Wolfgang Röhl / 07.04.2018 / 06:25 / Foto: Jotquadrat / 27 / Seite ausdrucken

Richter Furchtlos kennt keine Messerangst

Fast drei Jahre hatte der Bundesrichter Thomas Fischer die Nutzer von „Zeit online“ mit meist schmissig formulierten, immer voluminösen Rechtsbetrachtungen unterhalten. Nach Einstellung seiner vielgelesenen Kolumne „Fischer im Recht“ langartikelte der mittlerweile frühpensionierte Jurist weiterhin für das Portal. Doch unlängst verkrachten sich die Traumpartner.

Ein giftiges Fischer-Stück über die Qualität der Recherchen, mittels welcher die „Zeit“ den Regisseur Dieter Wedel an den Wüstlings-Pranger tackerte, mochte ebenjenes Blatt lieber nicht publizieren. Die stellvertretende Chefredakteurin soll Fischer telefonisch mitgeteilt haben: „So einen Scheiß drucke ich nicht.“ Ferner: „Du bist unser Autor. Du hast uns nicht in den Rücken zu fallen.“ Offenbar herrscht am Hamburger Speersort nicht mehr die ganz feine hanseatische Umgangsart aus der Ära Dönhoff.

Fischer will noch erhebliche Abschwächungen des Textes offeriert haben, doch vergebens. Der düpierte Großjurist veröffentlichte den verschmähten Artikel daraufhin in einem Mediendienst. Womit seine Zeit bei der Zeit endgültig abgelaufen war.

Fischers neue Plattform „Meedia.de“ erreicht zwar nicht so viele Leser wie „Zeit online“, dafür aber punktgenau eine Zielgruppe, der er gern den Marsch bläst. Vor allem den Journos vom Boulevard hält der Rechtsgelehrte vor, über das Kriminalitätsgeschehen kenntnisfrei und populistisch zu berichten. „Die Quälmaschine der Bild-Zeitung“ stachelte Fischer zu einer Philippika an, die er unter dem Titel „Messerangst in Mitteleuropa – oder warum die Kriminalitätsstatistik nur dann nützlich ist, wenn man sie versteht“ online stellen ließ.

Ein waschechter Fischer, dieses Stück. Wer über etwas Muße verfügt, sollte es in seiner ganzen, üppig-mäandernden Schönheit genießen. Für die anderen hier eine Kurzfassung: alles halb so schlimm bei der Kriminalitätsentwicklung. Gar kein Grund, besorgt zu sein.

Aber was ist mit der stark angestiegenen Zahl von Wohnungseinbrüchen, von der Medien und Polizisten faseln? Fischers Faktencheck: „Polizeigewerkschafter melden, in Deutschland werde alle dreieinhalb Minuten in eine Wohnung eingebrochen. Das kommt daher, dass das Jahr 525.600 Minuten hat und pro Jahr 150.000 Einbrüche gemeldet werden. Man könnte auch sagen, dass man in einem der 41 Mio. Haushalte in Deutschland durchschnittlich 273 Jahre warten muss, bis jemand versucht einzubrechen.“

Alles Panikmache von Pressbengels und Populisten

Messerattacken nehmen besorgniserregend zu? Ebenfalls Quatsch! Panikmache von Pressbengels und Populisten, die am dumpfen rechten Rand fischen. Man sollte, „so schlimm auch immer der Einzelfall sein mag, die Kirche im Dorf lassen.“ Denn, so Fischer: „99,9 Prozent der Bevölkerung kennen die Attacken nur vom fernen Hörensagen.“

Ist das nicht erfreulich? In der Welt des allzeit Relativen lässt es sich gut und gerne leben. Zum Beispiel in Fischers denkmalgeschützter Villa auf einer Anhöhe über dem idyllischen Oostal, von wo der Blick hinüber zur noblen Kurstadt Baden-Baden schweift. Da kann man manch Schönes, Erbauliches erleben. Gemessert wird natürlich auch dort. Etwa mit dem schweren Hotelsilber vom michelinbesternten „Brenners Park-Restaurant“ (derzeit leider in Renovierung).

Was in Duisburg-Marxloh oder an manchen Ecken von Berlin-Neukölln so abgeht – selber schuld, wer in solchen Shitholes haust, oder?

Denken wir unseren Fischer einfach mal weiter. Schon wächst die Leichtigkeit des Seins in Unermessliche! Warum zum Beispiel berichtet der unvermeidliche Enthüllerklüngel WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ alle naslang über Steuerverkürzer? Ist doch eigentlich kein Thema. Schätzungsweise 99,5 Prozent aller deutschen Firmen zahlen ja brav ihre Abgaben. Die Chefs kennen Panama oder die Cayman Islands in aller Regel nur aus der Zeitung.

Und warum stellen die Behörden seit einiger Zeit diese komischen Betonblöcke vor Weihnachtsmärkten oder bei Großveranstaltungen auf? Höchstens 0,0001 Prozent der Bevölkerung wird jährlich durch in die Menge rasende Kleinlaster plattgemacht. Der große Rest kennt so was nur vom Hörensagen.

Messerangst essen Seele auf

Ein durchgeknallter Pilot steuert ein Passagierflugzeug ins Verderben. Na und? Müssen deshalb gleich etliche Taskforces gebildet werden, um irgendwelche Lehren aus dem Absturz zu ziehen? Statistisch gesehen, könnte man sich wohl zehn Mal den exklusiven Lufthansa HON-Circle-Status erfliegen, ohne ein nennenswertes Absturzrisiko einzugehen.

Weshalb berichten die Medien immerfort über den langweiligen NSU-Prozess? Was sollen die vielen NSU-Untersuchungsausschüsse und Staatsschutz-Ermittlungen? Mal ehrlich, bloß ein winziger Teil der in Deutschland lebenden Bürger mit Migrationshintergrund wurde bislang von Neonazis ermordet. Lassen wir die Moschee doch bitte im Dorf.

Falls Sie erneut von einem hässlichen Einzelfall (Fischer) lesen, den die einschlägigen Quälmedien (Fischer) total aufbauschen, dann bleiben Sie cool. Messerangst essen Seele auf. Denken Sie an die Worte des lebensweisen Dr. Thomas Fischer. Was kann Ihnen denn schon passieren? Wahrscheinlich müssten Sie 300 Jahre warten, bis Ihnen jemand am Arbeitsplatz oder auf dem Friedhof den Kopf abschneidet.

Na ja, könnte auch mal etwas schneller gehen. Das weiß ich jetzt aber nur vom Hörensagen.

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Andreas Rochow / 08.04.2018

Der vorzeitige Ruhestand, in den sich der logorrhoische Großjurist Fischer versetzen ließ, weist auf eine riesengroße Gerechtigkeitslücke hin. Dass ausgerechnet Figuren davon profitieren können, die einen relativ kurzen Teil ihres Lebens damit verbracht haben, das zu tun, wozu sie berufen waren, ist ziemlich ungerecht. Das alles hat den reinen Genuss dieser schönen Glosse etwas getrübt. In der Sache ist es aber zu begrüßen, dass dem Meister der Arroganz und der realitätsfernen Besserwisserei der Stecker gezogen wurde, koste es was es wolle.

Christian Bornhauser / 07.04.2018

Warum regt ihr euch so auf? Herr Fischer stellt doch nur 0.0000013% der deutschen Bevölkerung dar.

Jochen Brühl / 07.04.2018

Vor allem verstehe ich dann nach der Fischer Logik in keiner Weise die geradezu hysterischen Gesetzesverschärfungen gegen den Schusswaffenbesitz nach den sehr selten vorkommenden Amoklagen. Das lässt sich in Prozent nicht einmal ausdrücken, allenfalls im Promille, mit sehr vielen Nullen davor.

Michael Scheffler / 07.04.2018

Die Reformation ist genauso losgegangen. Menschen, die Wasser predigten und Wein tranken,,,

Hubert Bauer / 07.04.2018

Vielleicht hängt die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Messerattacke zu werden, auch ein wenig von den persönlichen Lebensumständen ab. Wenn ich als Richter am frühen Nachmittag (nach dem Mittagessen) mit dem Auto von Karlsruhe nach Baden-Baden nach Hause fahre ist das relativ ungefährlich. Wenn ich als Krankenschwester oder Verkäuferin spät abends mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Duisburg nach Essen nach Hause fahre ist das doch deutlich gefährlicher. Nun kann man sagen, jeder kann Richter werden und kann von der Arbeit nach Hause fahren, wenn es noch taghell ist. Ich gönne es jedem Richter, dass er keine Präsenzzeit am Gericht hat, aber ich erwarte dafür, dass er (sie) die Weisheit hat zu erkennen, dass zwar jeder, aber nicht alle Richter werden können.

Uta Buhr / 07.04.2018

Die ebenso besserwisserischen wie realitätsfernen Ergüsse des Herrn Fischer sind selbst extrem leidensfähigen ZON-Lesern seit geraumer Zeit auf den Keks gegangen. Dass die stellvertretende Chefredakteurin dieser Wochenzeitung den Richter Furchtlos - übrigens eine großartige Bezeichnung für diesen Schwätzer - in den Orkus geschickt hat, ist kein Verlust. Ganz im Gegenteil. Im Übrigen sollte Herr Fischer seine denkmalgeschützte Villa einigen von ihm so hochgeschätzten Migranten überlassen und sich höchstpersönlich in die Niederungen des Alltags in verschiedenen, inzwischen total verslumten Gegenden deutscher Großstädte begeben. Das wäre doch eine absolute Win-Win Situation: Die Migranten würden mit dem süßen Leben des Richters vertraut, und der Mann des Rechts könnte im Selbstversuch seinen Realitätssinn schärfen. Ob der Gutmensch Fischer auf diesen Vorschlag wohl eingehen wird?

Frank Meier / 07.04.2018

Sie haben Fischer allerdings nicht widerlegt, sondern nur als Person angegriffen.

Michael Lorenz / 07.04.2018

“…durchschnittlich 273 Jahre warten muss, bis jemand versucht einzubrechen.” So kurz ist die Wartezeit mittlerweile? D. h. in einer kleinen Neubausiedlung mit 100 Wohneinheiten hat man alle 3 Jahre die Freude, ausgeraubte und traumatisierte Nachbarn zu erleben? Na, super! In den 70igern versprach man uns übrigens, ein KKW-GAU passiere nur alle 10.000 Jahre. Das heißt, zwischen Tschernobyl und Fukushima wurde bei mir 10.000:273 = 36mal eingebrochen? Für die Fischers dieser Welt gilt bedauerlicherweise diese Problemerkenntnis: “Das ist das Leid der Welt: die Dummen sind sich so sicher, und die Gescheiten sind so voller Zweifel!”

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