nun mal der Weg zu kein Auto.
Grüner Wasserstoff
Der bisher größte Schildbürgerstreich ist die Produktion von Wasserstoff mit Elektrolyseuren unter Verwendung von Wind- und Sonnenstrom (in Neusprech: „Grüner Wasserstoff“). Die Umwandlungsverluste hin und zurück sind so groß, dass man nur rund ein Viertel der elektrischen Energie zurückgewinnen kann. Oder anders herum, man muss die vierfache Anlagenleistung installieren, um eine tagelange Dunkelflaute zu überbrücken. Selbst wenn das technisch funktionieren sollte, würde es unvorstellbare Investitionen erfordern, denn die Elektrolyseure hätten die gleiche miese Auslastung wie Windräder und Photovoltaik. Oder will man – analog zum E-Auto – sie mit Kohlestrom betreiben? Was soll das für Strompreise in der Dunkelflaute ergeben?
Die Fußangeln des großen Plans
In der guten alten Zeit hat man Kraftwerke in der Nähe der Verbrauchsschwerpunkte gebaut und betrieben. So konnte man die Kosten für die Netze klein halten. Unsere „Ökos“ in ihrer unendlichen Weisheit verwandeln die Nord- und Ostsee in einen gigantischen Industriepark. Da dort überhaupt kein Strom gebraucht wird, soll er mittels teuerer Hochspannungs- und Gleichstromleitungen in den Süden transportiert werden. Nun ergibt sich das absehbare Problem, man legt diese Leitungen auf die Höchstlast bei Starkwind aus und hat die gleiche miese Auslastung wie die Windmühlen oder baut sie kleiner um Investitionen zu sparen und eine wirtschaftlichere Auslastung zu erzielen. Das ergibt einen Flaschenhals, vor dem man die Produktion abdrosseln und gleichzeitig dahinter fossile Kraftwerke als Ersatz in Betrieb nehmen muss (in Neusprech: „Redispatch“, bereits 30.404 GWh in 2022 für etwa 3 Milliarden €), damit die Stromleitungen nicht wegen Überlastung kaputt gehen.
Nun steuert man mit der Photovoltaik in die nächste Kostenfalle: „Balkonkraftwerke“ speisen direkt in das Niederspannungsnetz ein. Solange es nur wenige sind, geht die Sache einigermaßen gut. Wo das tatsächliche Investitionsproblem liegt, zeigt das Verhältnis von Übertragungsnetz (Transport über lange Strecken) mit 37.000 km und Niederspannungsnetz (Einsammeln der Photovoltaik etc. bzw. Liefern an die Wärmepumpen und e-Mobile etc.) mit 1,2 Millionen km. Das Niederspannungsnetz liegt überwiegend unter Straßen. Bezogen auf ein kW Leistung macht das den Ausbau um Größenordnungen teurer. Kurz über lang muss jedes „Balkonkraftwerk“, jede Wärmepumpe und jede Ladestation fernüberwacht werden und für eine Zwangsabschaltung nachgerüstet werden. Zwangsabschaltung deswegen, weil z.B. günstige Preise erst recht zum Verbrauch anregen. Der „Smart Meter“ nützt bei Flaschenhälsen (im Gebäude bis zur Fernleitung) rein gar nichts. Die nächsten Kostensteigerungen für den Endverbraucher sind vorprogrammiert.
Sie dürfen raten, wie die technischen Probleme gelöst werden sollen: durch die Einführung zusätzlicher Netzentgelte, welche Investitionsanreize schaffen sollen. Es werden durch die Planungsbehörde ideologische Kosten erzeugt, von denen sich der Verbraucher durch seine Ausgaben für Investitionen einen Teil rückvergüten kann. Die erzeugten Fehlanreize (in Neusprech: „Gaming“, „Increase-Decrease“) werden durch Kontrolle und Strafen bekämpft. Tut mir leid, aber irgendwie erinnert das an die (ideologisch) festgesetzten Brotpreise in der „DDR“, die zu einem explosiven Anstieg der Kleintierhaltung geführt haben.
Was soll der ganze Neusprech?
Das eigentlich Schlimme an diesem Papier ist das fürchterliche, demokratiegefährdende Geschwurbel. Das Lesen ist insbesondere für Fachleute eine Zumutung. Der Stil legt den Verdacht nahe, dass hier Soziologen und Politologen ihrer Feder freien Lauf gelassen haben. Was soll der ganze Neusprech? Dient er dazu, dass die Abgeordneten bei der Abstimmung ehrfurchtsvoll den Finger heben sollen? Für einen normalen Parlamentarier, ohne Studium der Elektro- oder Energietechnik, ist das so verständlich wie Chinesisch. Wenn man aber etwas nicht verstehen kann, liefert man sich voll den Anweisungen der Fraktionsvorsitzenden aus. Das ist „durchregieren“, wie wir es schon beim „Heizungshammer“ hatten – nur die volkswirtschaftlichen Konsequenzen werden hier noch schädlicher sein.
Dr. Klaus-Dieter Humpich studierte Maschinenbau und Energie- und Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Kerntechnik, bevor er zehn Jahre am Institut für Kerntechnik in der Technischen Universität Berlin arbeitete. Seit 20 Jahren ist er freiberuflich im Bereich Energietechnik tätig. Dieser Beitrag erschien auch auf seinem Blog Nachrichten aus der Kerntechnik