Reden wir über Brennstäbe

Frau Katrin Göring-Eckardt regte an „... dann müssen wir über Brennstäbe reden.“ Eine Aufforderung aus so kompetentem Munde darf man nicht ungenutzt lassen, und so lade ich Sie zu einem Gespräch über das Thema ein. Eines darf ich vorweg schon verraten: Brennstäbe sehen aus wie verchromte Skistöcke, allerdings sind sie wesentlich länger und haben oben keine Schlaufen. Und noch etwas: Wir müssen über mehr reden als nur über Brennstäbe.

So geht Atomkraft

Haben Sie schon mal versucht, mit einem einzigen, dicken Stück Holz Feuer im Kamin zu machen? Haben Sie es auf den Rost gelegt und ein Zündholz daruntergehalten? Es geht nicht. Um zu brennen, muss das Teil selbst erst einmal richtig heiß gemacht werden. Ein vernünftiges Feuer bekommen wir nur, wenn mehrere Scheite sorgsam übereinander gelegt sind, die sich gegenseitig aufheizen; dann hält die selbst erzeugte Hitze das Holz am Brennen und gibt uns davon sogar noch was ins Wohnzimmer ab. Mit anderen Worten, zum Heizen brauchen wir eine „kritische Masse“ an Holz, in der richtigen Konfiguration.

Ein Atomreaktor funktioniert ähnlich. Statt Holz nehmen wir Uran, und statt Hitze nehmen wir Neutronen. Das sind winzige Teilchen, welche einen Atomkern des Urans spalten können, wenn sie auf ihn treffen. Bei dieser Spaltung werden neue Neutronen frei, die dann ihrerseits Atomkerne spalten. Wenn wir jetzt genügend Uran sorgfältig aufstapeln, dann läuft die Sache spontan weiter, wie beim Kaminfeuer. Wir haben eine „Kettenreaktion“, die Sache ist „kritisch“. Dabei entsteht nebenher jede Menge Hitze.

Druck- und Siedewasser

Genau das passiert in einem Kernkraftwerk. Das Uran ist in Rohre gefüllt, so dick wie Skistöcke, aber gut vier Meter lang, genannt Brennstäbe. Das ist eine etwas ungewöhnliche Verpackung, aber doch ganz praktisch. Ein- bis zweihundert davon werden zu Bündeln organisiert, genannt Brennelemente. (Der englische Ausdruck „Fuel Assembly“ ist da etwas treffender). Ein- bis zweihundert dieser Vorrichtungen hängen wiederum in einem Kessel mit sehr dicken Wänden.

Der Kessel ist mit Wasser gefüllt, welches sich dank der Kernspaltung aufheizt. Riesige Pumpen sorgen für die rasante Durchströmung des Kessels. Dabei geben die Brennstäbe ihre Hitze ans Wasser ab und werden ihrerseits gekühlt. Entweder leitet man dann aus dem Kessel Dampf ab und betreibt damit riesige Turbinen, oder man leitet das heiße Wasser in einen Wärmeaustauscher, in dem dann seinerseits Dampf für die Turbinen erzeugt wird. Letztere treiben natürlich einen elektrischen Generator an.

Der erstere Typ von Reaktor wird Siedewasserreaktor (SWR) bezeichnet, der letztere Druckwasserreaktor (DWR). Die drei in Deutschland noch betriebenen AKWs sind vom Typ DWR. Unter den abgeschalteten sind auch ein paar SWR.

Das Wasser hat noch eine weitere Funktion. Auf ihrem Weg vom einen Brennstab zum nächsten bremst es die Neutronen ab, und nur die langsamen „thermischen“ Neutronen können Kernspaltung auslösen. Fehlt das Wasser oder bilden sich Blasen, weil es zu heiß wird, dann fehlt dieser Bremseffekt, und damit kommt die Kettenreaktion zum Erliegen. So ein Reaktor kann also nicht unkontrolliert exponentiell „davonlaufen“ und zur Atombombe werden (anders als in Tschernobyl; der Reaktor war ein ganz anderer Typ, weder DWR noch BWR).

Ein paar kleine Unterschiede

Jetzt aber ein paar Unterschiede zwischen Holz und Uran: Bei jeder Spaltung eines Uran-Atomkerns wird ein paar Millionen Mal so viel Hitze erzeugt wie beim Verbrennen eines „Holz-Atoms“. Deswegen müssen wir beim Kaminfeuer alle halbe Stunde frisches Brennmaterial nachlegen, beim Reaktor aber nur einmal pro Jahr.

Und noch etwas. Im Kamin bleibt nach dem Heizen nur eine Handvoll harmloser Asche übrig, die wir problemlos entsorgen. Die Rückstände in einem abgebrannten Brennstab aber sind alles andere als harmlos. Während des Betriebes haben sich da Substanzen angesammelt, die radioaktiv sind, d.h. die Atomkerne emittieren spontan Strahlung, die einerseits Hitze erzeugt und andererseits für Lebewesen schädlich ist.

Das heißt, auch nach „Abschalten“ des Reaktors, auch nachdem die Kettenreaktion unterbrochen wurde, müssen die Brennstäbe weiterhin gekühlt werden und man muss sich von ihnen fernhalten.

Dazu ein paar Zahlen: Ein typischer DWR erzeugt rund 1.400 MW elektrischer Leistung. Bei einem Wirkungsgrad von rund 40 Prozent ist die dafür notwendige thermische Leistung 1.400 MW / 40% = 3.500 MW. Nach dem Abschalten werden ca. 5–10 Prozent dieser thermischen Leistung weiterhin durch Radioaktivität erzeugt, also hunderte von Megawatt. Ohne Kühlung schmelzen in kürzester Zeit die Brennstäbe und alles, was damit in Kontakt kommt. So geschehen in Fukushima 2011 und in Three Mile Island 1979. Im Gegensatz zum Tschernobyl-Desaster 1986 hat jedoch keiner dieser „Melt Downs“ Menschenleben gekostet.

Kann Ohu weitermachen?

Radioaktivität und Temperatur der benutzten Brennstäbe können durch nichts in der Welt beseitigt werden, außer durch Warten. Deswegen ist auch nach Beendigung des eigentlichen Betriebs aus Sicherheitsgründen immer noch eine Mannschaft für den „Nachbetrieb“ des Reaktors erforderlich. Diese erfahrene Crew könnte von Nutzen sein, falls man auf die Idee kommt, stillgelegte, aber noch nicht zerstörte Kraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Der TÜV hält eine Wiederbelebung von drei AKWs für möglich, die Ende vergangenen Jahres vom Netz gegangen sind: die DWR Brokdorf und Grohnde, sowie den SWR Gundremmingen. Mal sehen.

Aktuell, und bei den Äußerungen der eingangs erwähnten Expertin, geht es aber um etwas anderes. Es geht darum, ob die drei gegenwärtig noch in Betrieb befindlichen DWR Emsland, Ohu und Neckarwestheim zum Ende des Jahres, also in fünf Monaten, stillgelegt werden oder nicht. Kann man die denn, rein technisch, einfach so weiterlaufen lassen? Brauchen die keinen neuen Brennstoff? In Anbetracht der ursprünglich erwarteten Stilllegung hat man hier sicherlich keine fabrikneuen Brennelemente auf Lager.

Das Leben eines Brennstabs

Dazu müssen wir uns jetzt die Brennstäbe genauer anschauen. Die haben, wenn neu, so um die vier Prozent brennbares Material, genannt Uran 235. 96 Prozent des Inhalts sind U238, welches an der Kernspaltung praktisch nicht teilnimmt. Die vier Prozent U235 können im Laufe des Betriebs auf bis zu 1 Prozent aufgebraucht werden, aber nicht in allen Brennelementen eines Reaktors gleichzeitig, dann würde die Kettenreaktion einschlafen. Die Konfiguration der ca. 150 Brennelemente mit ihrer unterschiedlichen verbliebenen U235 Konzentration wird im Normalbetrieb so gewählt, dass die Kettenreaktion erhalten bleibt und der Reaktor die gewünschte Nennleistung, z.B. 1.400 MW, elektrisch liefert.

Sollte das aber nicht mehr möglich sein, dann kann man den Betrieb dennoch aufrechterhalten, wenn auch nicht mehr mit der Nennleistung. Das ist so wie in einem Kamin, wenn nur noch wenige vernünftige Holzscheite da sind, dann kann man die ganz sorgfältig neu aufschichten und das Feuer brennt noch weiter, wenn auch auf kleinerer Flamme.

Das scheint die Situation bei den besagten drei Kandidaten Ohu, Emsland und Neckarwestheim zu sein. Sie könnten ab 1.1.2023 vielleicht nicht mehr ihre volle Leistung bringen, aber man schreibt den aktuell installierten Brennelementen noch eine Reserve von insgesamt ca. 30 Terawattstunden zu.

Ist das viel? Der durchschnittliche deutsche Haushalt verbraucht 3.200 kWh pro Jahr. Nach Adam Ries könnten die besagten drei Kraftwerke 9 Millionen Haushalte durch das Jahr 2023 bringen, vorausgesetzt, man kann den Verbrauch über das ganze Jahr „strecken“ und vorausgesetzt, die erwähnten Millionen sagen nicht: „Atomkraft – Nein danke. Lieber frieren wir für den Frieden.“

Ist „über Brennstäbe reden“ also die Lösung?

Es geht um mehr als um Brennstäbe

Nun, wenn im Irrenhaus ein einziger vernünftiger Satz fällt, so ist das noch nicht die Einkehr der Vernunft. (Verzeihen Sie diesen extremen Vergleich, aber in einer Zeit, in der voll funktionsfähige, neuwertige technische Wunderwerke, deren Bau Milliarden gekostet hat und deren Betrieb zum Wohlergehen der Bevölkerung notwendig ist, wenn solche Objekte unter dem Jubel von Menschenmengen gewaltsam demoliert werden, dann ist das nichts anderes als Wahnsinn.)

Wenn nun aber demnächst in Deutschland die aktuell noch verfügbaren Reserven aus der Kernenergie genutzt würden – es handelt sich vermutlich um die erwähnten sechs Kraftwerke –, so wäre das eine vernünftige Maßnahme, um die befürchtete Energiekrise punktuell zu lindern. Ob es der Anfang einer Rückkehr zur Vernunft ist, das muss sich zeigen. Dazu müssten wir aber über wesentlich mehr reden als nur über die Brennstäbe. Dazu müssen wir über die gesamte Energiewende reden und über die dahinterstehende ideologische Rechthaberei, welche unserem Land maßlosen Schaden zugefügt hat. Und wir müssten über die Verantwortlichen reden.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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Leserpost

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Wolfram Becker / 03.08.2022

Ist es Ignoranz, ideologische Verbohrtheit, eine morbide Lust am Untergang, Selbsthass, Naivität? Ich weiß es nicht aber der Blick auf die „Sonntagsfrage“ bestätigt: 75 Prozent der Wähler wollen, dass Deutschland innerhalb weniger Jahre zum Dritte-Welt-Land wird.

giesemann gerhard / 03.08.2022

Brennstäbe, in “Bündeln organisiert” - da MUSS ja jeder Grüne erkennen: Das ist nackter Faschismus. Muss weg, es sei denn, er kömmt als Islam daher.

Heiko Stadler / 03.08.2022

Den Grünen möchte ich Folgendes mitteilen: Es ist keine Schande, unwissend zu sein. Eine Schande ist es jedoch, zu glauben, alles besser zu wissen und die Ratschläge unabhängiger Experten zu ignorieren.

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