Dass der Schriftsteller Navid Kermani ein Problem hat, erfahren wir aus einem von ihm in der NZZ veröffentlichten Artikel. (http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/beten_heute_1.686804.html)
Ihm, dem gläubigen Muslim, fehlen Gebetsräume in öffentlichen Institutionen. Dies hat er anlässlich einer Tagung festgestellt. Tagungen und Lesereisen sind bekanntlich die Hauptberührungspunkte des repräsentativen deutschen Schriftstellers mit der Realität. Bei seinen Überlegungen zu dem echten Problem der Gebetsräume beruft er sich auf einen Kronzeugen, den Kollegen Ilija Trojanow, Dieser hat, laut Auskunft von Kermani, das gleiche Problem, zumindest hatte er es auf der gleichen Tagung wie Kermani.
Und weil dieses Problem so wichtig ist, trägt es Kermani jetzt in die Öffentlichkeit. Für alle Fälle. Ich denke, er würde auch genügend Zustimmung finden, sollte er einen entsprechenden Vorschlag machen. Wir wollen ja nicht gleich von Forderungen sprechen. Zunächst einmal könnte man eine Tagung zum Thema „Beten heute“ veranstalten. Dies hätte den Vorteil, dass man sie interkonfessionell planen könnte. Ein Fall für die Evangelische Akademie Tutzing? Es wäre doch ein weiterer Anlass für den Dialog! Statt immer nur von Zwangsehen und Ehrenmorden in Berlin oder Duisburg zu sprechen oder gar von Steinigungen im Iran oder in Nigeria und all dem anderen, was den Dialog nur stört, könnte man so die Rahmenbedingungen für das Gespräch mit Gott unbeschwert ausloten.
Was wir immer schon wussten: Der wahre Schriftsteller, auch jener, der sich zur Realität äußert, zumindest aber zur Gesellschaft, lebt im Elfenbeinturm. Was wir ebenfalls bereits ahnten: Die Tagung ist eine Schnittstelle zwischen dem Elfenbeinturm und der Realität, und zwar eine ziemlich bequeme. Was uns aber erst durch Kermani klar wurde: Luxusprobleme können echte Fragen zwar nicht lösen, sie verhelfen aber ihren Protagonisten dazu, sich aus der Affäre zu ziehen. So lange dem Muslim etwas fehlt, und sei es nur der Gebetsraum, muss er sich nicht mit dem, was er schon hat, auseinandersetzen, zumal wenn es ganz woanders zur Verfügung steht, im Iran oder in Nigeria.
Naturgemäß werden sich genügend Verständnisvolle finden, die sich um die Problematik der muslimischen Gebetsräume kümmern werden. Es sei ihnen gestattet. Zu erinnern aber bleibt doch an etwas, an eine Kleinigkeit: Wir sind eine säkulare Gesellschaft. Und das gilt für alle.