Die Staatsanwaltschaft Essen hat gegen das am 24. Juni gegen Ibrahim El Azzazi ergangene Urteil Revision eingelegt.
Das teilte die Anklagebehörde am Dienstag auf Nachfrage mit. Der auch als „TikTok-Salafist" bekannte El Azzazi wurde vom Landgericht Essen wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von jeweils 50 Euro, also insgesamt 4.500 Euro, verurteilt (Achgut berichtete). Vom Vorwurf der Vergewaltigung wurde er freigesprochen, da diese Tat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine „vollstreckungsfähige Freiheitsstrafe" gefordert. Die Revision wurde bereits am Tag nach dem Urteil eingelegt.
Der ägyptischstämmige Ibrahim El Azzazi gilt als einer der derzeit einflussreichsten islamistischen Prediger Deutschlands. Zumeist tritt er vor mehreren hunderttausend Anhängern als „Scheich Ibrahim" im Internet auf. In den letzten Jahren hatten mehrere Landesverfassungsschutzämter vor seinen Aktivitäten gewarnt, unter anderem, weil sich diese „direkt gegen Staat und Gesellschaft, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den säkularen Rechtstaat richten". Zur Anklage gegen ihn kam es, nachdem die Geschädigte, seine ebenfalls zur Salafisten-Szene gehörende Ehefrau, nach islamischen Recht entsprechende Anzeigen gestellt hatte.
Die Revision dürfte schon allein aufgrund der Ermittlung der Höhe der Geldstrafe nicht aussichtslos sein. So hatte der Kammervorsitzende Martin Hahnemann nach El Azzazis Darstellung, er verdiene „mit der Organisation von Mekka-Pilgerreisen zwischen 2.000 und 5.000 Euro im Monat", keinen Mittelwert gebildet, sondern lediglich 2.000 Euro monatlich angesetzt. Davon zog der Richter auch noch 500 Euro für Miete und andere Ausgaben ab. Laut eines Urteils des Oberlandesgerichts Hamm aus dem letzten Jahr sind derlei Kosten jedoch „grundsätzlich nicht abzugsfähig", da die spürbare Sanktion einer Geldstrafe damit „entwertet" würde.
Das Urteil gegen El Azzazi hatte auch deshalb Kritik hervorgerufen, weil der Kammervorsitzende der Staatsanwältin bei seiner Begründung mit rüdem Ton vorwarf, sie sei bei diesem Fall nur deswegen mit „besonderem Ermittlungseifer" vorgegangen, weil der Angeklagte ein prominenter Salafisten-Prediger sei. Die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann, die das Urteil im Saal verfolgt hatte, schrieb am Tag darauf auf ihrer Facebook-Seite, sie hätte in diesem Moment den Eindruck gehabt, „Zeugin einer speziellen und besonders absurden Männer-Bündelei zu sein".