In China und Indien explodiert der CO2-Ausstoß, in Deutschland implodiert wegen der Null-Emissions-Politik die Wirtschaft. Dies ist Wahnsinn und hat doch Methode.
Der brandneue Bericht Statistical Review of World Energy des Londoner Energy Institutes (früher von BP verantwortet, nun von KPMG und AT Kearney) zeigt, dass die Verminderung der CO2-Emissionen in Deutschland, England, Japan und USA durch das extreme Wachstum in Südostasien zunichte gemacht wird.
Niemand wird den Nachholbedarf von China und Indien infrage stellen. Doch infrage stellen sollten wir sehr wohl, ob das Ziel einer Nullemission bis 2045 in Deutschland gerechtfertigt ist, wenn dies zu einer Zerstörung des Wohlstands in Deutschland führt. Denn selbst wenn Deutschland seine sämtlichen CO2-Emissonen (2023: 589 Millionen Tonnen CO2, Quelle Energy Institute, S.18) auf Null bringen würde, würde dies allein durch das Wachstum in China in einem einzigen Jahr wieder wettgemacht.
Im Mai 2024 ging der Wert der deutschen Exporte kalender- und saisonbereinigt um 3,6 Prozent zurück, besonders dramatisch sank der Export nach China um 10,2 Prozent. Die Industrieproduktion ging im Mai um 2,5 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück und erreichte damit den niedrigsten Stand seit 4 Jahren. Eine der wesentlichen Ursachen sind die nach wie vor deutlich höheren Strompreise in Deutschland. Sie steigen auf Grund der Energiewende durch stark ansteigende Netzkosten sowie durch die hohen Kosten der CO2-Zertifikate von Gas -und Kohlekraftwerken.
Bedrohliche Symptome einer Deindustrialisierung
Daher liegen die Stromerzeugungskosten in Deutschland etwa doppelt so hoch wie in Frankreich und dreimal so hoch wie in China und den USA. Der Arbeitgeberverband Metall und die IG Metall sehen „bedrohliche Symptome einer Deindustrialisierung“. So hieß es in ihrer gemeinsamen Mitteilung: „Die Bundesregierung muss allem voran für konkurrenzfähige Energiekosten sorgen sowie attraktivere Investitionsbedingungen schaffen.“
Seit drei Jahren Ampelregierung werden Jahr für Jahr etwa 100 Milliarden Euro von deutschen Unternehmen im Ausland investiert. Umgekehrt werden nur noch 22 Milliarden von ausländischen Unternehmen in Deutschland investiert. Um die Zahlen einordnen zu können: Das Statistische Bundesamt gibt für die Schaffung eines Arbeitsplatzes eine Investition von 500.000 Euro im produzierenden Gewerbe an. Das bedeutet, dass mit 100 Milliarden Euro Investitionen jährlich 200.000 Arbeitplätze im Ausland geschaffen werden, und das Jahr für Jahr. Das sind die bitteren Folgen einer grünen deutschen Politik, die im Alleingang die CO2-Emissionen auf Null bringen will.
Bis 2030 will Deutschland aus der grundlastfähigen Kohleverstromung aussteigen, nachdem es bereits aus der Kernenergie ausgestiegen ist. Der Bericht des Energy Institutes zeigt das ungebrochene Wachstum der Kohleverbrennung in China und Südostasien und die Wirkungslosigkeit des deutschen Vorgehens zur Reduktion der weltweiten CO2-Reduktion.
Auch pro Kopf emittiert China mehr CO2 als Deutschland
Diese Zahlen sollten allen rot-grün-gelben Träumern von einer Vorreiterrolle Deutschlands und Europas entgegengehalten werden: 56 Prozent des Kohleverbrauchs der Welt findet in China statt. (Quelle: Energy Institute) Warum Träumer? Wir erinnern uns an Frau Baerbocks Aussage im Wahlkampf 2021: „Die nächste Regierung ist die letzte, die noch aktiv Einfluss auf die Klimakrise nehmen kann." Deutschlands Einfluss auf die weltweite CO2-Emission ist nahe Null, belastet aber seine Bürger und seine Industrie mit jährlichen zweistelligen Milliardenbeträgen durch CO2-Abgaben.
Deutschlands Hauptwettbewerber China, Exportweltmeister, produziert Güter ohne Rücksicht auf die Kosten zur CO2-Vermeidung. Seit 2010 hat Deutschland seine Emissionen um 27,7 Prozent reduziert (von 815 Millionen Tonnen CO2 auf 589 Millionen Tonnen CO2). China hat in der gleichen Zeit seine Emissionen von 10.444 Millionen Tonnen auf 12.603 Millionen um 21 Prozent erhöht. (Quelle: Energy Institute, Download S. 18). Seit Beginn der Ampel-Regierung ist die CO2-Verminderung in Deutschland geprägt durch einen Rückgang der energieintensiven Industrieproduktion.
Nun wird bei einem Vergleich Chinas mit Deutschland immer darauf hingewiesen, dass doch China eine viel höhere Bevölkerungszahl hat. Doch teilt man die Emissionen durch die Bevölkerungszahl (83 Millionen in Deutschland bzw 1.425 Millionen in China), so kommt man zu einer Pro-Kopf-Emission in Deutschland von 7,1 t und in China von 8,9 t.
Weltanteil Deutschlands am CO2 nur noch 1,5 Prozent
Von den durchschnittlichen Emissionen der Weltbevölkerung von 5 t CO2/Kopf ist Deutschland nicht mehr weit entfernt. Das Ziel der Null-Emission wird in diesem Kontext immer fragwürdiger. Der Bericht des Energy Institutes (S. 18) liefert darüber hinaus eine neue, wichtige Zahl für die politische Debatte: Deutschland hat 2023 nur noch einen Anteil von 1,5 Prozent an den CO2-Emissionen der Welt.
Es gibt noch zwei weitere Märchen, mit denen der Bericht des Energy Institutes aufräumt. Oft hört man: Indien und China würden ja viel mehr in Solarenergie investieren als in Kohle. Das ist falsch. In Indien wuchs die Stromerzeugung durch Kohle 6,5-mal schneller als durch Solar; in China zweimal schneller. Von der Substitution von Kohle durch Solar ist nirgendwo die Rede.
Das zweite Märchen ist, dass weltweit der Zuwachs an Stromerzeugung durch Solar und Wind größer sei als der Zuwachs der Stromerzeugung durch fossile Energien. Der Ölverbrauch durchbrach in 2023 erstmals die 100-Millionen-Barrel-Grenze (plus 2 Prozent), der Kohleverbauch stieg auf einen neuen Rekord (plus 1,6 Prozent). 81,5 Prozent der Weltprimärenergieversorgung stammt aus Kohle, Öl und Gas. Aber nur 2,7 Prozent stammt von Wind und Solar, den Technologien, auf die Deutschland allein setzt.
Zwar sind die Zubauten an Solarflächen und Windkraftwerken auf Rekordkurs, aber der wachsende Energiehunger ist größer. Der Zuwachs an Kohle, Öl und Gas ist größer als der Zubau an Solaranlagen und Windkraftanlagen.
Trotz der ungebrochenen Dominanz der fossilen Energieversorgung ist keine Katastrophenstimmung und schon gar keine Katastrophenpolitik angesagt. Trägt man nämlich die reale Entwicklung in die Szenarien des Weltklimarats ein, so wird immer deutlicher, dass das katastrophale Szenario (8.5), das eine Verdreifachung der CO2 Emissionen annimmt, völlig irreal ist. Aber mit diesem Szenario wird Politik gemacht. Achten Sie darauf, wenn Sie wieder mal von einer Klimastudie hören, die Katastrophenstimmung erzeugt. Sie fußt dann in der Regel auf diesem völlig irrealen Szenario. Die reale Entwicklung entspricht eher dem 4.5-Szenario mit einem leichten Anstieg bis 2050.
Und obendrauf noch eine neue Stromsteuer
Würde die Bundesregierung die Erkenntnisse des Energy Reviews zur Grundlage ihrer Politik machen, könnte Sie die Zumutungen für Bürger und Industrie – von Heizungsgesetz bis Verbrennerverbot, von Kohleausstieg bis zur unbezahlbaren Wasserstoffwirtschaft – beiseite schieben.
Doch die Bundesregierung legt sich immer weiter auf das Null-CO2-Szenario fest, das auf den irrealen Extremszenarien (u.a. 8.5) des Weltklimarates fußt. Sie hat in ihrem neu vorgelegten Haushaltsentwurf hohe Subventionen für Gaskraftwerke angekündigt, die später auf Wasserstoff umgerüstet werden sollen. Diese Subventionen will Herr Habeck aus dem Klimafonds nehmen, der gespeist wird aus der CO2-Abgabe in den Öl- und Gasrechnungen der Mieter und Vermieter sowie aus der CO2-Abgabe, die die Autofahrer an der Tankstelle zu entrichten haben (siehe auch hier).
Die Bundesregierung räumt ein, dass trotz dieser Subvention diese Wasserstoffkraftwerke nur dann wirtschaftlich betrieben werden können, wenn der CO2-Preis für Kohle- und Gaskraftwerke weiter steigt. Mit anderen Worten, die Bundesregierung räumt ein, dass der Preis des Wasserstoffkraftwerksstroms deutlich höher liegen wird als die heutigen Strompreise.
Man kündigt auch schon an, dass man zur Finanzierung dieses teuren Wasserstoffstroms die Verbraucher durch eine neue Stromsteuer zur Kasse bitten wird. Diese Steuer soll aber – so wird beruhigt – lediglich im niedrigen Nachkommastellenbereich liegen. Das hört sich an wie die Kugel-Eis-Schätzung der Energiewendekosten durch Jürgen Trittin. Wie sagte Robert Habeck im Januar 2022 zu seinen Energiewendeplänen: „Voll ins Risiko – und vielleicht gelingt es ja auch". Diese Energiepolitik gehört dringend abgelöst.
Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Er war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus seiner monatlichen Klimakolumne, die Sie hier bestellen können.