Der Film «Fitna» von Geert Wilders wurde im Westen heftigst kritisiert. Der Streifen des niederländischen Politikers stachle zu Hass auf, indem er den Islam fälschlicherweise mit Gewalt gleichsetze. Diese Vorwürfe sind falsch, wie ein Studium des Korans zeigt.
Selten war die Empörung der Gutmeinenden so einhellig. Und selten war sie so unreflektiert. Schon lange bevor irgendjemand den angekündigten islamkritischen Film gesehen hatte, wurde er heftig abgelehnt und der Name seines Autors, Geert Wilders, nicht ohne das diffamierende Beiwort «Rechtspopulist» ausgesprochen. Als der 16-minütige Streifen mit dem Titel «Fitna» – fitna bedeutet Verwirrung, Zwietracht, Bürgerkrieg, auch Verführung zum Abfall vom rechten Glauben – schliesslich im Internet gezeigt wurde, beeilten sich sämtliche Aussenminister der EU, sich von ihm zu distanzieren: Er diene zu nichts anderem, als «zum Hass aufzustacheln». Und der Generalsekretär der Uno, Ban Ki Moon, schwang sich zum obersten Filmkritiker der Welt auf und geisselte das Wilders-Elaborat «in schärfster Form». Dass der britische Provider wegen ernsthafter Morddrohungen gegen seine Mitarbeiter «Fitna» nach kurzer Zeit wieder vom Netz nehmen musste, war den besorgten Hütern von friedlichem Dialog und gegenseitigem Respekt allerdings keinen Protest mehr wert.
Und was zeigt der Film des niederländischen «Rechtspopulisten Wilders»? «Fitna» wendet sich mit Leidenschaft gegen jene Muslime, die einen totalitären Gottesstaat errichten wollen, die Ehebruch mit Steinigungen verfolgen und denen zur Homosexualität nichts anderes einfällt als die Todesstrafe. Der Film prangert jene an, die mit Plakaten gegen die Freiheit und für die Tötung von Ungläubigen demonstrieren, er macht mobil gegen Menschen, die Adolf Hitler verehren und den Judenhass predigen. Und er belegt mit Zitaten, dass sich die Fanatiker bei ihren Handlungen auf den Koran berufen können.
Anders als die Politiker und Journalisten, die ihn lauthals kritisieren, geht der liberale Abgeordnete Wilders mit seinem Engagement ein tödliches Risiko ein. Ohne Leibwächter kann er sich schon lange nicht mehr bewegen. Er sei selber schuld, ist die unterschwellige Botschaft derjenigen, die wie beispielsweise das Magazin Spiegel ihm vorwerfen, mit seiner «wüsten Collage von Horror- und Zerrbildern des Islam» die Gefühle der Muslime mutwillig zu verletzen. Doch auch wenn Wilders seine Botschaft plakativ verkürzt kundtut, weist sie auf ein Problem hin, das in unseren Demokratien kaum jemandem bewusst ist: die theologischen Zusammenhänge des Mordens im Namen des Islam.
All die plötzlichen Islamkenner, die Wilders’ «Machwerk» verurteilen und die zu wissen meinen, dass der wirkliche Islam Frieden predigt, lade ich ein, den Koran zu lesen. Der Koran, das heilige Buch der Muslime, ist ein Buch, in dem die Verbalwurzel qtl, «töten», 187-mal vorkommt, davon 25-mal im Imperativ (z.B. Sure 4, 89 und 91; Sure 9, 4 und 14 und 29). Das Zitat «Tötet sie, wo ihr sie findet!» ist einem Zusammenhang entnommen, in den es bestens hineinpasst. Im Koran wird allen Ungläubigen immer und immer wieder «schreckliche Strafe» im Diesseits wie im Jenseits angedroht; die Wurzel ’db, «strafen/Strafe», ist im Koran über 400-mal belegt.
Wilders zitiert Sure 4,?56, wo es heisst: «Siehe, diejenigen, die nicht an unsere Zeichen glauben, di e werden wir mit Feuer rösten. Jedes Mal, wenn ihre Häute gar gebraten sind, tauschen wir sie gegen andere Häute aus, damit sie die Strafe auskosten. Siehe, Gott ist allmächtig, allweise.» Aus dem Zusammenhang gerissen? Obsessiv hämmert der Koran dem Leser ein, wie schrecklich die Strafen sind, welche die Ungläubigen in der Hölle erdulden müssen. Mit sadistischer Genauigkeit werden immer neue Foltern beschrieben. Die auswechselbaren Häute in dem angeführten Zitat sind nur ein Beispiel. Der Leser kann sich auch über die faulen Früchte des Zaqqûm-Baumes, das flüssige Erz und die glühenden Schürhaken informieren, die ihn in der Hölle erwarten (Sure 4, 51 ff.; 22, 19 ff.; 37, 64 ff.; 44, 43 ff.; 56, 55). Bitte, ich frage die Muslime: «Wie geht ihr damit um? Was geschieht mit den Seelen der Kinder, die in Koranschulen überall in der Welt dieses Buch auswendig lernen?»
Militanter Ur-Islam
Religion, Gewalt und Politik: Wir hatten es im ehemals christlichen Abendland schon längst verlernt, zwischen diesen Bereichen noch einen Zusammenhang zu sehen. Aber das Wiedererstarken eines militanten Ur-Islam hat uns mit brutaler Deutlichkeit vor Augen geführt, dass dieser Zusammenhang immer noch besteht, wie seit Jahrtausenden. Dass er bei uns nicht mehr als solcher empfunden wird, liegt daran, dass es den Verfechtern von Freiheit und Aufklärung in Jahrhunderten des Kampfes mit kirchlichen Autoritäten gelungen ist, der Religion den Giftstachel zu ziehen. Von den christlichen Kirchen droht schon lange keine Gefahr mehr. Wir meinen, das müsse in jeder Religion so sein, denn Religion sei, so denken wir, etwas grundsätzlich Gutes. Ist das so?
Der Islam treibt den im Judentum und im Christentum angelegten Absolutheitsanspruch auf die Spitze. Vom «Siegel der Propheten» (so Mohammed über sich selbst) wird der Anspruch, Verkünder der endgültigen Wahrheit zu sein, so absolut und unwiderruflich erhoben wie von keinem anderen Religionsstifter. Dass er zum bewaffneten Kampf, zum Töten der Ungläubigen aufruft, ist nur folgerichtig, zumal bei einem Araber jener Zeit, als Krieg zwischen verfeindeten Stämmen so selbstverständlich zum Leben gehörte wie das tägliche Brot. Im Gegensatz zu Jesus, Buddha usw. war Mohammed ein General, der seine Truppen in den Krieg führte. «Tötet sie, wo ihr sie findet!» – ein solcher Aufruf hatte für einen Araber, der in der Wüste täglich um sein Überleben zu ringen hatte, nichts Schockierendes.
Die Sache hat nur einen entscheidenden Haken: Der Koran ist im muslimischen Selbstverständnis nicht irgendein Buch, nicht ein Geschichtswerk von allenfalls musealem Interesse, sondern unmittelbare Inkarnation Gottes. Die Urschrift des heiligen Buches liegt seit Anbeginn der Zeit im Schosse Gottes. Kein Buchstabe kann an dem heiligen Text geändert werden, keine Silbe ausgelassen, kein Wort eliminiert werden, bis zum Jüngsten Gericht. Die Christen unter uns glauben daran, dass sich Gott in einem Menschen inkarniert hat; die Muslime glauben an seine Inkarnation in einem Buch. Es ist «eine Herabsendung vom Herrn der Welten» (Sure 32, 2), «das Buch, in dem kein Zweifel ist» (Sure 2, 2). Was also tun, wenn in diesem Buch verkündet wird: «Tötet sie!» Natürlich bezieht sich Mohammed damit auf die Ungläubigen, die zu seiner Zeit der jungen Religion das Leben schwergemacht haben. Aber bezieht er sich damit auch auf die Ungläubigen aller Zeiten und Räume? In diesem Buch, das für alle Zeiten und Räume gilt?
Man kann es so verstehen. Es bedarf keiner Verbiegung, um es so zu verstehen. Ganz gleich, was Mohammed wirklich gepredigt und getan hat, ganz gleich, ob er überhaupt gelebt hat, ob historisch der Koran von ihm stammt oder – wie heute manche Forscher im Westen meinen – von einem genialen Nachfolger, dieses Gotteswort steht da, für alle Zeiten. Der Koran in seiner kanonischen Form, unveränderlich, unbezweifelbar, unantastbar. Er wird auswendig gelernt von der ersten bis zur letzten Zeile, mit einer Inbrunst, die für uns hierzulande unvorstellbar ist. Und da steht es viele Male: «Tötet sie! Tötet sie! Tötet sie!» Jesus sagte: «Stecke das Schwert in die Scheide! Liebet eure Feinde!» Das muss man verdrängen, wenn man zum Kreuzzug aufruft. Mohammed sagt: «Tötet die Ungläubigen!» Das bedarf keiner Verdrängung. Was hier gepredigt wird, ist Krieg und Gewalt.
Natürlich kann man, muss man sagen: Das war zeitbedingt, die Bedingungen sind heute ganz andere als zur Zeit des Propheten. Jeder vernünftige Mensch tut dies, jeder normale Muslim denkt so. Aber darf man so denken? Darf man Gottes Wort relativieren? Immer wieder bricht aus der Tiefe der Zeit die kriegerische, die gewalttätige Botschaft des Ur-Islam hervor. Die intelligenten und aufgeklärten unter den islamischen Theologen der Gegenwart wissen natürlich, dass man sich nicht auf die Zeiten des Propheten berufen kann, um heutige Gräueltaten zu rechtfertigen. Aber diese Theologen sind nicht sichtbar. Kritische Geister werden in der islamischen Welt eingeschüchtert durch die Androhung physischer Gewalt, angegriffen oder gar getötet.
Ein Mufti ist jemand, der eine Fatwa erlässt. Wo ist der Mufti, der weithin hörbar eine Fatwa gegen das Morden im Namen des Islam erlässt? Bei Salman Rushdie war die Fatwa rasch zur Hand. Der Autor musste wegen ein paar Stellen in seinem Roman jahrelang in den Untergrund gehen und unter Polizeischutz leben, weil er von einflussreichen Geistlichen für vogelfrei erklärt worden war. Wenn es tatsächlich so ist, dass al-Qaida den Koran verfälscht und den Islam verrät, warum erhebt sich kein Mufti, der eine Fatwa gegen Osama Bin Laden erlässt? Warum werden die Bombenwerfer nicht «zu Ungläubigen erklärt» (arabisch takfîr)? Ist Osama Bin Laden ein frommer Muslim? Oder pervertiert er die Botschaft des Propheten? Wenn er sie pervertiert, muss er per Fatwa aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgestossen werden. Wenn nicht, ist dann an der Botschaft etwas grundlegend falsch?
«Im Namen Gottes, des Gnädigen»
Wir erwarten zunächst und vor allem von den muslimischen Geistlichen klare, deutliche, öffentliche Antworten auf solche Fragen. Die Auseinandersetzung mit dem Islam ist nicht in erster Linie ein soziales, ethnisches oder kulturelles (und schon gar kein militärisches) Problem; es geht um Theologie, denn von den geistigen und geistlichen Grundlagen hängt das Denken und Verhalten der Menschen ab. Geert Wilders ruft am Ende seines Filmes die Muslime dazu auf, die anstössigen Seiten aus dem Koran herauszureissen. Vielleicht müssen sie diese Seiten gar nicht herausreissen, es genügt schon, sie konsequent historisch zu relativieren. Die Muslime können mit ihrem Buch nicht unreflektiert weiterleben und seine gefährlichen Seiten einfach ignorieren. Von jeder Kanzel, in jeder Koranschule müssen die Geistlichen verkünden, dass die prophetische Offenbarung zeitbedingt ist, denn sonst werden immer wieder junge, verführbare Menschen die blutigen Tötungsaufrufe wörtlich nehmen.
«Im Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen» – das ist der Leitspruch des Islam; es sind die Worte, die 113 der 114 Suren einleiten und die jeder Muslim zeit seines Lebens auf den Lippen und im Herzen führt. Auf dieser Grundlage ist eine islamische Theologie des Friedens möglich. Nicht Menschen, die eine Diskussion anstossen, sind das Problem, sondern Menschen, die wahllos töten oder zum Töten aufhetzen. Nicht Geert Wilders, sondern Osama Bin Laden.
Der Autor ist Professor an einer renommierten europäischen Universität. Aus Sicherheitsgründen schreibt er unter einem Pseudonym.
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