Thomas Rietzschel / 04.01.2019 / 12:00 / Foto: Welcomimages / 70 / Seite ausdrucken

Richter und Staatsanwälte am Rande des Zusammenbruchs

Die Justiz verspielt ihr Ansehen. Die Bürger misstrauen ihr zunehmend. Fast schon mehrheitlich glauben sie, dass die Gerichte nicht unabhängig, sondern politisch beeinflusst urteilen würden. Bei einer Umfrage, die das Berliner Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des FOCUS unter 5.000 Wahlberechtigten anstellte, setzten nur noch 40,9 Prozent „großes oder sehr großes Vertrauen“ in die Justiz, indes 44,9 Prozent die Vertrauensfrage mit der Angabe „gering oder sehr gering“ beantworteten. Erhoben wurden die Werte vor nicht einmal zwei Wochen, vom 14. bis zum 28. Dezember 2018.

Vergleicht man das mit den Resultaten früherer Jahre, möchte einem schwarz vor Augen werden. Bei einer EU-Umfrage 2013 hielten 77 Prozent das deutsche Gerichtswesen für zuverlässig; immerhin 68 taten das laut einer Allensbach-Studie noch 2017. Überwiegend verließen sich die Bürger auf eine Justiz, der sie heute zum größeren Teil misstrauen. Nach der Legislative und der Exekutive, der gesetzgebenden und der staatlichen Gewalt, läuft nun auch die Judikative Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu verspielen. Der dritte Säule der Demokratie gerät zusehends ins Wanken.

Die Juristen, Richter und Staatsanwälte sind sich dessen durchaus bewusst. Sie leiden unter dem Verruf, in den sie geraten. Als Ursache ihrer schwindenden Wertschätzung haben sie die permanente Überlastung in den Ämtern ausgemacht: fehlendes Personal, Raummangel und ungenügende technische Ausstattung.

Raum ist in der kleinsten Zelle

Vordergründig betrachtet stimmt das fraglos. Nur allzu oft sind zwei Staatsanwälte gezwungen, sich ein Büro von der Größe einer Gefängniszelle zu teilen. Allenthalben fehlt es an Justizbeamten, vorwiegend im mittleren Bereich, oftmals sogar an Computerprogrammen zur Spracherkennung.

Da aber zugleich zahllose Sekretärinnenstellen im Zuge wiederholter Sparmaßnahmen gestrichen wurden, müssen viele Staatsanwälte ihre Anklageschriften per Hand eintippen, während sich täglich neue Fälle auf den Schreibtischen stapeln. Die Zustände, wie sie etwa der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel beschreibt, sind katastrophaler kaum vorstellbar. Und dennoch erklärt das nicht alles.

Der Verweis auf den personellen Notstand und die mangelhafte Ausrüstung greift zu kurz. Geht es doch nicht um die unbearbeiteten Fälle, sondern um die gefällten Urteile, wenn in der eingangs zitierten Civey-Ermittlung auf die Frage, „denken Sie, dass in Deutschland vor Gericht alle Menschen gleich sind?“, bloß noch 33,3 Prozent mit „ja“ und über sechzig mit „nein, auf keinen Fall“ geantwortet haben. Hier stehen die Juristen selbst in der Verantwortung. Wie interpretieren sie das Recht von Fall zu Fall? Erliegen sie politischer Beeinflussung, wenn sie etwa die Taten zugewanderter Muslime mit dem Verweis auf deren kulturelle Prägung vorsichtig mildernd betrachten? Welcher Gesinnung fühlen sie sich verpflichtet?

Richter Gnadenlos will keiner sein

Wie die meisten Intellektuellen haben sie sich in einem Klima links-alternativer Überzeugungen beruflich etabliert. Einzelgänger, die es noch wagen, davon abzusehen, laufen leicht Gefahr, als „Richter Gnadenlos“ tituliert zu werden. Nachsicht dient der Karriere mehr als Strenge, erst recht, wenn dadurch Urteile vermieden werden, die Zweifel an dem wecken könnten, was die Politik umsetzen will.

Nicht zufällig beschleunigt sich der Verlust des Vertrauens der Bürger in den Rechtsstaat seit der Merkelschen Grenzöffnung 2015. Da verhält es sich bei den Juristen nicht viel anders als im Journalismus, dem vierten Stützpfeiler der Demokratie. Mit der ganzen Härte des Gesetzes wird verfolgt, was nicht sein soll, während auf Gnade zählen darf, wer im Mainstream schwimmt, ohne sich viel um die Gesetze zu kümmern. Es ist dieser Blick durch die ideologische Brille, der dazu führt, dass selbst vor den Schranken der Gerichte unterdessen einige gleicher sind als alle. Vorurteile nehmen die Urteile vorweg.

Die Vorkommnisse in Amberg, wo vier Flüchtlinge am vergangenen Samstag zwölf Deutsche verprügelten, rückten erst ins Licht der Öffentlichkeit, nachdem bekannt wurde, dass in der Silvesternacht ein Deutscher in Bochum und Essen mit seinem Auto in Gruppen von Ausländern fuhr und dabei acht Menschen verletzte, eine Frau lebensgefährlich.

Herbert Reul kann Gedanken lesen

Während in diesem Fall sofort und korrekt ausführlich über die „Opfer“ berichtet wurde, die Staatsanwaltschaft umgehend von einem „gezielten Anschlag“ sprach, war in dem anderen Fall von „mutmaßlichen Gewalttaten“ die Rede, wiederum verübt von „mutmaßlichen Asylbewerbern“.

Noch bevor die Ermittlungen in Bochum überhaupt aufgenommen werden konnten, wusste der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU): „Es gab die klare Absicht von diesem Mann, Ausländer zu töten.“ Mit welcher Absicht die „Flüchtlinge“ in Amberg auf die Deutschen eindroschen, ihrerseits einen Mann krankenhausreif schlugen, dazu hat sich bisher noch kein Politiker oder Jurist geäußert, und das, obwohl sich die Täter seit Tagen in Untersuchungshaft befinden.

Nein, man soll den einen Gewaltakt nicht gegen den anderen aufwiegen. Es gibt keine Verbrechen, die sich gegenseitig relativieren. Umso mehr aber sollte gerade die Justiz diesem politisch erweckten Eindruck durch ein Handeln entgegentreten, das keine Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen lässt. Denn wenn die Bürger der Gerichtsbarkeit ihres Landes erst einmal das Vertrauen entzogen haben, steht nicht mehr und nicht weniger als die Demokratie auf dem Spiel. Es drohen Selbstjustiz oder autokratische, womöglich diktatorische Verhältnisse.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

A.Kaltenhauser / 04.01.2019

Die Justiz teilt eben die Problematik der Journalisten bezüglich “Haltung”. Sog. politische Urteile sind an der Tagesordnung, man will doch Karriere machen und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Die mangelhaften Arbeitsbedingungen sind da nur ein übergroßes “I-Tüpfelchen”. [Mein Großvater war Bundesrichter/Senatspräsident, weshalb ich hier natürlich überkritisch, ja durchaus voreingenommen bin!] Gewaltakte gegeneinander aufzuwiegen wird gerade von der SZ in einem Interview mit dem Bürgermeister von Amberg genüsslich zelebriert. In bekannter, altgewohnter Agitprop-Manier, war das Verbrechen in Bochum natürlich explizit “schlimmer”; schließlich wollte man dort Menschen töten. In Amberg wurden Menschen “nur” verletzt. Trotzdem ist das “Resultat” gleich? Oder nur Unvermögen; von wem jetzt?

Norbert Reuther / 04.01.2019

Bedenkliche Entwicklung. Allerdings sind sie in England schon einen großen Schritt weiter: In Rotherham wurden von der Polizei nicht etwa die pakistanischstämmigen Vergewaltiger, Zuhälter und Sklavenhalter angezeigt, sondern ihre nackt im Haus gehaltenen 11 und 12 jährigen Sexsklavinnen wegen “misconduct” vor Gericht gezerrt. Aber keine Sorge, mit “weiter so” kriegen wir das hier in absehbarer Zeit auch hin.

Peter Wachter / 04.01.2019

Gerade war ich in einem “Vollsortimenter”, als ich an der Kasse warten musste, fiel mein Blick auf die Schlagzeile einer bekannten Boulevardzeitung. Darin ging es darum, das ein, durch alle Instanzen abgelehnter, Schutzsuchender, der dann auch noch abgeschoben wurde und auch noch mit einem zusätzlichen(!) befristeten Einreiseverbot belegt war, trotzdem wieder einreiste und erneut Anspruch auf komplettes Asylverfahren, mit entsprechenden Sozialleistungen, hat. Das ist unser (?) Rechts-+Sozialstaat.

U. Unger / 04.01.2019

Richtig Herr Rietschel, die Frage hätte sich auch schon im Westen vor der Wiedervereinigung stellen müssen. Im Westen wurde immer angeprangert, dass Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte bis auf wenige Ausnahmen in der SED waren. Es war früher wie heute. Sie können heute als Angeklagter einer Straftat eher damit rechnen, dass Staatsanwalt, wie Richterin z. B. beide in der CDU sind, als dass keiner der beiden Mitglied einer politischen Partei ist. Wäre ich Angeklagter, z. B. nach einer fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr, wäre mir recht mulmig. Neutralität? Natürlich könnte ich bei einer solchen Konstellation einen Rechtsanwalt und CDU Mitglied als Verteidiger wählen, sowie in die CDU eintreten. Mir persönlich liegt so etwas nicht. Meine Wahl wäre ein parteiloser Rechtsanwalt passend zu meiner Parteilosigkeit. Falls nötig würde ich im Gerichtsaal diese politische Situation medienwirksam ausnutzen, und dann??????

Heiko Stadler / 04.01.2019

Die Richterin Kirsten Heisig schwamm nicht im Strom der gutmenschlichen Gesetzesbeuger. Sie setzte sich für schnelle und gerechte Strafen ein. Sie starb sehr plötzlich im Alter von 49 Jahren an einem nicht natürlichen Tod.

Gert Köppe / 04.01.2019

Das Vertrauen in die deutschen Gerichte habe ich schon längst verloren. Es ist kaum zu übersehen das man bei denen, die man zur “Elite” zählt, zum Teil lächerliche Urteile fällt und bei den “Kleinen” außergewöhnlich hart urteilt. So als müsse man dann ein Exempel statuieren, um die Glaubwürdigkeit irgendwie aufrecht zu erhalten, damit die auffällige Milde bei den Strafen für die “Großen” verwischt wird. Die “Kleinen” verlieren manchmal ihre Existenzgrundlage und die “Großen” bekommen für millionenschwere Vergehen Bewährungs- und Geldstrafen, die sie aus der “Kaffeekasse” bezahlen. Strafen, die oft niedriger sind als der Gewinn, welche sie dur ihre kriminellen Aktivitäten “erwirtschaftet” haben. Weiter fällt auf, das, bei gleichwertigen Straftaten, deutsche unbarmherziger abgeurteilt werden, als bei den kriminellen Ausländern. Da wird regelmäßig Nachsicht verübt. Aus meiner Sicht ist das hier nur noch ein “Pseudo-Rechtsstaat”. Auch in den Gerichten hat die politische Gesinnungsdiktatur mitlerweile ihren Platz erobert. Viel anders sieht es allerdings im Bundesverfassungsgericht und im EUGH auch nicht mehr aus. Dem linken Zeitgeist sei Dank.

Susanne antalic / 04.01.2019

Die Judikative hatte ihre Glaubwürdigkeit schon lange verloren. Erstens- es werden Stellen nach Parteibuch besetzt und zweitens sind sie alle Beamten, die keine Verantrwortung übernehmen müssen, egal wen sie frei sprechen oder verurteilen, sie können und machen was sie wollen, das Gehalt und die Nebenbeschäftigungsgelder kommen jeden Monat auch so. Es ist wie mit den ÖR, das Gehalt kommt, obwohl man oft Fakenews und Propaganda produziert, keine übernimmt die Verantwortung. Es gibt noch so ein paar Berufe, die sich sowas leisten dürfen. Ganz vorne stehen die Politiker und die forensische Psychiater und Psychologen dann folgen, viele Journalisten die sind auch nicht ohne und nicht nur im Spiegel und da eschoffiert man sich über Polen mit ihre Justizreform.

Rudolf George / 04.01.2019

Das System Merkel („Du bist frei deine Meinung zu äußern, aber wenn es die falsche ist, dann ist halt deine Karriere futsch“) wirkt nicht nur in der Politik und den Medien, sondern auch in anderen Bereichen. Natürlich spüren auch Juristen den Druck, der von oben kommt. Man sollte aber auch die Frustration sehen, die durch den Gesetzgeber und die Regierung ausgelöst wird. Wie würden Sie sich als Richter fühlen, wenn Sie schon mit unzähligen Asylklagen überlastet sind, nur um dann Personen zu begnen, deren Antrag schon rechtskräftig abgelehnt wurde, und welche dann einfach noch einen stellen, und dies nach Gesetz vollkommen zulässig ist?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.01.2023 / 16:00 / 56

Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?

Erinnern Sie sich an Peter Struck, den letzten Bundesminister für Verteidigung, der – mit Verlaub – noch einen Arsch in der Hose hatte? Weil er die…/ mehr

Thomas Rietzschel / 20.12.2022 / 12:00 / 52

Wann kommt die Fahrrad-Steuer?

Warum müssen die Halter von Kraftfahrzeugen KfZ-Steuer zahlen, indes die Radler das öffentliche Straßennetz unentgeltlich nutzen dürfen, es mehr und mehr für sich beanspruchen, zunehmend…/ mehr

Thomas Rietzschel / 26.11.2022 / 15:00 / 23

Die elf Affen von Katar

In den Siebzigern, nach 1968, waren die drei Affen von Benares groß in Mode. Jeder, der auf sich hielt, wusste von ihnen, eng aneinander gedrängt saßen…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.11.2022 / 16:00 / 24

Im neuen marxistischen Kapitalismus

Möchte der Staat die Bedeutung der Arbeit mit der Höhe seiner Sozialleistungen ausstechen, um den freien Bürger zum betreuten Mündel herabzusetzen? Mit der „wohltätigen“ Diskreditierung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 04.11.2022 / 14:30 / 67

Lauterbach im Taumel der Macht

Was er seit seiner Berufung zum Minister veranlasst und ausgeführt hat, ist nicht mehr als die tolldreiste Posse eines Narren, der im Wahn seiner Macht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / 43

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com