Als hoffnungslos verklärter Optimist versuche ich mich etwa einmal jährlich im Bahnfahren. Inzwischen kenne ich “meinen” DB-Sachbearbeiter, der meine Reklamationen bearbeitet -und deswegen mit mir auch telefoniert- schon besser, als meine Nachbarn: - ein ICE, der um 23.30 Uhr in meiner Heimatstadt ankommen sollte, kam um 4.35 Uhr an. Die Auslage fürs Taxi wurde mir erst nach einiger Hin-und-her-Schreiberei und erheblichem Druck ausbezahlt - zu geil auch meine gescheiterte Sitzplatzreservierung für eine 400km-Reise quer durch Deutschland: mein Automaten-Ticket nannte denselben Sitzplatz, dieselbe Zugnummer und Uhrzeit wie die online-Bestätigung, die mir eine junge, sehr sympathische Dame auf ihrem Smartphone zeigte. Da freute ich mich wenigstens über eine neue Bekanntschaft. Leider hatte diese Kinder und Ehemann im Schlepptau ... - die “lustigste” Begebenheit lieferte der DB-betriebene ÖPNV: auf dem Weg zu einem Termin am Stadtrand (geplante “Reise"zeit: ca. 30 Minuten) kam ich in den Genuß nennenswerter Umwege und einer großzügigen Verdreifachung der Fahrtzeit. Der Grund ist ganz einfach: der Zug durchfuhr den von mir geplanten Ziel-Bahnhof ohne Ankündigung ohne zu halten. Eine Lautsprecherdurchsage klärte im Nachhinein auf: Grund war das „Aufholen einer Verspätung“. Da ist es doch völlig egal, daß meine Fahrkarte nur bis zu dem von mir geplanten Zielbahnhof gültig war. Eine Fahrscheinkontrolle unterblieb an diesem Tag. Weshalb eigentlich? - Anreise zu einem Konzert per DB: Ich gelangte 40 Minuten vor planmäßiger Abfahrt am Bahnhof an, samt Ticket und Sitzplatzreservierung. Mein Zug erschien nicht in der Anzeigetafel. Auf Nachfrage am Servicepoint wurde mir erklärt, daß der Zug soeben, also gut 30 Minuten zu früh (!) abgefahren sei. “Abgefahren” auch die Begründung: wegen Baustellen verlängerte sich die Fahrtzeit, und nur eine frühere Abreise sichere eine fahrplanmäßige Ankunft am Zielort. Ich könnte noch mehr schreiben. Aber jetzt brauch ich erstmal einen Schnaps.
Ich war mal überzeugte Bahnfahrerin. Nach vielen ähnlichen Erlebnissen zwischen 2006 und 2013( Kaputte Klimaanlage, Drehfahrt in Frankfurt wegen defekter Klimaanlage im Führerstand, vereisten Weichen, ausgefallener Heizung,verdreckten, zugemüllten Abteilen auch in der 1.Klasse, Dauerbaustellen, langen Aufenthalten auf dreckigen Bahnhöfen wegen Verspätungen, geschlossenen Toiletten….) habe ich mir ein Auto mit Navi gekauft. Nun habe ich es weitestgehend selbst in der Hand, ob ich zu spät komme…Die Autobahnklos sind auch meist geöffnet… Den Verantwortlichen empfehle ich mal eine mehrmonatige Hospitation in Japan. Dort sind Züge pünktlich, werden stets gereinigt, halten immer an den gekennzeichneten Stellen, sodass man sein Gepäck nicht auf Platzsuche quer durch den Zug ziehen muss. Der Zugführer ist kompetent und zu Recht stolz auf sein Unternehmen. Auch die Bahnhöfe sind extrem sauber. Den Grünen empfehle ich, sich mal um so was zu kümmern, anstatt auf den Diesel einzuschlagen.
Ein “unterhaltsamer” Bericht - wie krass die Veränderungen sind, wurde mir im Sommer in Litauen bewusst. Zwar kann sich das dortige Bahnnetz nicht mal annähernd mit dem unseren vergleichen hinsichtlich Dichte, aber bei meinen beiden Fahrten im Land waren die Züge pünktlich, blitzsauber und bestens funktionierend einschließlich WLAN, es gab ansprechbare, höfliche Zugbegleiter. Die größte positive Überraschung stellte der Bahnhof in Vilnius dar, denn auch er war sauber, auf reflexartige Schutzgriffe zum Gepäck konnte man verzichten, in der Halle stand ein Klavier, eine junge Fau spielte darauf und einige Jugendliche saßen entspannt (ohne Alkohol!) auf Sitzsäcken - eine geradezu idyllische Stimmung…
So sind sie, die Kartoffeln. Statt sie froh sind, dass sie nicht mehr mit der Postkutsche rumpeln müssen, dass Züge nicht mehr überfallen und ausgeraubt werden, dass es in der Regel eine Getränkeversorgung im Zug gibt, wird nun sogar am neuen körperlichen und geistigen Fitnessprogramm der Bahn rumgenörgelt. Eine Fahrt mit der Bahn ersetzt das abendliche Fitnessstudio und das kostenneutral. Gute Fahrt!
Besonders lustig wird es dann, wenn man Sparangebote frühzeitig gekauft hat. Da man auf die Züge festgelegt ist, hilft auch kein Ausweichen auf “parallele” Zugverbindungen.
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