Besonders dramatisch war dies in Frankreich, aber auch in Italien, Spanien, Österreich, in den Niederlanden und Belgien war der Trend bemerkbar. Nur Skandinavien wählte vollkommen anders.
Die Tendenzen der Europawahlen in Deutschland, nämlich Gewinne für die rechten Parteien und Verluste für Linke und Grüne, finden sich auch in vielen anderen Ländern Europas wieder.
In Frankreich verlor Präsident Emanuel Macrons Renaissance, die zum liberalen Block gehört, dramatisch und sackte auf 15 Prozent ab, während das rechts-nationale Rassemblement National 31 Prozent bekam. Die Sozialisten schnitten mit 14 Prozent besser als erwartet ab, wogegen die einst starken Linksextremisten von Unbeugsames Frankreich von Jean-Luc Melechon mit knapp 10 Prozent und die konservativen Republikaner mit 7 Prozent hinter ihren Erwartungen zurückblieben. Auf den Schock hin rief Macron Neuwahlen der Nationalversammlung für den 30. Juni aus. Eigentlich müsste Macron seine Renaissance (Wiedergeburt) nun in Mortinaissance (Totgeburt) umbenennen.
Auch in Italien triumphierte die Rechte. Giorgia Melonis Partei Fratelli d’Italia (FdL) kam auf 29 Prozent und verbesserte sich gegenüber der letzten Europawahl um 20 Prozentpunkte. Sogar gegenüber der erfolgreichen Parlamentswahl im letzten Jahr konnte sie ein wenig hinzugewinnen. Allerdings war FdL’s Gewinn der Verlust der ebenfalls rechten Lega von Matteo Salvini, die vor fünf Jahren mit 34 Prozent der große Gewinner war und nun nur noch 9 Prozent bekam. Da Italien bereits rechts regiert wird, gab es keine Protestwahlstimmung. Die gemäßigten Linken der Partito Democratico (24 Prozent) und die Grünen und Linken (7 Prozent) blieben etwa gleich.
Auch in Spanien war die Tendenz ähnlich. Es waren vor allem die Konservativen der Volkspartei (PP, 34 Prozent, vorher 20) und die rechte Vox (9 Prozent, vorher 6), die zulegten, die linken Parteien wie die regierenden Sozialisten (30 Prozent, vorher 33) und Podemos (3 Prozent, vorher 10) sowie die Liberalen verloren, allerdings nicht so dramatisch und es gab auch Neugründungen und neue Zusammenschlüsse, so dass ein Vergleich schwierig ist. Auch in Portugal gab es einen mäßigen Rechtsruck. Größte Partei wurden die Sozialisten mit 32 Prozent, etwas schlechter als vor fünf Jahren, knapp vor der konservativen Nationalen Allianz mit 31 Prozent (2019: 22 Prozent). In weitem Abstand folgte die rechts-nationalistische Chega mit 10 Prozent und die Liberalen mit 9 Prozent, die sich aber beide gegenüber der Wahl von 2019 enorm verbesserten.
In Österreich wurde die rechte FPÖ erstmals stärkste Partei mit 25,5 Prozent (+8), wogegen die regierende konservative ÖVP stark verlor (24,7 Prozent, minus 10), wie auch ihr Koalitionspartner, die Grünen (10,9 Prozent, minus 3,2). Die Liberalen Neos bekamen 10 Prozent, eine Verbesserung um 1,6 Prozentpunkte.
In den Niederlanden wurde zwar das Linksbündnis aus Arbeiterpartei und Grünen am stärksten (mit geringen Verlusten), die größten Zugewinne bekam allerdings die rechte Partij van de Vrijheid von Geert Wilders. In Belgien wurde der rechts-nationale Vlaams Belang die größte Partei mit 14,5 Prozent, kurz vor der gemäßigt-rechten Nieuwe Vlaamse Alliantie mit 14 Prozent. Grüne und Liberale waren auch in Belgien die großen Verlierer, die beide ihr Ergebnis gegenüber 2019 halbierten. Dort fanden auch Parlamentswahlen statt, mit ähnlichen Ergebnissen.
In Polen schaffte es die regierende liberale Bürgerplattform knapp vor der national-konservativen PiS zur stärksten Partei zu werden. Allerdings gewann die rechts-nationale Konföderation deutlich dazu, während die Sozialisten verloren.
In der Tschechischen Republik wurde die rechts-liberale ANO des ehemaligen Premierministers Andrej Babis die stärkste Partei mit 26 Prozent, vor der konservativen Regierungspartei SPOLU von Petr Fialla mit 22 Prozent. In der Slowakei, die eine ziemlich zersplitterte Parteienlandschaft hat, gewann die liberale Opposition mit 28 Prozent, vor der linken Regierungspartei Smer von Premierminister Robert Fico mit 25 Prozent. Drittgrößte Partei wurde die nationalistische Republika mit 12 Prozent.
In Ungarn blieb die rechts-konservative Fidesz mit 43 Prozent die größte Partei, bekam aber Konkurrenz von einer neuen, ebenfalls eher rechten Partei eines ehemaligen Fidesz-Politikers, die erstaunliche 30 Prozent bekam, wogegen die klassischen Linken sehr schlecht abschnitten.
Generell ist gerade ein Thema in Ostmittel- und Osteuropa weniger wahlentscheidend als in West- und Südeuropa: die illegale Einwanderung. Da diese Länder die irreguläre Zuwanderung meist grundsätzlich ablehnen und die staatlichen Leistungen zudem für Asylzuwanderer weniger attraktiv sind, als beispielsweise in Deutschland, sind auch die hierzulande alltäglichen Probleme mit der Massenzuwanderung dort zumeist unbekannt.
Skandinavien wählte dagegen allgemein gegen den Trend. In Schweden konnten die Grünen zulegen, während die rechten Schwedendemokraten verloren und die stärkste Partei wurden wieder die Sozialdemokraten. Ähnlich war es in Finnland und Dänemark.
Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.