Drei Herren sitzen an einem Tisch, trinken Kaffee und plaudern. Es ist ein heißer Julitag und einer der drei Männer teilt ein Foto der Kaffeerunde auf Instagram. Einige Wochen lang geschieht nichts, warum auch? Eine solche Kaffeerunde ist ja kein Verbrechen, selbst dann, wenn man weiß, dass es sich bei einem der drei Herren um den Vorsitzenden der AfD, Jörg Meuthen, handelt. Was immer jemand der AfD vorwerfen mag, wofür auch immer Jörg Meuthen vielleicht verantwortlich gemacht wird – es sollte möglich sein, mit ihm straffrei an einem Tisch im Restaurant zu sitzen und zu sprechen. Dennoch führte genau dieser Umstand dazu, dass der Geschäftsführer der Hessischen Filmförderung, Hans Joachim Mending, von seinen Aufgaben entbunden wurde. Der Aufsichtsrat der Filmförderung unter Vorsitz der hessischen Kultur- und Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) hat das gestern in einer zweieinhalbstündigen außerordentlichen Sitzung im Ministerium für Kunst und Wissenschaft in Wiesbaden einstimmig beschlossen.
Selbstverständlich wird nicht der Kaffee mit Herrn Meuthen als Grund genannt, sondern die folgende Ankündigung von Filmproduzenten, Regisseuren und Schauspielern, mit Mendig nicht weiter zusammenzuarbeiten. Die wiederum beziehen sich auf die Kaffeerunde, zu der als Dritter der schon skandalerprobte PR-Berater Moritz Hunzinger gehörte.
Doch der Reihe nach. Im Spätherbst wurde das Foto aus dem Juli von jemandem entdeckt, der es – wie sich gezeigt hat, richtigerweise – für skandalisierbar hielt. Den ersten Meldungen über das Treffen folgten alsbald die ersten Rücktrittsforderungen engagierter Filmschaffender. Wohlgemerkt, bislang ist nicht mehr bekannt, als dass die drei Herren miteinander am Tisch saßen, vielleicht etwas gegessen und getrunken, aber vor allem miteinander gesprochen haben. Es gab keinerlei Hinweis auf anrüchige Verabredungen oder Handlungen. Dennoch mündete die Nachricht in eine Erklärung Hunderter Filmschaffender, in der der Rücktritt des Geschäftsführers gefordert wurde. Folgt man dem Erklärungstext, ist bei solch einer Begegnung schon ein Lächeln zu viel der Nähe:
„Das Foto zeigt die Männer gemeinsam in die Kamera lächeln. Wir erinnern daran, dass derselbe Jörg Meuthen am 2. Mai 2016 sich mit fraglos rechtsradikalen Auffassungen äußerte (»Wir wollen weg vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland und hin zu einem friedlichen, wehrhaften Nationalstaat«) und als strammer Gegner liberaler Kulturproduktion bekannt ist. Der Geschäftsführer der Hessen Film bekleidet eine Position mit hohen Anforderungen an Überparteilichkeit, Offenheit für vielfältige künstlerische Positionen, demokratische Kultur und Transparenz. Er hat mit seinem Verhalten den Ruf der Hessen Film, der durch seine autoritäre Amtsführung bereits vorher belastet war, weiter schwer beschädigt. Eine weitere Zusammenarbeit mit ihm und der Hessen Film ist für uns unter diesen Bedingungen nicht vorstellbar. Wir rufen ihn daher zum Rücktritt auf, um einen Neuanfang zu ermöglichen.“
Angst vor weltanschaulichen Verfehlungen
Dass so viele aus der Branche binnen kürzester Zeit unterschrieben, lässt vermuten, was der Text auch andeutet, dass sich Geschäftsführer Mendig ohnehin schon bei vielen Filmschaffenden unbeliebt gemacht hat. Ich hatte nie mit der HessenFilm und auch nie mit Herrn Mendig zu tun und kann daher nicht beurteilen, ob und in welchem Maße seine Amtsführung Anlass zu berechtigten Klagen oder gar Sanktionsforderungen geboten hat. Doch wenn es so wäre, dann müsste man die Auseinandersetzung auch zu diesen Punkten führen und nicht ausgerechnet eine Kaffeerunde mit einem politisch Unberührbaren zum ersatzweisen Anlass einer Amtsenthebung nehmen. Dass es leichter ist, jemanden wegen des Verdachts auf weltanschauliche Verfehlungen um sein Amt zu bringen, als aus anderen Gründen, sollte für Liebhaber einer freien Gesellschaft höchst beängstigend sein.
Am 15. September erschien oben zitierter Aufruf, dem sich Mendig weder mit einem Rücktritt beugte noch wegen der Teilnahme an der Kaffeerunde um Verzeihung bat. Neun Tage später hat nun die zuständige Ministerin mit dem HessenFilm-Aufsichtsrat gehandelt, auch wenn es mutmaßlich etwas Geld kostet. Denn einfach entlassen kann man Mendig nicht, wie die Hessenschau von Ministerin Dorn erfuhr, schon gar nicht wegen eines Kaffees mit dem falschen Gesprächspartner (soweit schützt Mendig der Rechtsstaat noch):
„Als Geschäftsführer sei Mendig nun abberufen, sagte sie. Demnach ist er vorerst noch auf der Gehaltsliste, aber schon nicht mehr in der Verantwortung. Alles andere müssten die weiteren Gespräche ergeben.
Eine Entlassung wäre mit den entsprechenden rechtlichen Hürden verbunden, ein Auflösungsvertrag wohl mit einer hohen Abfindung. Zum Rücktritt, den Kritiker von Mendig fordern, kam es nicht. Entsprechend vorsichtig blieb Dorn hinsichtlich der Begründung für eine Trennung.
Auf diese Frage erwähnte sie das Mendig-Meuthen-Treffen nicht direkt, sondern die Folgen. Themen der Aufsichtsrats-Sondersitzung seien gewesen "die Ankündigung vieler Filmschaffender, nicht mehr mit der HessenFilm zusammenarbeiten zu wollen, die Rücktritte von Jury-Mitgliedern und ein möglicher Imageschaden für das Land und die HessenFilm".
Von Mendig war am Dienstagnachmittag keine Stellungnahme zu erhalten. Er hat geltend gemacht, bei dem Treffen habe es sich um eine Privatangelegenheit gehandelt.“
Welche Rolle spielt der dritte Mann?
Egal, wie HessenFilm und Mendig nun arbeitsrechtlich auseinander kommen und welche Gründe viele Filmschaffende unabhängig vom Meuthen-Gespräch zur Unterstützung des Rücktritts-Aufrufs bewogen hatten, so sendet der Vorgang an jeden in einer öffentlichen Position ein fatales Signal: Allein schon ein Gespräch mit den Falschen könnte heutzutage mit Karriereende bestraft werden. Das Verharren in der eigenen Filterblase und Wagenburg verheißt hingegen Sicherheit, aber das sollten gerade öffentliche Amtsträger nicht kultivieren.
Noch etwas an den Nachwehen der Dreiherrenrunde ist interessant. Niemand fragt sich offenbar, warum und in wessen Auftrag eigentlich Moritz Hunzinger an diesem Kaffeetisch saß. Auf Tichys Einblick wird Jörg Meuthen mit der Aussage zitiert, „er sei im Juli von dem PR-Manager Moritz Hunzinger angesprochen und gefragt worden, ob er sich mit ihm und Mendig treffen würde.‘Ich hatte zu dem Zeitpunkt beide nicht gekannt‘, so Meuthen. Mit Mendig habe er nach dem gemeinsamen Essen in einem Frankfurter Restaurant auch keinen Kontakt mehr gehabt: ‚Das war unsere einzige Begegnung.‘“
Sollte man daraus schließen, dass es zwischen Meuthen und Hunzinger weitere Kontakte gab? Immerhin hat allzu große Nähe zu Herrn Hunzinger schon manche hoffnungsvolle Polit-Karriere abknicken lassen. Hunzingers Großzügigkeit gegenüber Politikern wurde im Jahr 2002 nicht nur dem Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), sondern auch dem aufstrebenden Grünen-Politiker Cem Özdemir zum Verhängnis. Letzterer nahm ein paar Jahre Auszeit, bevor er wieder in den Politik-Betrieb zurückkehrte. Am Tag von Mendigs Abberufung ist er bei der Wahl zum grünen Fraktionsvorsitz gescheitert. Da gibt es zwar eigentlich keinerlei Zusammenhang, aber wenn diese zwei Nachrichten aufeinander treffen, fragt man sich umso mehr, was ein Mann wie Hunzinger bei dieser Kaffeerunde wollte?