Der Film „Schwachkopf-Affäre“ zeichnet ein liebevolles Porträt über die Familie hinter dem Skandal. Ohne Anklage und erhobenen Zeigefinger werden umso wirkungsvoller Recht und Unrecht dargestellt.
Im vergangenen Herbst schockierte der sogenannte „Schwachkopf“-Skandal die Republik: Der 64-jährige fränkische Rentner Stefan Niehoff kassierte eine Hausdurchsuchung und den Einzug seines Tablets, weil er im Juni 2024 eine Karikatur, die den damaligen Wirtschaftsminister aufs Korn nahm, auf X retweetet hatte: Ein Foto Robert Habecks und darunter das bekannte Logo der Firma „Schwarzkopf Professional“, umgewandelt in „Schwachkopf Professional“, waren auf dem Meme zu sehen. Habeck erstattete Strafantrag. Der Vorwurf des Durchsuchungsbeschlusses: Volksverhetzung. Ein riesiges Medien-Echo machte den Fall zum Skandal, der Robert Habeck im gerade begonnen Wahlkampf schlecht zu Gesicht stand: Denn der sympathische Stefan Niehoff lebt mit seiner Frau und der erwachsenen Tochter mit Down-Syndrom zusammen, für die der Polizeibesuch im Morgengrauen einen besonderen Schock bedeutete.
Wenige Tage nach der Hausdurchsuchung hieß es in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bamberg, dass wegen weiterer Postings „weiterhin der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung“ gegen Niehoff bestünde. Beim Habeck-Meme handele es sich um eine „gegen eine Person des politischen Lebens gerichtete Beleidigung gemäß §§ 185, 188 Abs. 1, 194 Strafgesetzbuch“. Mitte April wurde dann bekannt, dass Niehoff zwar nicht wegen des „Schwachkopf“-Memes strafrechtlich belangt werden würde, aber dafür wegen mehrerer Beiträge mit verfassungswidrigen Symbolen und Volksverhetzung eine Geldstrafe zahlen müsse. Gegen diesen Strafbefehl legte Niehoff Einspruch ein, sodass der Fall vor Gericht verhandelt werden wird (Achgut berichtete).
Gestern feierte der Film „Schwachkopf-Affäre“ von Alexander Tuschinski Premiere, der einen völlig anderen, persönlicheren Blick auf diesen medial viel bespielten Skandal wirft. Dem unabhängigen Filmemacher ist mit dieser Produktion ein kleines Meisterwerk gelungen: Jenseits der großen politischen Aufregung hat er einen gemütlichen, lässigen, kreativen, unverkrampften, liebevollen und angenehm improvisiert wirkenden Film über die Familie Niehoff geschaffen. Und führt damit wirkungsvoll die Strafverfolgung des Familienvaters ad absurdum.
Unprätentiöser Fremdenführer mit knorrigem Humor
Mit nichts bewaffnet als seinem Smartphone und schalkhaften Gemüt besuchte Tuschinski die Familie an vier Drehtagen (oben ist er zusammen mit der Familie im Bild), um ohne genaues Skript den Versuch einer Doku zu starten. Gedreht wurde letztlich nicht nur bei den Niehoffs zu Hause, sondern auch in ihrem beschaulichen Heimatort Ibind und der weiteren unterfränkischen Umgebung sowie im thüringischen Hildburghausen. Er habe durch die mediale Berichterstattung ein persönliches Interesse an der Familie entwickelt, sagt Tuschinski. Ursprünglich wollte er ein „Drei-Minuten-Porträt“ bei Stefan Niehoff zu Hause drehen, daraus habe sich aber immer mehr entwickelt. Sein Projekt habe er wie einen Teig aufgebaut, der durch Kneten und immer weitere Zutaten Gestalt annahm und schließlich zum fertigen Film wurde. „Ganz anders, als man es an Filmhochschulen lernt, ich plane nicht viel.“
Tatsächlich vermag es der 43-minütige Streifen ein rundes Bild des Lebens des urwüchsigen, lakonisch-herzlichen Stefan Niehoff zu zeichnen: Einerseits liefert er Einblicke in den Familienalltag – gemeinsames Pizzabacken, Blättern in Fotoalben, Spielen mit den Hunden, Handarbeiten mit Niehoffs Frau Daniela und Tochter Alexandra, die sich außerdem mit Malen und Basteln beschäftigt oder sich fröhlich in einen Sari wickeln lässt. Auch Sohn und Enkel der Niehoffs sind im Film zu sehen. Alles vor der Kulisse des alten Fachwerkhauses, das Stefan Niehoffs Vorfahren im Jahr 1855 erbaut haben.
Der alteingesessene Unterfranke zeigt dem Filmemacher das Leben in seiner Region: Sie spazieren durch den kleinen 220-Seelen-Ort und unternehmen Autofahrten in die Umgebung. Viele Einstellungen hat Tuschinski daher vom Beifahrersitz aus aufgenommen. Stefan Niehoff erweist sich als unprätentiöser Fremdenführer mit knorrigem Humor. Er offenbart eine strukturschwache Region, die von Wegzug und Leerstand geprägt ist. Als sie an einer Bank mit der Aufschrift „Mitfahrerbank“ vorbeifahren, kommentiert Niehoff: „Da steht jetzt der öffentliche Nahverkehr.“ Und fügt lachend hinzu: „Da sollst du dich laut der Planung draufsetzen und dann hoffen, dass dich jemand mitnimmt.“
Ebenso lakonisch macht Niehoff seine Kritik an der Coronapolitik deutlich: „Man muss ja nicht alles mitmachen.“ Corona sei ihm am Anfang auch nicht „einerlei“ gewesen, jedoch habe er sich dann näher mit der Materie auseinandergesetzt und sich über Impfstoffentwicklung und mRNA-Substanzen informiert. Durch diese Haltung hat Niehoff einige Menschen in seinem Umfeld verloren, aber auch neue Kontakte geknüpft. Eine Einstellung zeigt ihn auf dem Marktplatz der Stadt Hofheim, wo er in der Coronazeit Gleichgesinnte traf, die sich über Telegram und Mundpropaganda zusammengefunden hatten. Später nahm Niehoff auch an Bauern-Protesten gegen die Regierungspolitik teil.
„Warum sind die alle so kriegsgeil?“
Die vielen Einstellungen von der Autofahrt und unterschiedlichen Schauplätze aus lassen den Film wie ein „Roadmovie“ wirken, sodass geschickt verschiedene Themen miteinander verknüpft werden können. Neben dem Persönlichen geht es auch immer wieder um Politik. „Ich bezeichne mich nicht als Rechten, ich bin konservativ“, sagt Niehoff. Er war nie in einer Partei Mitglied, aber traditionell werde in seiner Familie CSU gewählt. Nachdem Helmut Kohl aus seiner Sicht im letzten Viertel seiner Amtszeit „übergeschnappt“ war, wählte Niehoff mit Gerhard Schröder zum ersten Mal die SPD. „Der hat mir dann auch nicht so zugesagt.“ Daraufhin hat er einmal Angela Merkel gewählt, danach auch mal die Linkspartei, wie Niehoff freimütig zugibt. Mittlerweile ist er „dort gelandet, wo wir gelandet sind, politisch gesehen“.
Der Unterfranke, der, um seine Rente aufzubessern, zweimal pro Woche als Wertstoffhof-Betreuer tätig ist, blick auf ein abwechslungsreiches Berufsleben zurück. Der gelernte Verkäufer war nach seiner Ausbildung acht Jahre bei der Bundeswehr tätig, zuletzt als Feldwebel bei der Panzertruppe. Nach Stationen in einer kleinen Computerfirma und der Frischeabteilung eines EDEKA-Zentrallagers, arbeitete er drei Jahre in einer Basalt-Fabrik, bevor er 25 Jahre bis zu seiner Rente in einer Firma in Hallstadt Fensterheber zusammengeschraubte.
Seine Jahre bei der Armee haben Niehoffs Blick auf die Verteidigungspolitik geschärft: „Zu meiner Zeit in den Achtzigern war die Bundeswehr noch eine reine Verteidigungsarmee, und an dieser Doktrin hat sich meiner Meinung nach ja eigentlich nichts geändert.“ Und: „Die Demokratie am Hindukusch zu verteidigen, ist nicht Aufgabe der Bundeswehr.“ Er ist daher „absolut negativ“ zu den Waffenlieferungen an die Ukraine eingestellt. Doch es werde nie über „Friedensverhandlungen“ gesprochen. „Warum sind die alle so kriegsgeil? Ich bin für Diplomatie, aber auf jeden Fall!“
„Wegen dem Schwachsinn seid ihr jetzt um die Uhrzeit bei mir?“
Schließlich fährt Stefan Niehoff mit dem Filmemacher an die ehemalige innerdeutsche Grenze zwischen Maroldsweisach und Hellingen, damit der „junge Hüpfer“ Tuschinski (Jahrgang 1988) „das alles mal so sieht“. Niehoff erinnert sich an den Mauerfall 1989 und zeigt, an welchen Stellen die DDR-Grenzer den damaligen Zaun öffneten, wo sich tausende Ostdeutsche versammelt hatten. Er freundete sich daraufhin mit ein paar Thüringern an, mit denen er eine Zeitlang auf deren Datschen feierte: „Das war aber ein richtiger Zusammenhalt bei denen“, sagt er. „Von den Ossis können wir noch viel lernen.“ Schließlich fahren sie noch ins Thüringische Hildburghausen, wo ähnlich wie in Niehoffs Heimat auch der Leerstand dominiert.
Wie hat Stefan Niehoff aber den „Schwachkopf“-Skandal erlebt? Seit der Coronazeit kommentiert er in den sozialen Medien. So hatte er im Juni 2024 besagtes „Schwachkopf“-Meme auf X geteilt. Die Hausdurchsuchung durch die Kriminalpolizei Schweinfurt fand am 12. November um 6.15 Uhr im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags gegen antisemitische Hasskriminalität im Netz statt. „Die wollten das für die Statistik abhaken“, so Niehoff. „Die haben wohl nicht damit gerechnet, dass ich sofort an die Öffentlichkeit gehe.“ Auf dem Durchsuchungsbeschluss prangte der Titel „Volksverhetzung“. Vorgeworfen wurde Niehoff in diesem Beschluss allerdings nur die Beleidigung des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, „um ihn generell zu diffamieren und ihm sein Wirken als Mitglied der Bundesregierung zu erschweren“, wie es in dem Schreiben heißt. Niehoff zu den Polizisten: „Wegen dem Schwachsinn seid ihr jetzt um die Uhrzeit bei mir?“
Seine Frau und er hatten das Gefühl, dass es den Polizisten fast selber peinlich gewesen sei, als sie den Durchsuchungsbeschluss durchlasen. Da die Beamten aber irgendein Gerät mitnehmen mussten, beschlagnahmten sie schließlich sein Tablet. Niehoff schrieb daraufhin alternative Medien wie NIUS, Apollo News und Epoch Times an, sogar Herr Söder bekam eine Nachricht von ihm (von einer Antwort ist allerdings nicht die Rede). Kurz darauf begann Niehoffs Telefon unablässig zu klingeln und der Skandal nahm seinen Lauf. Niehoff belustigt: „Wer das Schwachkopf-Bild nicht als Satire versteht, der hat in seinem Leben noch niemals gelacht.“
„Finger weg! Dieses Produkt fördert die AfD!“
Am 15. November bestätigte die Staatsanwaltschaft Bamberg in einer Pressemitteilung die Hausdurchsuchung wegen des „Schwachkopf“-Memes, erwähnte aber erstmals einen weiteren Aspekt, der im Durchsuchungsbeschluss nicht stand: „Es besteht weiterhin der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung gem. § 130 StGB, da dem 64-Jährigen darüber hinaus vorgeworfen wird, im Frühjahr 2024 auf der Internetplattform X eine Bilddatei hochgeladen zu haben, auf der ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift ‚Deutsche kauft nicht bei Juden‘ sowie u.a. der Zusatztext ‚Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!‘ zu sehen ist.“
Stefan Niehoff hatte besagtes Meme als Reaktion auf einen Aufruf hin gepostet, keine Produkte mutmaßlicher AfD-Anhänger zu kaufen. Zuvor war bekannt geworden, dass sich Alice Weidel mit dem Besitzer von Müllermilch/Weihenstephan getroffen hatte, woraufhin zu einem Boykott dieser Marken aufgerufen worden war. Der Tenor der Appelle: „Finger weg! Dieses Produkt fördert die AfD!“ Diese Boykottaktion stellte Niehoff in den Kontext von „Kauft nicht bei Juden!“
Warum wurde überhaupt wegen Volksverhetzung gegen Niehoff ermittelt, obwohl die Hausdurchsuchung durch das „Schwachkopf“-Meme begründet worden war? Wie Apollo News schreibt, habe die Staatsanwaltschaft erklärt, „auf Niehoff aufmerksam geworden zu sein, weil eine Meldung wegen Volksverhetzung bei der Meldestelle ‚Hessen gegen Hetze‘ eingegangen war. Aufgrund dieses Auslösers – Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuches ist ein Offizialdelikt und muss von Amts wegen ermittelt werden – lief die Akte daraufhin vermutlich unter ebenjenem Vorwurf: Volksverhetzung.“
Im April 2025 erhielt Niehoff dann einen Strafbefehl, in dem das „Schwachkopf“-Meme keine Rolle mehr spielte, stattdessen ging es nun um sechs Bilder und Zitate mit Bezug zum Dritten Reich, die Niehoff auf X gepostet hatte – allerdings wiederum nicht als Verherrlichung, sondern als Mahnung vor der NS-Zeit. Laut Niehoff wurde solange auf seinem Profil gesucht, bis irgendetwas gefunden wurde, das als „rechtsextrem“ oder „Volksverhetzung“ gebrandmarkt werden konnte. Er habe Fotos und Zitate aus dem Dritten Reich gepostet, um zu zeigen, „dass wir sowas nie, nie mehr wieder bei uns brauchen“.
Ohne aktivistisches oder belehrendes Anliegen
In diesem Zusammenhang besucht er mit Alexander Tuschinski den Jüdischen Friedhof in Burgpreppach, denn bis zur Judenverfolgung habe es in der Gemeinde viele jüdische Bürger gegeben. Niehoff findet es bedenklich, wie leichtfertig heutzutage vor allem von den Jüngeren mit dem Begriff „Nazi“ um sich geworfen wird. Denen empfiehlt er, KZs wie Bergen-Belsen zu besichtigen, „um dann mal wirklich kennenzulernen und zu wissen, was wirklich ein Nationalsozialist beziehungsweise Nazi war“. In Bezug auf die NS-Judenverfolgung findet Niehoff vor allem bedrückend, dass damit Deutsche, die sich oftmals auch im Ersten Weltkrieg für ihr Land verdient gemacht hatten, über Nacht zu Menschen zweiter Klasse degradiert wurden.
Hat der Skandal Auswirkungen auf Niehoffs Online-Verhalten? „Warum soll ich jetzt weniger posten? Ich denke, wir sind immer noch nach wie vor in einer Demokratie, wo ich meine Meinung frei äußern darf, solange ich nicht unter die Gürtelline gehe?“ Der Unterfranke beobachte hingegen, dass die, die sich tolerant geben, online oft am wildesten auf ihn losgehen. Er gewinnt dem „Schwachkopf“-Skandal aber sogar Positives ab, als dass er dadurch viele Gleichgesinnte kennengelernt hat. „Das hätte ich mir niemals gedacht, dass es das in dieser Zeit überhaupt noch gibt.“ Daher endet der Film mit einem Dank der Familie Niehoff für alle Unterstützung und Zuspruch, die sie seit der „Schwachkopf“-Affäre erfahren haben.
Alexander Tuschinksi gibt mit diesem Film all den anonymen, wegen politischer Postings mit Klagen überzogenen Menschen ein Gesicht. Ohne aktivistisches oder belehrendes Anliegen zeigt er eine sympathische, bodenständige Familie, die wegen eines harmlosen Memes in den Fokus der Strafverfolgung und der Medien geriet. Dieses liebevolle Porträt der Niehoffs spricht Bände über Recht und Unrecht in der heutigen Bundesrepublik, ohne dass ein anklagendes Wort fällt oder mit dem erhobenen Zeigefinger gearbeitet wird. Ganz im Gegenteil ist die Wirkung der Produktion auf diese Weise viel größer.
Es ist ebenfalls ein gutes Zeichen, dass ein versierter Independent-Filmemacher wie Alexander Tuschinski den Mut hatte, ein solches politisch brisantes Thema anzufassen. Für seinen Spielfilm „Timeless“ (2016) gelang es Tuschinski, die österreichische Schauspiellegende Helmut Berger zu verpflichten, sein Dokumentarkurzfilm „Caligari in the Desert“ (2019) hatte sich für die Oscars qualifiziert. Für diese und weitere Produktionen gewann er zahlreiche Preise. In der Doku „Flüstern und Lachen“ hatte er sich 2022 kritisch mit der Coronazeit auseinandergesetzt, dieser Film lief unter dem Titel „Whisper and Laugh“ auch in Hollywood. Die Doku „Schwachkopf-Affäre“ feierte gestern unter dem englischen Titel „Tale of a Meme“ auf dem Independent Filmmakers Showcase Film Festival in Los Angeles Weltpremiere. Auf Deutsch ist der Film hier auf YouTube zu sehen.
Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wurde am 18. Mai 2025 aktualisiert.
Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.