Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / Foto: Olaf Kosinsky / 183 / Seite ausdrucken

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der Vorsprung vor der SPD, selbst die schwächelnde Union kam in Schlagdistanz. Ein cooler Robert Habeck schien gefühlt schon auf dem Weg ins Kanzleramt.

Nun, nur sechs Wochen später, brechen die Grünen in den Umfragen dramatisch ein. Das RTL/n-tv-Trendbarometer misst heute gerade noch 15 Prozent. Das heißt: Die Grünen haben in wenigen Wochen mehr als ein Drittel ihrer Wählerschaft verloren. Die Union liegt jetzt so weit voraus, wie die Grünen auf ihren Höhepunkt stark waren – 24 Prozentpunkte. Seit der Kampagnen-Entgleisung von Martin Schulz hat es einen vergleichbaren Absturz in den Zustimmungswerten nicht mehr gegeben.

Der Einbruch ist so gewaltig, dass er kaum vorbeigehen wird wie ein Gewitter. Es dürfte sich vielmehr um einen politischen Klimawechsel in Deutschland handeln. Die Grünen verlieren ihre strategische Position im Machtgefüge der Republik: Die SPD überholt sie in den Umfragen wieder und holt sich den Nimbus als Volkspartei der linken Mitte zurück. Die diesjährigen SPD-Wahlsiege in Hamburg und München haben den Höhenflug der Grünen schon vor Ausbruch der Corona-Krise offenbar werden lassen.

Zudem sind den Grünen Deutungsmacht und Definitionshoheit abhandengekommen. Grüne Themen sind derzeit kaum mehr gefragt. Schlimmer noch – sie werden wahrscheinlich lange nicht mehr richtig in Mode kommen. Nach der akuten epidemischen Notlage wird sich Deutschland viele Monate mit den wirtschaftlichen Folgen befassen müssen. Bei beiden Themen sind die Grünen keine Kompetenzführer. Zudem gilt: Eine Gesellschaft, die die unmittelbare Pandemie-Katastrophe durchlebt, wird sich der mittelbaren Klimakatastrophe nicht mehr mit gleicher Inbrunst zuwenden wollen.

Für Habeck wird die Krise zur persönlichen Niederlage

Die Schwäche der Grünen trifft auch das Ansehen von Robert Habeck. In den Politiker-Beliebtheitsrankings wird er in diesen Wochen durchgereicht. Von Armin Laschet bis Olaf Scholz, von Jens Spahn bis Markus Söder – sie alle überholen ihn. Für Habeck wird die Krise zur persönlichen Niederlage. Nicht nur seine Siegeraura nimmt Schaden. Vor allem die Krisentauglichkeit wird derzeit geprüft – und leidet. Große Krisenlagen sind für Politiker Definitionsmomente ihrer Karrieren. Das kann – wie 1962 im Fall von Helmut Schmidt bei der Hamburger Sturmflut oder 2002 bei der Sommerflut mit Gerhard Schröder – eine Karriere positiv prägen. Bei Markus Söder deutet sich Ähnliches derzeit an.

Wenn ein Politiker aber im entscheidenden Moment als schwach wahrgenommen wird, kann er sich von diesem Makel fortan nur schwer befreien. Das droht nun Robert Habeck. Er findet im Verlauf der Corona-Krise weder eine richtige Rolle noch eine Strategie. Mal lobt er die Bundesregierung wie ein Ministrant, dann kritisiert er sie wegen Kleinigkeiten wie ein Nörgler. Einen eigenen programmatischen Punkt – wie etwa die schwedischen Grünen, die eine ganz eigene, liberale Linie der Corona-Bekämpfung zur Verblüffung der Welt etablieren – wagt er nicht.

Habeck lässt sich “Die Pest” von Camus lesend fotografieren, während andere die Pest unserer Tage aktiv bekämpfen. Er postet auf Instagram ein Foto, wie er sich selbst die Haare schneidet, während Olaf Scholz einen Billionen-Rettungsschirm über der Republik aufspannt. Er wirkt inmitten der Krisengewitter wie ein Schönwetterkapitän, der zur Lösung der Probleme nichts beizutragen hat.

Für Habeck geht es dieser Tage um einiges – um die kollektive Prüfung seiner Bundestauglichkeit. Er war in den vergangenen Monaten in vielen Medien schon als denkbare Kanzlerfigur der Zukunft stilisiert worden, jetzt gilt es, dieser Erwartung gerecht zu werden. Doch das tut in Wahrheit sein größter Konkurrent: Olaf Scholz gewinnt in der Krise enorm an Statur. So wie Armin Laschet und Markus Söder um die künftige Führung des bürgerlichen Lagers ringen, so tun dies – unbemerkt, aber nicht minder breitbeinig – auch Habeck und Scholz für das linke Lager.

Dabei hat Scholz als Vizekanzler und Finanzminister allerlei Handlungsinstrumente in Hand, er verkörpert die Exekutive und jede Krise ist die Stunde der Exekutive. Anders als Habeck findet Scholz einen stimmigen Krisentonfall der seriösen Verantwortung. Was ihm lange als politischer Nachteil angekreidet wurde, die spröde Sachlichkeit, wird nun zu seinem Trumpf. Genau andersherum verhält es sich bei Habeck. Seine blumige Intellektuellensprache wirkt momentan entrückt und passt nicht mehr in den Krisenmodus der Republik.

Offen gegen deutsches Interesse

Habeck hat lange gebraucht, bis er in der Krise endlich ein Thema gefunden hat, das ihn vom Handeln der Bundesregierung unterscheidet. Ausgesucht hat er sich nun ausgerechnet die Coronabonds. Deutschland müsse diesen endlich zustimmen: “Gemeinsame Anleihen wären ein demokratischerer und transparenterer Weg für mehr Stabilität in Europa”, tönt Habeck plötzlich im staatsmännischen Tonfall, um gleich noch eine Attacke nachzuschieben: “Ich verstehe da Herrn Scholz und Frau Merkel wirklich nicht.”

Tatsächlich widersetzt sich die Bundesregierung tapfer den Forderungen aus Italien nach einer Vergemeinschaftung der Schulden. Sie tut dies mit guten Argumenten, denn Eurobonds sind schon seit Jahren ein machtpolitisches Ziel der Südstaaten, um Deutschland in die Haftung der eigenen Schulden zu zwingen. Dies aber widerspricht der No-Bail-Out-Klausel der geltenden EU-Verträge. Coronabonds würden also viele Monate und ein langwieriges Ratifizerungverfahren dauern, ehe sie Realität werden könnten. Sie können also in der Krise kaum helfen.

Es geht Rom daher nicht um eine Nothilfe, sondern um eine Verschiebung der Euro-Verfassung zu Deutschlands Nachteil. Coronabonds würden gegen die Grundabmachung des Euro-Systems verstoßen, die insbesondere der deutschen Bevölkerung bei Aufgabe der D-Mark einst versprochen wurde. Damit stellt sich Habeck offen gegen deutsches Interesse. Aber eben auch gegen Olaf Scholz.

Diese Positionierung dürfte Habecks Probleme eher vertiefen als lösen. Denn fast zwei Drittel der Deutschen lehnt Coronabonds einer Insa-Umfrage zufolge ab. Scholz kann nun diese Mehrheit vertreten und sich als Verteidiger von Recht und deutschen Ersparnissen in der Krise perfekt in Szene setzen. Punktsieg für Scholz im Zweikampf um die Führung der linken Mitte in Deutschland.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Leserpost

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Gereon Stupp / 23.04.2020

Ich verstehe den Wähler nicht. Und wenn ich unterstelle, daß die Politik diesen Wähler versteht, wird mir klar, warum ich die Politik dieses Landes nicht verstehe. Geht mir das alleine so? Bin ich bekloppt oder die Anderen? Hilfeee ...

Steffen Rascher / 23.04.2020

In guten Zeiten kann man alles Mögliche verschenken, wenn man sonst keine Ideen mehr hat. Die guten Zeiten sind nun vorbei und wo sind jetzt eure Ideen ihr Grün*Innen? Welches Hänsel, welches Gretel holt ihr als Nächstes aus dem Hut? Ich bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung von “Infantile Angebote”!

Wilfried Cremer / 23.04.2020

Die grüne Angsteinflößerei ist ausgestochen worden. Habeck wirkt tatsächlich deplatziert. Als wenn bei einem Staatsakt plötzlich „My boy Lollipop“ ertönte.

Rolf Urli / 23.04.2020

Gute Analyse, wobei das Thema EURO-Bonds mit dem Anleihenkäufen der EZB, ESM u.ä. durch die Hintertür kommt bzw. schon da ist. Die Messe ist gesungen.

Claire Müller / 23.04.2020

Es ist halt jetzt alles eingetreten, für was die Grünen stehen. Shutdown, Verbote und Verzicht. Und die Leute sehen, es macht keinen Spaß, es kostet und es ändert nichts. Warum sollte einen das Klima in 50 Jahren interessieren, wenn wegen einer Grippe bereits komplette Existenzen zerstört werden? Dazu kommen zb solche Sachen wie die horrenden Strompreise, unter denen man jetzt noch mehr leidet, weil man ~8h länger zu Hause rumsitzt. Die Grünen haben profitiert, weil immer mehr verblödete Unionswähler gemeint haben die Grünen wäre eine Alternative. Man kann nur hoffen, dass die es jetzt langsam peilen. Die Kernwählerschaft erreicht man sowieso nicht. Sobald man wieder fliegen darf, wird es einen regelrechten Boom geben. Sollte dann einer der grünen Vögel ankommen und was von “Flugscham” labern, geht die Reise weiter nach unten. Denn eins ist gewiss, nach der Krise heißt es “jetzt erst recht”. Das ist die Natur des Menschen. Wird Zeit, die widernatürliche Partei Die Grünen entsprechend zu behandeln.

Severin Schönfelder / 23.04.2020

“Wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt badet!” Warren Buffet.

Andreas Berlin / 23.04.2020

Man verzeih mir meine Kleingeistigkeit, aber eine gewisse Genugtuung kann ich nicht unterdrücken. Sicherlich liegt die Ursache in der seit Monaten anhaltenden Fassungslosigkeit, wie eine konzeptionslose Gruppe ohne einen Bezug zur Wirklichkeit und zum deutschen Bürger eine solche Bedeutung erlangen konnte. Und - wie hier in Berlin mit Regierungsmacht ausgestattet - bereits erheblichen Schaden angerichtet hat. Ein Beispiel: Am Dienstag sagte die Grüne Wirtschaftssenatorin Popp auf der Pressekonferenz zur Einführung der erweiterten Ladenöffnungen, dass die Menschen bitte nur das Notwendigste einkaufen sollen. O-Ton Popp: Die fünfte oder sechste Handtasche müsse es jetzt doch wohl wirklich nicht sein! Abgesehen davon, dass da die WIRTSCHAFTS-Senatorin gesprochen hat, die das Ankurbeln ihres Verantwortungsbereiches auch durch verstärkten Konsum mit Beifall begleiten müsste, kommt hier die arrogante Verachtung gegenüber dem Bürger zum Ausdruck, der am besten nur gegängelt und reglementiert werden soll. Diese Einstellung scheint sich jetzt zu rächen. In einer Krise sind Macher gefragt, Ärmel-Aufkrempler, was auch aus einer konstruktiven Opposition heraus möglich wäre. Aber das sind die Grünen nicht, die einst auf einer zeitgemäßen und notwendigen Welle hochgeschwemmt wurden, aber jetzt nur als Schwätzer ohne Charisma oder, wie Habeck, als intellektuelle Träumer auf den Lorbeeren der einst tatsächlich Engagierten vor sich hin leben, ganz ohne Antrieb und Kampfgeist. Womit ich nicht sagen möchte, dass die Kanzlerin einen besonders herzlichen Bezug zu uns Bürgern hat, sie ist (inzwischen) ebenso weit entfernt von der Wirklichkeit und unserem Denken und Fühlen, wie die Grünen. Aber sie hat im Gegensatz zu denen einen wirklichen Antrieb: den Machterhalt. Ob ihr Weg richtig ist, zweifle ich an, aber sie setzt sich zumindest aktiv und massiv ein, was ihr Anerkennung und in den Umfragen Erfolg bringt. Und den Grünen nicht - BÄTSCHI.

Sabine Weinberger / 23.04.2020

Nun, da hat wohl Hysterie eine andere Hysterie geschlagen. ‘Klima’ ist eben seit ‘Corona’ tot. Das zeigt, wie kurzlebig mittlerweile angeblich zentrale Themen sind, und wie wichtig tatsächlich sie in der Öffentlichkeit erscheinen. Man räumt dem ‘Klima’ ja inzwischen nicht einmal mehr eine Parallelität zum Thema Corona ein. Vor ca 4 - 5 Wochen drohte uns unmittelbar der ‘Klimatod’, inzwischen der Coronatod. Irgendein Weltuntergangs-Szenario brauchen zumindest die Deutschen. Die schnelle Auswechselbarkeit der Themen trägt allerdings nicht zur Überzeugung bei.

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