Corona-Reisen bildet: Einmal Schweden – Spanien und zurück

Nachdem wir unsere jährliche Spanienreise zu Ostern 2020 nicht durchführen konnten, war es dieses Jahr wieder so weit. Die Coronawetterlage in Südspanien zu Ostern war ausgezeichnet (was man auch in Deutschland mitbekommen hat), und als Bewohner nördlicher Breiten (Stockholm) mit seinen langen und dunklen Wintern ist es jedesmal ein Privileg und Vergnügen, ein wenig Sonne und Wärme im April zu tanken (auch dieses Jahr hat es mehrere Male in Stockholm geschneit, während wir in Spanien in der Sonne wandelten).

Spanien würde uns reinlassen (mit frischen Coronatests) und auch Schweden würde uns wieder nach Hause zurück lassen. Dass Letzteres überhaupt erwähnenswert ist, ist schon erstaunlich, aber für den deutschen Leser durchaus interessant, denn Deutschland hat klar gemacht: „Die Infizierten lassen wir nicht wieder rein“ (nun ja, jedenfalls die deutschen Staatsbürger, die sich rücksichtslos im Ausland mit der falschen Krankheit infiziert haben; Moralversager werden nicht reingelassen).

Schweden hingegen hält sich an sein Grundgesetz und hat klargestellt, dass man als schwedischer Staatsbürger (oder mit Aufenthaltsgenehmigung) immer einreisen darf. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Aber in den Zeiten der Corona ist in vielen Ländern vieles nicht mehr selbstverständlich.

Flugzeug voll mit reisefreudigen Schweden

Frohgemut begab ich mich also mit meinen beiden Töchtern (meine Frau musste als Ärztin im Krankenhaus auch in der Osterurlaubswoche ihre Pflicht leisten) zu unserem allerersten Coronatest in der Stockholmer Innenstadt. Die Töchter waren froh, weil sie zwei Stunden schulfrei bekamen („Wie bitte, schulfrei?“, fragt sich vielleicht der eine oder andere schulschließungsgewohnte Deutsche. Ja, es stimmt, die beiden gehen jeden Tag zur Schule und haben dies fast das gesamte letzte Jahr so gemacht; ohne Maske übrigens) und ließen die einigermaßen unangenehme Prozedur deshalb einigermaßen klaglos über sich ergehen.

Ich bekam beim Stochern in meinem Rachen einige Male Brechreizanfälle, biss aber die Zähne zusammen (metaphorisch natürlich) und es war vollbracht. Einige Stunden später hielten wir dann unsere Reisetauglichkeitsbescheinigung in unseren Händen und zwei Tage später saßen wir dann (endlich mal wieder) in einem Flugzeug, in dem man ein ungewöhnliches Bild sehen konnte: ein Flugzeug voll mit reisefreudigen Schweden mit Masken im Gesicht (Letzteres ist immer noch eher ungewöhnlich in Schweden, auch wenn in der U-Bahn jetzt freiwillig mehr Maske getragen wird).

Die eine Woche in Spanien verlief dann recht ereignislos. Wir genossen die Sonne (und auch den Regen), hielten uns größtenteils von den Spaniern fern (aus Rücksichtnahme gegenüber den Spaniern) und genossen die Gesellschaft meiner Mutter, der Großmutter meiner Töchter, die sich sehr mutig aus Deutschland hergetraut hatte, trotz ihres höheren Alters und der Moralkeule, die in Deutschland fleißig geschwungen worden war; samt Androhung, sie nicht wieder reinzulassen. Immerhin war sie schon (einmal) geimpft, sonst hätten wir die Reise wohl nicht unternommen.

Nicht umarmen, weil es sich verboten anfühlt

Was die Maske angeht, die man in Spanien fast überall tragen muss (was auch alle tun, auch wenn der Nutzen wohl zumindest im Masseneinsatz zweifelhaft ist; zumindest hat es Spanien nicht vor der ersten, zweiten oder dritten Welle bewahrt; und auch die „Opferzahlen“ pro Kopf liegen deutlich über Schweden; was eigentlich mit Maske gar nicht möglich sein dürfte), musste ich mich erstmal daran gewöhnen sie nicht zu vergessen. Sogar noch am letzten Tag ging ich des morgens (noch etwas schläfrig) in einen Supermercado, ohne die Maske aufzusetzen. Als ich dann die Augen aufmachte und aller maskenbewehrten Einkäufer gewahr wurde, traf es mich wie ein Blitz und ich lief schamesrot (naja), mit dem Ellenbogen vor dem Gesicht, zum Auto, um meine Maske zu holen. Zum Glück hatte es niemand gemerkt (oder sie machten gute Miene zum bösen Spiel).

Auf dem Flughafen (natürlich mit Maske) war es dann Zeit, sich von meiner Mutter zu verabschieden; sie nach Deutschland und ich mit den Töchtern nach Schweden. Zum Glück gelang es ihr einen Tag zuvor, einen negativen Coronanachweis zu bekommen, so dass sie damit rechnen konnte, dass die deutschen Behörden die über 80-jährige Dame wirklich in ihr Heimatland zurücklassen würden.

Ganz zum Schluss fragte ich sie, ob ich sie umarmen dürfte (eigentlich eine lächerliche Frage), aber sie traute sich nicht. Nicht aus Angst vor Corona (wir hatten gerade eine Woche zusammen verbracht und sie ist teilgeimpft), sondern weil es sich verboten anfühlte.

Als ich dies meiner Frau nach meiner Rückkehr erzählte (zum Glück traut sie sich noch, mich in der schwedischen Öffentlichkeit zu umarmen und zu küssen), sagte sie: „Diese Coronaangst, die macht was mit den Köpfen. Und, es geht schnell.“

Da hat sie so recht, ich habe es selbst gemerkt. Es war zwar ein großes Vergnügen von uns drei Reisenden, am Flughafenausgang die Masken in die Mülltonne zu pfeffern; aber, die ersten zwei Male beim Einkaufen in Schweden hat es mich dann doch durchzuckt: „Oh nein, ich habe meine Maske vergessen!“ Zum Glück ist das schnell vorübergegangen. Aber ich habe auch nur eine Woche in „Coronaland“ verbracht. Was macht ein Jahr ständige Coronaangst mit den Köpfen der Menschen?

Erzähl das mal einem Deutschen im April 2021

Was erwartet uns in der Zukunft? Frei nach García Márquez: „cien años de soledad?“ – hundert Jahre Einsamkeit? Weil es nicht vorbeigehen wird. Die nächste Mutante kommt bestimmt. Aber 100 Jahre werden es wohl nicht werden, denn auch Einsamkeit (oder Mangel an Umarmungen) tötet.

Wie wichtig manche Dinge sind, merkt man erst, wenn man sie nicht mehr hat. So ist es auch mit dem Reisen. Reisen bildet, man bekommt Perspektive und man sieht, dass nicht alles so wie zu Hause läuft. Wenn man den Menschen das Reisen „verbietet“ (sei es wegen Corona oder wegen des Klimas), verändert dies die Möglichkeiten der Menschen, Alternativen zu sehen. Für mich war es eine sehr wertvolle Erfahrung, eine Woche in „Coronaland“ zu verbringen. Um so mehr wusste ich dann die Freiheiten hier in Schweden zu schätzen (trotz aller Einschränkungen, die aber – ganz wichtig – größtenteils auf Freiwilligkeit beruhen).

Daran dachte ich, als ich neulich (hier in Stockholm) mittags an einem Schulhof vorbeikam, auf dem, an einem warmen und sonnigen Apriltag, massenweise maskenfreie Schulkinder unbekümmert spielten. Als ob alles wie immer wäre. Erzähl das mal einem Deutschen im April 2021. Glaubt einem keiner. Muss man selbst gesehen haben.

Foto: Adrian Pingstone via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sandra Müller / 20.04.2021

Ich gebe zu, mittlerweile sehr emotional zu reagieren, wenn es um unsere beiden Grundschulkinder geht. Beim Lesen des letzten Absatzes war es dann so weit, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich bin unfassbar wütend auf unsere Regierung!...

Rolf Menzen / 20.04.2021

@Andreas Rühl: Meiner Kenntnis nach sind die Schweden Lutheraner und keine Calvinisten.

Torsten Hopp / 20.04.2021

Das passiert, wenn man sich an sein Grundgesetz hält. Eigentlich das Normalste der Welt.

Sabine Schönfelder / 20.04.2021

Es ist so traurig und authentisch, was Sie uns berichten. Diese herzlosen, kalten Tyrannen tragen eine ständig wachsende Schuld auf ihren geld- und machtgeilen Buckeln. Dabei kann sich Sánchez einen kompletten Shutdown NICHT LEISTEN und läßt wenigstens die Geschäfte, Restaurants und Kleinstveranstaltungen zu. Wenn Sie in spanische Seitengassen abtauchen, treffen Sie abends singende, gröhlende und tanzende Jugendliche mit einem Fläschchen „Desinfektionsmittel“  in der Hand, maskenlos. Und ich freue mich, wenn ich von Angesicht zu Angesicht in lachende Gesichter schauen darf. Die Jugend, die heranwächst, spürt, daß es keine Pandemie gibt. Sonst wären sie schon längst tot, oder wenigstens krank. Danke für einen interessanten Reisebericht. Sie sollten nicht zu obrigkeitshörig sein, besonders wenn es sich UM OFFENSICHTLICHEN, faschistoiden Schwachsinn handelt. In Bayern dürfen Sie während der Ausgangssperre nicht einmal auf den eigenen Balkon. Wie irre muß man sein, um so etwas zu befolgen???

Reinmar von Bielau / 20.04.2021

Bin gerade beruflich in Schweden und kann nur sagen, dass ich mich Sau wohl hier fühle. Keine Einschränkung des normalen Lebens und auch keine Corona Hysterie, wie in Deutschland. Alles ohne Maske. Danke liebe Schweden, dass ihr die Demokratie aufrecht erhalten habt! Nein, hier gibt es keine Leichenberge, sondern nur nette Menschen, die mit Corona weiter leben, anstatt sich in einen Dauerangst Zustand zu begeben.

Karl Meier / 20.04.2021

Es ist doch überall so mit den Masken.Mit=mehr kranke. Die einzige logische Erklärung ist das sich Viren etc. in der Maske erst recht vermehren und wieder eingeatmet werden. Auf gatewaypundit können sie auch gerade lesen das es wieder eine Studie der Stanford University gibt die sagt das Masken nichts bringen und zu gesundheitlichen Problemem führen können.Links dazu sollen in den Sozialen Netzwerken blockiert werden…

Andreas Rühl / 20.04.2021

Vor ein paar Wochen war ich Samstag auf meiner Einkaufstour im “Tegut” um die Ecke. Wie es sich für einen Mann gehört, habe ich den auf dem Handy gespeicherten Einkaufszettel (meine Idee, auf die ich stolz bin: An einem Küchenschrank hängt ein Ikea-Bilderrahmen (99c) mit Tafelfolie beklebt (10c), die mit Kreide beschrieben und abphotographiert wird, allemal besser als die merkwürdigen “Einkaufslisten”-Apps) in Rekordzeit abgearbeitet. An der Kasse gab es einen Stau. Mein Blick fällt auf einen Warenständer an der Seite mit diversen Masken. Ich denke mir: “Ja, der Scheiß greift jetzt um sich, überall kriegst Du den Chinamüll angeboten als “Schutz”...Wenn es denn die Kasse füllt…” Und ich merke in dem Moment, dass mir die Luft erstaunlich frei um die Nase weht. JA! ICH GESTEHE! Ich hatte keine Maske auf. Ich war ganz normal einkaufen. Das Seltsame daran: Es hat auch keinen interessiert. Oder ich habe es nicht wahrgenommen (Meine Frau: “NA KLAR! Wie IMMER hast DU DICH um die Reaktion anderer nicht DIE BOHNE gekümmert.”) Okay. Andere Geschichte. Aber ich hatte - in der Tat - ein schlechtes Gewissen! Ich habe einer Norm nicht genügt. Ich habe sozial versagt. Nicht, weil ich glaubte, dass ich irgendwen gefährdet hätte. Sondern, weil die Übertretung der Norm allein schon ausreicht, dass mir irgendetwas in meinem Kopf einredet, dass ich eine Untat begangen hätte, für die Strafe droht. Bislang dachte ich, dass CALVIN (Gott verfluchte diesen bösen Menschen!) daran Schuld habe. Aber die Schweden lassen mich zweifeln. Das reformistischste Volk dieser Welt ist plötzlich das gelassenste. Ich denke, dass das nicht daran liegt, dass die Schweden keine Calvinisten mehr sind. Sondern daran, dass sie die RICHTIGEN Calvinisten sind und nicht so weichgespült wie meinereiner. Der Calvinismus zerstört Psychen. Und wer davon wegkommen will, wird anscheinend doppelt beschädigt.

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