Thilo Schneider / 12.07.2020 / 11:00 / Foto: Andreas Praefke / 24 / Seite ausdrucken

Rat mal, wer zum Essen kommt 

Manchmal sind es ja die kleinen Dinge, die man so liest und die dann *ping* der Inspiration zu einem Artikel dienen. So fragte gestern eine Twitter-Userin in die Runde, mit welchem Politikerschrägstricherin man gerne mal „einen Kaffee trinken würde“. Spontan ist mir da keine eingefallen, so im Nachhinein hätte ich an Sarah Wagenknecht gedacht, aber nur, weil sie gut aussieht und charmant und eloquent ist. Und Politik müsste als Gesprächsthema außen vor bleiben. 

Wenn ich aber die Wahl hätte, mit welchen Personen aus der Geschichte ich gerne mal einen Abend verbringen würde, dann sähe das so aus:

Brandt, Schmidt, Esken und Walter-Borjans: Es gibt Steaks und (Menthol)-Zigaretten und Whisky und Schnaps und zu später Stunde stoßen Schulz und Nahles dazu. Ein wunderbarer Abend, an dem wir den Niedergang der bundesrepublikanischen Sozialdemokratie anhand der handelnden Personen besprechen könnten. Zu später Stunde könnte ich mir vorstellen, dass Nahles heulend im Eck sitzt und von Esken getröstet wird, während Schulz und Walter-Borjans Brandt und Schmidt als Rechte und Nazis beschimpfen und sie ob ihrer Unsensibilität und Frauenfeindlichkeit schelten. Was hätte ich für einen Spaß!

Wellington und Napoleon: Zwei Vollblutgeneräle und Politiker des 19. Jahrhunderts an einem Tisch. Diese Tischgesellschaft findet natürlich in Versailles im Spiegelsaal statt, beide Herren kennen die Örtlichkeit. Auch das Essen dürfte hier einfach sein, wir könnten das spartanisch mit Militärverpflegung erledigen oder es gibt lecker Pferd, beide kennen ja den Geschmack. Besonders würde mich interessieren, warum Napoleon bei Waterloo so unoriginell angriff und auf Grouchy verzichtet hat. Sobald es zum gemütlichen Teil übergeht, käme Blücher als Überraschungsgast dazu. Der kann den beiden anderen Gentlemen zwar intellektuell nicht das Wasser reichen, aber er raucht und säuft wie ein Loch und ist ein sehr passabler Kartenspieler. Das könnte nach hinten raus super gemütlich werden. 

Als Überraschungsgast kommt nach etwa drei Stunden Stalin

Brian Wilson, Paul McCartney und Mick Jagger: Theoretisch möglich, praktisch eher nicht. Hier gibt es ein Selbstbedienungsbuffet, an dem sich jeder holen kann, was er mag. Außerdem wäre wenigstens ein Hobbyapotheker anwesend, der die Herren mit ihrem bevorzugten Stoff versorgen kann, während sie sich gegenseitig ihre größten Hits interpretieren. Etwas Hausmusik mit den damaligen Größten ihrer Zunft stelle ich mir sehr als gelungenen Abend vor. Für Brian Wilson bräuchten wir vielleicht noch einen Psychologen, wenn McCartney ihn wegen seines Absturzes in den 60er Jahren auslacht. Der Herr ist feinfühlig. 

Sokrates, Kant, Precht und Vahlefeld: Wir würden hier auf dem Balkon einer Mäzenin exquisit speisen und dann schön diskutieren. Also, ich als Dümmster in der Runde eher nicht, ich darf da nur die Nüsschen essen und mich an einer Cola-light festklammern, aber ich würde zuhören und mir ein Bingo mit den Begriffen „prinzipiell, vom Grunde her, eigentlich, generell, im Prinzip, wahrscheinlich, mal angenommen, theoretisch, praktisch, gesetzt den Fall, unter Umständen, vielleicht“ basteln. Ich würde an diesem Abend mit Sicherheit sehr viel lernen. Oder einschlafen. Ich kann kein Altgriechisch. Interessant wäre das allemal.

Picasso, Dali, Miro und Ernst: Wir haben ein recht großes Wohnzimmer, dort würde ich mehrere Flipcharts mit bunten Edding-Stiften aufbauen. Nach dem Buffett würden wir hier „Tabu“ spielen, allerdings in malerischer Form. Jeder der Anwesenden müsste dann den Begriff raten, den der Malende gerade darstellt. Besondere Herausforderung: Die Begriffe müssen tatsächlich bildlich erratbar sein. Das wäre ein sehr anregender, bunter und turbulenter Abend, an dem richtig die Post abgeht. Wahrscheinlich würde Dali im Laufe des Abeds beleidigend und ich müsste ihn rausschmeißen. Das würde mir gefallen. Dali rauschmeißen.  

Hitler und Churchill: Die beiden hätte ich gerne an einem Tisch bei mir zu Hause. Da ist es nicht so einfach, vor unangenehmen Gesprächen zu fliehen, ich weiß, wovon ich rede. Nachdem wir bei mir zu Hause sind, brauche ich jeweils einen Koch für Churchill und einen Veggieprofi für Hitler. Ich denke hier an Rosin und Attila Hildmann, unter der Auflage, dass sich beide nicht eimischen und mich mit den Herren reden lassen. Bei schönem Wetter essen wir auf dem Balkon, damit Churchill und ich rauchen können, da muss eben Hitler dann mal durch. Für Hitler gibt es stilles Mineralwasser, die harten alkoholischen Drogen sind etwas für Churchill und mich. Ich könnte mir hier sehr angeregte Gespräche vorstellen, sofern Hitler nicht einen seiner ellenlangen Monologe vom Stapel lässt. Als Überraschungsgast kommt nach etwa drei Stunden Stalin, mit jenem haben sicher beide Herren noch ein Thema offen. 

Moses, Jesus und Mohammed: Ich schätze, die drei Herren hätten jede Menge miteinander zu besprechen. Als Treffpunkt schlage ich den Tempelberg, Nähe der Klagemauer, in Jerusalem vor. Wir spazieren von dort aus zum Luciana, einem recht guten Restaurant in der Nähe, das sowohl koscheres als auch halal-Essen bietet, da gibt es da schon keinen Ärger zwischen meinen Gästen. Selbstverständlich gibt es zur Mahlzeit nur Wasser, wenn irgendjemand, beispielsweise Mohammed, einen Wein trinken wollen würde, müsste er sich an Jesus wenden. Ich bin mir sicher, besser als einen göttlichen Wein kriegt es auch der Kellermeister des Luciana nicht hin. Außerdem spare ich so die Kosten für die teuren Weine. Als einziger Raucher in der Runde (es sei denn, Jesus kifft) wäre es natürlich schön, wir könnten draußen sitzen. Sonst muss ich dauernd aufstehen und raus. Im späteren Verlauf würde ich Maria Magdalena und Aischa, sozusagen als Überraschungsgäste, einladen. Ich bin mir sicher, die beiden Damen hätten den anwesenden Herren einiges zu sagen. 

Meine komplette Familie. Aber das ist geradezu fantastisch und geht definitiv nicht. 

(Weitere Tischgespräche des Autors unter www.politticker.de

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Leserpost

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Heiko Stadler / 12.07.2020

Sie sollten ihre Einladung von Brandt, Schmidt, Esken und Borjans präzisieren, Herr Schneider. Soll die Einladung bei noch laufenden Parteiausschlussverfahren gegen Schmidt und Brandt stattfinden oder danach?

Krug-Fischer, Bernhard / 12.07.2020

Lieber Herr Schneider, bei der illustren Runde mit Moses, Jesus und Mohammed hätte ich mir als Überraschungsgäste den Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx gewünscht. Ich bin mir da nämlich ziemlich sicher, dass die drei Herren den Überraschungsgästen einiges zu sagen hätten.

Archi W Bechlenberg / 12.07.2020

Honecker und Merkel. Ich wäre aber nicht der Gastgeber, sondern das Mäuschen, das versteckt hinter einem Schrank dem Gespräch lauscht und aus dem “Hab ich’s doch gewusst!” Staunen nicht mehr rauskommt. Zu essen gäbe es Merkels Suppe aus Erzeugnissen der Kartoffel-Kooperative Ernst Thälmann mit einem Klecks Seehasen-Rogen, dazu einen Pankower Chateau Schönhausen verdienter Wein des Volkes o. J.

Karsten Dörre / 12.07.2020

Moses, Jesus und Mohammed: wenn die sich treffen, würden die sich darüber austauschen, warum man ihre Namen und ihre Existenzen nach ihren Ableben für Religionen missbraucht hat. Aber, Herr Schneider, es kann auch möglich sein, dass keiner der drei kommt, weil es sie nie gab.

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