Wolfram Weimer / 10.01.2019 / 12:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 51 / Seite ausdrucken

Robert Habeck: Ein Grüner wird zum roten Tuch

Er war der politische Aufsteiger des Jahres 2018. Robert Habeck führte die Grünen zu spektakulären Wahlerfolgen und in ungeahnte Umfragehöhen, mit ihm schien eine neue, grüne Volkspartei geboren. Nachdenklich, bürgerlich, zuversichtlich, nicht mehr so links und verbieterisch – die Grünen hatten mit Habeck plötzlich einen ganz neuen Sound gefunden. Sein spezieller Persönlichkeitsmix aus Robert Redford, Heinrich Böll und dem Sandmännchen faszinierte das deutsche Feuilleton. Und schon wähnte man Habeck als Kanzleroption für 2021, als den Mann, der die SPD wie ein knisternder Kamin des Rhetorischen zu schierer Asche niederschwadronieren kann.

Im neuen Jahr allerdings erlebt Habeck einen jähen Absturz. Erst bröckeln die bundesweiten Umfragen, und alle Prognosen sagen für die ostdeutschen Landtagswahlen 2019 nur hintere Plätze voraus. Dann wird Habeck vom großen Hackerangriff getroffen. Persönliche Chats mit Frau und Kindern, Bankverbindungen und Honorarabrechnungen für ein Buchprojekt werden veröffentlicht.

Und nun verursacht er mit einem verunglückten Wahlkampf-Video einen kommunikativen Super-Gau. „Wir versuchen alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird”, verspricht er in dem Werbespot, als sei Thüringen Nordkorea, Iran oder Venezuela. Der fatale Eindruck entsteht, ein arroganter Grünen-Chef spreche Thüringen ab, dass es dort bislang demokratisch zugehe. Ein Proteststurm bricht los, von links bis rechts empören sich tausende Thüringer, viral verstärkt wächst sich der Shitstorm zum nationalen Polit-Desaster aus – zumal die Grünen in Thüringen sogar mitregieren.

Der grüne Landesverband löscht unter dem öffentlichen Druck schließlich das Video. Viele hätten Habeck falsch verstanden, deswegen sei es aus dem Netz genommen worden, so die Begründung. Die Kritik reißt dennoch nicht ab. Der Spiegel kommentiert: „Es gibt an diesem Video nichts, was falsch verstanden werden könnte. Genau dies nicht zuzugeben, sich also nicht zu entschuldigen, das war der zweite Fehler.”

Nie mehr im Leben Aufzug!

Habecks Fehltritt ist umso verblüffender, weil er schon einmal einem ganzen Bundesland unterstellt hat, nicht den Ansprüchen des Grundgesetzes zu genügen. Im bayerischen Wahlkampf verkündete er per Video: „Endlich, endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern. Eine Alleinherrschaft wird beendet”. Nun reagiert er auf die Kritik mit Selbstvorwürfen. „Wie dumm muss man sein, einen Fehler zweimal zu begehen? Diese Frage hat mich die ganze letzte Nacht nicht losgelassen”, schreibt er offenherzig auf seiner Website.

Anstatt den Fehler, der so gewaltig nun auch wieder nicht gewesen ist, als solchen zu akzeptieren und sich zu entschuldigen, macht Habeck lieber das ganz dicke Fass auf, sucht einen möglichst großen Sündenbock, um seinen Fehler zu verkleinern, und findet ihn in sozialen Medien. Mit theatralischer Geste zieht er sich radikal von Twitter und Facebook zurück und schreibt wie in einer Opferklage. „Twitter ist wie kein anderes digitales Medium so aggressiv und in keinem anderen Medium gibt es so viel Hass, Böswilligkeit und Hetze. Offenbar triggert Twitter in mir etwas an: aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter zu sein.”

Was als ehrliche Schadensbegrenzung wirken soll, macht die Fehlerkette von Habeck nur länger – inklusive eitler Selbstgeißelung. Aus einem peinlichen Fehler wird nun eine charakterliche Offenbarung. Twitter zum Sündenbock für seinen Fehler zu erklären, wirkt selbstgefällig. Der Bayerische Rundfunk kommentiert das so: „Wenn Sie in den dritten Stock wollen, im Aufzug aber aus Versehen die Taste mit der fünf drücken – ist dann der Aufzug schuld? Entscheiden Sie dann: nie mehr im Leben Aufzug!? Eben. Genau so macht es jetzt aber Robert Habeck.”

Grotesk soziologisch, lebensfern und falsch

Die „Zeit” urteilt ebenso negativ: „Habeck lenkt damit von seinem eigentlichen Fehler ab, dem Video, und verweist auf ein anderes Thema. […] Ein Totalverzicht, noch dazu in dieser Geschwindigkeit, wirkt dagegen wie ein weiterer Schnellschuss eines mitunter etwas zu spontanen Politikers. Weder sich selbst noch der demokratischen Kultur in Deutschland erweist Habeck damit einen Dienst.”

Das Tragische an Habecks Fehltritt liegt darin, dass er ihm just im Feld seiner größten Kompetenz passiert – der sprachlichen Intelligenz. Er ist einer der besten Redner der Berliner Republik, hat eine eigene, reflektierte Sprache des Politischen entfaltet und ein kluges Buch über Sprache und Politik geschrieben. Zugleich ist es aber auch kein Zufall, denn Habeck neigt dazu, seine intellektuelle Kraft zum Selbstzweck werden zu lassen.

In seinem Buch „Wer wir sein können” gibt es eine Passage über die Kulturgeschichte der Liebe, bildungsgetränkt und nachdenklich, aber am Ende so verkopft und rigoros, dass man Sätze liest wie: „Liebe ist eine sprachliche Erfindung, die eine gesellschaftliche Wirklichkeit geschaffen hat.” Das ist natürlich genauso grotesk soziologisch, lebensfern und falsch wie die Forderung, Thüringen möge jetzt mal eine Demokratie werden. Aber es passiert Intellektuellen zuweilen, wenn sie sich im Elfenbeinturm zu weit nach oben verstiegen haben. Nach solchen gedruckten Sätzen könnte er nun auch die Konsequenz ziehen, keine Bücher mehr zu schreiben oder keine mehr zu lesen.

Habecks Fehlerkette ist für die Grünen vor allem deswegen gefährlich, weil sie den Eindruck selbstgefälliger Besserwisserei vertieft. Gerade in Ostdeutschland werden die Grünen häufig als Rigoristen und arrogante Wohlstandsbevormunder aus dem Westen wahrgenommen, die vom hohen Ross der Moralität anderen vorschreiben wollen, wie man zu leben hat. Das Video und mehr noch die selbstgefällige „Bye bye Twitter und Facebook”-Reaktion droht den Grünen bei den diesjährigen Landtagswahlen im Osten zu schaden. „Habeck ist zum fliegenden Robert geworden. Sein eigener Höhenflug hat ihn abheben lassen”, klagt ein Führungsmitglied der Grünen. Er muss es nicht einmal triggern oder twittern, denn viele denken das jetzt ohnedies.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Dr. Gerhard Giesemann / 10.01.2019

Hoffe, dass uns der Habeck Robert bald den Schulz Martin macht. Hab diesen Filosooohfen einfach dick so langsam, da ist mir der mit der Frage “wer bin ich und wenn ja wie viele” schon lieber. Wie unsicher Habeck ist, konnte man sehr gut sehen bei seinem Interview in der letzten 2018-Sendung der “heute Show” - obwohl ihn Welke so was mit Samthandschuhen angefasst hat. Schaumschläger, sonst nichts. Annalena ist wenigstens hübscher, wenngleich sicher schlichter gestrickt. Bei Habeck gilt: Intelligenz schützt vor Dummheit/en nicht - jedenfalls nicht zuverlässig. Wer so was wählt, dem ist kaum noch zu helfen.

Albert Sommer / 10.01.2019

Zitat: “Gerade in Ostdeutschland werden die Grünen häufig als Rigoristen und arrogante Wohlstandsbevormunder aus dem Westen wahrgenommen, die vom hohen Ross der Moralität anderen vorschreiben wollen, wie man zu leben hat.” Ja sorry -aber nichts als genau das sind die Grünen ja auch. Eine postmoderner Karikatur-Mix aus Pharisäern und Jakobinern. Aber Habeck besitzt Talent. Wie kein Zweiter, macht er deutlich, das er durchaus im Stande ist, selbst die dümmsten Aussagen seiner in dieser Kategorie bis dato führenden Parteikollegin Renate Künast, gnadenlos zu toppen.  Aber eigentlich glaube ich das er in diesem Fall lediglich intuitiv die Wahrheit gesagt hat. Wie jeder wissen sollte,  wird Thüringen derzeit komunis…pardon RotRotGRÜN regiert. Wenn Habeck nun ankündigt, alles dafür zu tun, das Thüringen endlich wieder demokratisch wird, dann bekräftigt er damit lediglich die wohlfeile Absicht der Grün*Innen, bei der kommenden Wahl in Thüringen endlich wieder an der 5% Hürde zu scheitern. Liebe Thüringer, enttäuscht den guten Habeck nicht, zeigt Ihm wie gut Demokratie ohne Grüne funktioniert.

Th.F. Brommelcamp / 10.01.2019

Infantiles Gedankengut sind eine Grüne Varaussetzung. Außerdem schreibt er Kinderbücher. Da kann man nicht viel mehr erwarten.

Klaus Klinner / 10.01.2019

Habeck hat es bis zu seinem finalen Abhub recht geschickt gemacht. Neben sich hat er nur rhetorisch und intellektuell eher schwache (Claudia Roth oder KGE) oder etwas seltsam anmutende Frauen (Baerbock oder Ska Keller) geduldet, gesetzte Leute wie Cem Özdemir sind aus dem Blickfeld geraten. Und unter Eunuchen ist eben selbst der Eineiige König. Sein Fehler besteht wohl darin, dass er das Bild vom übergroßen Habeck selbst glaubt. Und so fällt man halt auf die berühmte Schnauze. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dabei schon einmal so viel Schadenfreude empfunden hätte.

Gottfried Meier / 10.01.2019

Was hat Frau Merkel den Menschen in den letzten Jahren für einen Sch…. erzählt und trotzdem ist sie die beliebteste Politikerin. Ich habe daher keine Sorge, dass Habeck sich und den Grünen mit seinem überüblichen Gequatsche groß schaden wird.

Dietmar Blum / 10.01.2019

“... denn Habeck neigt dazu, seine intellektuelle Kraft zum Selbstzweck werden zu lassen.” Es gibt Intellektuelle und solche, die sich dafür halten.

Karla Kuhn / 10.01.2019

Herr Decke,  ” GENIAL “Immerhin, selten hat eine Partei in jüngster Zeit mit ihrer Frische, Zugluft in die Denke des Establishments geblasen. Dem Führungsduo Habeck und der geistreichen und Annalena Baerbock sei gedankt!  “Mit ihrer Frische und die geistreichen Annalena Baerbock” Das finde ich so grandios, daß ich vor lachen fast unter dem Tisch liege.

Susanne v. Belino / 10.01.2019

Robert Redford? Na wirklich nicht, Herr Weimer. Wie kommen Sie bloß darauf? Das einzige, was Habeck mit Redford verbindet ist die Gleichheit des Vornamens, mehr nicht. Vielmehr könnte man den “echt coolen” Habeck als den ebenfalls “echt coolen” Till Schweiger der Politik bezeichnen - erst quatschen, dann denken. Habeck wirkt ziemlich selbstverliebt und pflegt recht hingebungsvoll sein Ego. - Man hat den Eindruck, dass unsere Gesellschaft geradezu nach Leuten lechzt, die sie mit Inbrunst hypen kann. Dies eigenartige Muster wiederholt sich in jüngster Zeit allzu offensichtlich. Ein “neuer Mann” wird zum Polit-Star gekürt, dann für eine Weile fanatisch gehypt, um letztlich abrupt in Ungnade zu fallen und gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden. Das ist wohl typisch für unsere Zeit - oder war dies früher auch schon so?

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