Archi W. Bechlenberg / 18.11.2018 / 14:30 / 21 / Seite ausdrucken

Rettet die Lindi!

Seit 1985 wird diese TV-Serie den begeisterten Zuschauern Sonntag für Sonntag dargeboten. Seit 1985! Eine unvorstellbar lange Zeit, so unvorstellbar, dass man sie versinnbildlichen muss. 1985, das war 20 Jahre vor Angela Merkels Kanzlerwerdung! Millionen Deutsche wissen gar nicht, dass es schon vor 2005 Kanzler gab, und zwar andere! Aber sie wissen, dass es die Lindenstraße gibt, wenn auch nur gespielt. Um das Alter der Lindenstraße noch deutlicher zu machen: Die 1000. Folge wurde am 30. Januar 2005 ausgestrahlt. Aber erst Monate später, am 22. November des selben Jahres, begann die erste Folge von Angela Merkels Kanzlerschaft. 

Und nun das! Im Frühjahr 2020 soll die letzte Folge der Lindenstraße ausgestrahlt werden. Sparmaßnahmen werden als Grund genannt, außerdem schwinde im Land erkennbar die Zahl der Menschen, die schon länger hier gucken. Von einem gewöhnlich gut informierten Informanten erfuhr ich, dass es Pläne gab, eine Nachfolgeserie in Berlin Neukölln oder dem Hamburger Schanzenviertel spielen zu lassen; dies war jedoch aus Kostengründen nicht realisierbar, da die von den dortigen Bezirksbeauftragten verlangten Schutzgebühren jeden Etat gesprengt hätten.

Und das Geld ist knapp. „...unsere unvermeidbaren Sparzwänge sind nicht vereinbar mit den Produktionskosten für eine solch hochwertige Serie.“ So Volker Herres, Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen.

Hans W. Geißendörfer, der Schöpfer der Lindenstraße, zeigt sich geschockt. Die Lindenstraße stehe, so der Regisseur, für „politisches und soziales Engagement, für Meinungsfreiheit, Demokratie, gleiche Rechte für alle und Integration“, was „in Zeiten von Rechtsruck und Ausländerfeindlichkeit wichtiger denn je“ sei. 

Die Erziehungsserie Nummer 1 wird eingestellt?

„In Zeiten von Rechtsruck und Ausländerfeindlichkeit“ wird die Erziehungsserie Nummer 1 im deutschen Fernsehen, eingestellt? Hallo? Die Sache stinkt doch zum Himmel! Zwar haben längst auch andere Genres das Einpauken der richtigen Gesinnung per Flimmerkiste übernommen, so die Krimis des Tatorts und des Polizeiruf 110. Aber die Lindenstraße war immer vorneweg, wenn es um Unterhaltung mit politischem Mehrwert ging. Ausgerechnet dem Bannerträger droht jetzt das Ende?

Gemach. Mein zweiter, stets blendend informierter Informant hat mir verraten, wie der Hase läuft. Man will schlicht und einfach mehr Geld. Gebührenerhöhung muss her, und zwar zackig! Und so hat man sich hinter den ARD Kulissen einen kaum scheiterbaren Plan ausgedacht. Wir drohen den Leuten, dass wir nach und nach alle Sendungen „aus Kostengründen“ einstellen müssen. Mit der Lindenstraße fangen wir an, sie ist quasi unser Pilotprojekt. „Wollt ihr weiter Lindenstraße gucken? Kein Problem, zahlt einfach ein paar Euro mehr im Monat.“ Sollte das nicht zünden, geht es weiter.  „Fußballländerspiele? Tja, dumme Sache, aber wir müssen nüchtern und mit Bedauern  feststellen... “Krimis? „So sehr der Abschied auch schmerzt... “Tagesschau? „Wir bedauern, dass wir keine Möglichkeit mehr sehen, die Serie fortzuführen...“

Es ist also, sollten die Informationen meines stets blendend informierten Informanten stimmen, kein Grund zur Panik. Aktivisten müssen die Straße nicht mit Barrikaden sichern und keine Baumhäuser in den Linden bauen. Der Schuss vor den Bug der Zwangszahlenden sollte reichen, das Gebührengeld wird fließen, und dann geht es weiter, die nächsten 30, 40, 50 Jahre. Kanzlerin Merkel wird es sicher auch noch so lange machen. 

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Bechlenberg Archi W. / 18.11.2018

Ich wollte das ja im Text nicht erwähnen, sonst hätte man mir vorgeworfen, ich würde über etwas schreiben, von dem ich keine Ahnung habe. Aber jetzt kann ich gestehen: ich habe noch nie auch nur eine Folge von Lindenstraße gesehen. Anfangs, weil es mich einfach nicht interessierte, in deutsche Wohnküchen zu gucken, später, weil ich mitbekam, dass über das Vehikel Familien-Saga “korrekte” Gesinnung eingepaukt wurde. Dazu musste man das nicht sehen, die Serie wurde medial ja stets umfassend begleitet, Von daher: ab dafür! Ich kann mir gut vorstellen, wie der Alt 68er Volks(um)erzieher Geißendörfer jetzt schäumt. “Da habe ich jahrzehntelang das Volk auf Linie konditioniert, und so dankt ihr mir das jetzt!” Insofern bin ich noch nicht davon überzeugt, dass der spießige Spuk wirklich demnächst zu Ende sein wird.

Manni Meier / 18.11.2018

Ceterum censeo Tatortinem esse delendam! Cum exceptione Professor Boerne und Kommissar Thiel selbstverständlich!

E. Albert / 18.11.2018

Gar keine schlechte Idee. Alles einstellen. Sofort ALLES einstellen. - Gilt das dann auch für den Gebührenzahler? Habe mich erst kürzlich wieder fürchterlich geärgert, dass ich für Propaganda, die ich mir schon lange nicht mehr antue, auch noch bezahlen muss! Wie wäre es einmal damit: sich dem Wettbewerb stellen. Und zwar auf eigene Kosten! Dann kämen die ÖR endlich einmal in der Realität an!

Hubert Bauer / 18.11.2018

Man sagt ja immer, dass in der Lindenstraße der erste Kuss zwischen zwei Männern im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. Erst letzte Woche sah ich eine Sendung mit Sketchen von Loriot. Da haben sie eine Parodie auf Staatsempfänge gezeigt und da hat ein russischer Politiker seinen männlichen Sketchpartner intensiver geküsst, als es sich der härtester linksgrüne Lindenstraßenfan vorstellen kann. Und der Sketch dürfte schon gedreht worden sein, bevor die Lindenstraße überhaupt erfunden wurde.

Helmut Bühler / 18.11.2018

Mein gewöhnlich ebenfalls gut informierter Informant sagt, die Serie wird eingestellt weil ihr Publikum, die gesellschaftlich interessierte und informationsbeflissene Hartz4-Gemeinde, vor einem großen soziokulturellen Umbruch steht. Demnächst stellen da unsere Schutzsuchenden die Mehrheit. Es wäre also wenig kultursensibel, den Kartoffelfunk weiterzuführen. Nach einer kurzen Pause wird dann das neue Format “Balkanroute” an den Start gehen. Wenn nicht vorher das Kalifat ‘almania ausgerufen wird sind ihm ebenfalls 1000 Folgen sicher.

Rudi Knoth / 18.11.2018

Die richtige Lindenstraße in München liegt laut Google Earth in Harlaching.

Rolf Menzen / 18.11.2018

Welche Sparzwänge? Fressen die Rückstellungen für die Pensionszahlungen schon die Zwangsgebühren auf?

P.Steigert / 18.11.2018

Ich glaube, der Autor hat die Entwicklung verschlafen. Inzwischen schauen die Leute Netflix. Egal, ob man nebenbei sowieso Zwangsgeld für Propaganda gegen die eigenen Interessen abdrücken muss. Deswegen wird jetzt die EU aktiv (echt) und verlangt, dass 30% lokale Inhalte im Streaming-Angebot vorkommen müssen. Also läuft die Lindenstraße dann bestimmt dort und heißt dann wohl “Seltsamere Dinge in der Lindenstraße”.  Und wenn man das nicht mindestens 10 Stunden pro Monat kuckt, wird das ideologiefreie Restangebot nicht freigeschaltet.

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