Susanne Baumstark / 10.12.2019 / 06:29 / Foto: Stephan Pick / 85 / Seite ausdrucken

„Reihenweise Skandalurteile“

Man darf gespannt sein, wie es dem Dinslakener Amtsrichter Thorsten Schleif (39) künftig noch ergeht, fragten sich einige Beobachter schon im Oktober. Er hat nämlich ein Buch geschrieben mit dem Titel „Urteil: ungerecht“. Der Richterschaft attestiert er laut RP Online „eine gefährliche Kombination aus Ignoranz und Arroganz“, mangelhafte Ausbildung, schlechte Ausstattung, intransparentes Beförderungswesen und gefährliche Überlastung. „Der Rechtsstaat sei in derart schlechtem Zustand und stehe vor dem Abgrund … Das Misstrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung wachse.“ Im Strafrecht seien Richter in Aussagepsychologie kaum kompetenter als Laien. Die Gefahr der Fehlurteile sei groß. „Auch um die Unabhängigkeit der Justiz sei es schlechter bestellt als in vielen anderen europäischen Ländern.“ Angepasste Ja-Sager bekämen meist die Spitzenposten. „Damit sei die Justiz als dritte Staatsgewalt erschreckend schlecht gegen Missbrauch gefeit.“

Es gebe außerdem „reihenweise Skandalurteile“: „Aus Unsicherheit, aber auch, um vom Bundesgerichtshof keine Rechtsfehler attestiert zu bekommen, verhängten sie möglichst milde Strafen.“ Bei Amazon heißt es zum Buch: „Brutale Gewalttäter erhalten lächerlich milde Strafen, Wiederholungstäter entgehen längst fälligen Haftbefehlen, weil die Verfahren viel zu lange dauern, Freiheitsstrafen werden wieder und wieder zur Bewährung ausgesetzt … Anhand zahlreicher zum Teil erschreckender Beispiele beschreibt Schleif, wie in Deutschland Richter herangezogen werden, die den Herausforderungen ihres Berufs und unserer Gesellschaft nicht mehr gewachsen sind.“

Das „Wutgeheul von Richter Schleif“

Die von den Medien herangezogenen Gegenpositionen sind diesmal besonders witzig: Laut Düsseldorfer Justizministerium sei das Buch „nicht mit dem Ministerium abgestimmt“. Und den Direktor des Amtsgerichts Gelsenkirchen – zur dortigen Kompetenz siehe den Fall Sami A. – lässt man schlichtweg das Gegenteil sagen: „Die deutsche Justiz stehe im internationalen Vergleich gut da … der Rechtsstaat funktioniere, und die Bürger hätten Vertrauen in ihre Justiz.“

Ganz besonders genervt – so kennt man ihn – ist Thomas Fischer, früherer Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs. Für Spiegel Online durfte er in die Tasten hämmern: Der Amtsrichter aus Dinslaken „starrt uns an, als wolle er gleich fragen, ob wir Probleme haben und eins aufs Maul brauchen“. Das „Wutgeheul von Richter Schleif“ ist offensichtlich Fischers Projektion, der sich im Beitrag gleich an all jenen abarbeitet, die inhaltlich ähnlich wie Thorsten Schleif argumentieren.

Dazu gehören: der eben als Innenstaatssekretär verhinderte Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, Jens Gnisa vom Deutschen Richterbund („Ein Richter schlägt Alarm“) oder die Polizeibeamtin und Buchautorin Tania Kambouri. Auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, warnte „vor einer Erosion und einem Versagen des Rechtsstaates auf vielen Ebenen“: „Selbst die Verfolgung eines noch so hehren Zieles - 'und sei es die Weltenrettung' - erlaube es nicht, sich über die Rechte anderer hinwegzusetzen ... In seinem neuen BuchDie Warnung' warnt Papier vor einer "Ökodiktatur".

Papier moniert, dass zu viele Ermittlungsverfahren in Deutschland eingestellt und Haftbefehle vielfach nicht vollzogen würden. Die Justiz sei unterfinanziert. Ein Versagen des Rechtsstaates sieht der ehemalige Verfassungsrichter auch in dem Umstand, dass im Görlitzer Park in Berlin Drogendealer weitgehend unbehelligt ihren Geschäften nachgehen können“ (siehe hier). Richter Thorsten Schleif ließ verlauten, er habe 250 positive Aussagen, vielfach von Richterkollegen, aus dem ganzen Bundesgebiet bekommen. Als „Nestbeschmutzer“ habe er viel mehr „Gegenwehr“ erwartet. 

Ab morgen veröffentlich Achgut.com eine dreiteilige Serie mit Auszügen aus Thorsten Schleifs „Urteil ungerecht".

Foto: Stephan Pick

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H.Störk / 10.12.2019

Einen bereits abgeurteilten Fall wieder aufrollen zu müssen, weil das Revisionsgericht meint, Ungenauigkeiten gefunden zu haben, ist zusätzliche Arbeit. Wer legt überhaupt Revision ein? Der Verteidiger bei einer Haftstrafe, der Staatsanwalt bei einem Freispruch trotz Beweisen. Die Lösung? Immer nur 2 Jahre zur Bewährung, dann sind alle zufrieden. Das Standard-Urteil fauler Richter.

Martin Stumpp / 10.12.2019

Richter wie Herr Schleif zeigen, dass es noch Reste des Rechtsstaates gibt. Er ist Hoffnungsträger für all jene die die Hoffnung nahezu aufgegeben haben. Das schlimme aber ist, dass die Politik des Parteienkartells primär nur Richter wie Herr Fischer, an höhere Gerichten befördert. Das Ziel der Rot-Grün-Schwarzen Politik ist ein Messen mit zweierlei Maß, kurz Gesinnungsurteile.

Horst Jungsbluth / 10.12.2019

Ich habe dieses Buch gelesen und das von Jens Gnisa und auch der ehemalige Minister Norbert Blüm hat die Justiz hart kritisiert. In allen Fällen ist der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer, der mich nach einem Kommentar in der “Zeit” nach Nairobi, Bangkok, aber immerhin auch Montreal entsorgen wollte, wie eine Furie über die Autoren her gefallen und hat sie “zur Sau” gemacht.  Aus meinen persönlichen Erlebnissen mit der Justiz kann ich nur feststellen, es ist alles noch viel schlimmer, die deutsche Justiz ist wieder einmal eine einzige Katastrophe. Ich hatte es mit sieben!!! Gerichten zu tun, es ging um eine lächerliche Ermessensvorschrift im Verwaltungsrecht, wobei ich überhaupt keine Ordnungswidrigkeit begangen hatte.  Der Hintergrund war ein politischer, es ging um die Besetzung Westberlins durch NVA und Stasi: Nach einem Strategiepapier verfolgte der 1989 mit Hilfe der SED installierte SPD/AL-Senat unbescholtene Bürger (Selbstständige und Hauseigentümer) mit gefälschten Vorschriften!!! und unzutreffenden Gründen unter schlimmstem Missbrauch der Verwaltungsgesetze wie Verbrecher, während diese unbehelligt ihre Taten ausüben durften, weil die Justizsenatorin Limbach “Täter interessanter als Opfer fand”. Ich erlebte den blanken Horror, weil ich nicht nur das Ganze sofort durchschaute, sondern es öffentlich machte. Zeugenerpressung, drei Tage bestialisches Gebrüll im AG Tiergarten, einen Femeprozess im Kammergericht in einem versteckten Saal, die nicht begangene Ordnungswidrigkeit wurde als Straftat bewertet,  primitivster Parteiverrat der Anwälte und dazu Morddrohungen und Anschläge von außen usw, usf. Nach neun Jahren Terror bin aus aus Angst um mein Leben ins Ausland geflüchtet.  Alles schweigt, wieder einmal!

Burghard Gust / 10.12.2019

,,,,,Thomas Fischers Strafgesetzbuch steht auf sehr vielen Richtertischen- Warum soll man sich dann noch über irgendetwas wundern ?

Sabine Schönfelder / 10.12.2019

Geert@Aufderhayd ( Künstlername?, den muß man erst mal durch den Autokorrektor peitschen!), Sie haben vollkommen recht. Dennoch sollten wir uns hier auch der Vorteile unseres Engagements bewußt werden. Es hält (wenigstens meine) Magenwände frei von Geschwüren, es bringt uns politisch immer auf den neuesten ‘Stand’, unterhält uns königlich, anhand toller Beiträge und vieler köstlicher Kommentare und schärft letztendlich das deutsche Sprachgefühl. Auch nicht zu unterschätzen: Wir attackieren die Meinungshoheit. Man muß seine Meinung vertreten, damit sie in der Welt steht und - solange sie noch nicht strafrechtlich verfolgt wird!

Rainer Niersberger / 10.12.2019

Law and order ist als System bereits seit Jahrzehnten den Angriffen von links/gruen ausgesetzt. Mit der Machtergreifung dank Merkel war der - bislang eher überschaubare - totale Erfolg der ideologisch/politischen Attacken vorprogrammiert, ergänzt durch dazu passende Entwicklungen in der Ausbildung und in den Motiven oder der “Persönlichkeit” des Richterpersonals. Dass es dabei aufgrund der Stigmatisierung von Strafe als solcher, der Schuld - um Opferumkehr und einer Art Beweislastumkehr vom westlichen Opfer zum idealerweise maennlichen, westlichen Taeter zu exakt diesen Exzesse kommen musste, war klar. Wenn dann Damen verlauten lassen, dass sie Richterinnen werden wollen, um zu helfen (den armen Taetern wohlgemerkt), Ängste vor den nicht westlichen Taetern dazukommen und die Politik von oben nach unten fuer eine ideologisch passende Besetzung sorgt, sollte das Ergebnis einer gewollten Entwicklung nicht überraschen. Auch die Justiz (wie Medien und Bildung) wird von Merkel und Co. nicht als unabhängige Gewalt (zur unpolitischen Rechtssprechung) gesehen und behandelt, sondern als Instrument zum Machterhalt und zur Durchsetzung ihrer Ziele. Recht ist, was nützt. Ansonsten kann es weg.  Insoweit kam ihr wie auch im Medienbereich eine Entwicklung im Gefolge der 68iger und eine ideologische Durchsetzung des Personals sehr entgegen, im übrigen auch eine gewandelte Einstellung in der Gesellschaft zu den Frage von Pflichten, zur Eigenverantwortlichkeit und zur “Behandlung” von Konsequenzen in eigener Sache. Niemand ist fuer eigene (Schlecht) Leistungen oder Ergebnisse wirklich selbst verantwortlich, darf entsprechend bewertet werden und das gilt in letzter Konsequenz dann auch fuer Straftaten, fuer die es nur noch das Kollektiv (der alten weißen Maenner des Westens ) als Schuldinstanz gibt, also Niemand.  Ansonsten wird Alles entschuldigt und Alle, bis auf die alten weißen Herren, sind gut.  Strafrecht ade.

Gottfried Meier / 10.12.2019

@ Sepp Kneip. Ich denke er hat noch eine große Karriere vor sich. Wie macht man so einen Mann unschädlich? Man muss ihn ganz einfach befördern!

Alexander Rostert / 10.12.2019

Warum sind viele Richter so abgehobene, selbstverliebte Halbgötter in schwarz? Weil sie unabhängig und unkündbar sind und immer das letzte Wort haben. (Das Prinzip der Unabhängigkeit sollte vielleicht eher mal auf die Staatsanwälte angewandt werden.) Ich bin der Meinung, man sollte Richter ebenso wie Politiker auf Zeit wählen, und zwar aus dem Kreis sämtlicher unbescholtener Bürger und nicht nur aus dem der Juristen. Urteile gehören veröffentlicht, und zwar ausnahmslos. Schließlich hat das Volk einen Anspruch darauf, zu wissen, was in seinem Namen geurteilt wird und auch das Recht, diejenigen abzusägen, die mit der Vollmacht, im Namen des Volkes zu urteilen, Schindluder getrieben haben.

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