René Zeyer, Gastautor / 16.06.2020 / 14:00 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Rassisten ohne Rasse

Das Minenfeld, über dem das Wort Rasse hängt, ist nur mit höchster Vorsicht zu betreten. Jede Aussage läuft Gefahr, so deplatziert wie lautes Lachen bei einer Beerdigung zu sein. Dennoch sei’s gewagt. Das Elend fängt schon damit an, dass vor allem auf Deutsch das Wort Rasse einen ganz üblen Beigeschmack hat und einem als erste Assoziation Rassist, der Holocaust, die absurden Herrenrasse-Fantasien der Nazis einfallen. Von wenigen meistens rechtsradikalen Flachköpfen abgesehen, dürfte eigentlich niemand die Titulierung als Rassist als Lob verstehen. Schon bei Wikipedia gibt der Eiertanz um die Erklärung des Begriffs Rasse eine Ahnung davon, dass seine Verwendung ungefähr so gesund ist wie eine Bergbesteigung in der Todeszone ohne Sauerstoff.

Wenn das angeblich 1000-jährige Reich überhaupt eine positive Nachwirkung hat, dann die, dass der Begriff Rasse und alles, was damit zu tun hat, normalerweise nur mit der Beißzange angefasst wird. Und die angebliche Überlegenheit der arisch-nordischen Rasse wurde ja schon durch das Führungspersonal – den tobsüchtigen Hitler, den verfetteten Göring oder den Klumpfuß Goebbels – ad absurdum geführt. Andererseits ist es natürlich so, dass der Fremde, der Andersartige, der sich schon äußerlich vom gewohnten Erscheinungsbild unterscheidet, seit Urzeiten nicht wirklich mit offener Neugier und Völkerfreundschaft empfangen wird. Unterschiede ganz allgemein werden immer auch für Abwertung benützt. Und zwar alle, in allen historischen Epochen und in allen Gesellschaftsformen.

Männer sind Frauen überlegen, Großgewachsene Kleinwüchsigen, Weiße allen anderen Hautfarben, was Gelbe allerdings auch von sich denken. Reiche sind besser als Arme, Akademiker fühlen sich Prekariatsmitgliedern überlegen. Und auch wenn man nicht mehr Rasse sagt, Nationen werden natürlich generalisiert Eigenschaften zugesprochen. Der pünktliche Deutsche, der wild gestikulierende Italiener, der verfressene Franzose, der grundlos stolze Spanier, und so weiter.

Ob man das Rassismus nennt oder Diskriminierung oder schlichtweg Unsinn, all diese Pauschalisierungen haben das gleiche Grundproblem: Aufgrund ähnlicher äußerer Merkmale oder Verhaltensweisen allen Mitgliedern dieser, nun ja, Rasse, die gleichen Eigenschaften zu unterstellen, ist natürlich so absurd wie falsch.

Vorwärts zum helleren Kind?

Rassismus, also die Absicht, jemanden nur durch seine Zugehörigkeit zu einer von meiner Erscheinungsform abweichenden Spezies zu diskriminieren, ist auch nicht den USA, Deutschland, Italien, Spanien und so weiter vorbehalten. Und erst recht nicht ein Phänomen, das nur im Spätkapitalismus existiert. Im wiedervereinigten Deutschland weiß man inzwischen, dass die Bevölkerung der DDR Menschen anderer Hautfarbe oder aus anderen Kulturkreisen keineswegs mit sozialistischen Bruderküssen empfing.

Kuba ist eigentlich das extremste Beispiel dafür, was passiert, wenn man Rassismus für erledigt deklariert. Aus der idiotischen Überlegung heraus, dass es im Sozialismus natürlich keinen Rassismus geben kann. Und würde man Rassismus auch nur bekämpfen, wäre das ein indirektes Eingeständnis des Gegenteils. Also lässt man’s seit 1959.

Aber der unermessliche Reichtum der bis 1959 existierenden Oberschicht in Kuba stammte zu einem Teil aus dem Anbau von Zuckerrohr. Zum anderen Teil daraus, dass Havanna und Santiago de Cuba die beiden Anlaufstellen für Sklaventransporte aus Afrika waren. Von dort aus wurden dann die Sklaven, wenn sie die Überfahrt überlebt hatten, entweder zum Zuckerrohrschlagen eingesetzt oder in den Norden und Süden Amerikas weiterverkauft.

Der tiefverwurzelte Rassismus in der kubanischen Gesellschaft äußerte sich nicht nur darin, dass der vorletzte Diktator der Insel, Fulgencio Batista, zwar als typischer Caudillo gewalttätig über die Insel herrschte, aber zum exklusiven Biltmore Club in Havanna keinen Zutritt bekam. Denn der war Weißen vorbehalten, Batista war Mulatte.

Aber allen offiziellen Behauptungen zum Trotz ist die kubanische Gesellschaft zutiefst rassistisch. Bei einem gemischtrassigen Paar gilt es bis heute nach der Geburt eines Kindes als völlig legitime Frage: Habt ihr euch vorwärts- oder zurückentwickelt? Vorwärts bedeutet, dass das Baby mindestens so hellhäutig wie der hellere Teil des Ehepaars ist. Mit großem Mitleid hingegen werden Kinder betrachtet, die sogar dunkler als beide Elternteile sind.

Helfen scharfe Antirassismus-Gesetze?

Zudem haben die Kubaner einen ganzen Zoo von Adjektiven entwickelt, mit denen in feinsten Nuancen das Dunkelhäutige differenziert werden kann. Dabei ist die Hautfarbe nur eines der Kriterien. Krause Haare, aufgeworfene Lippen, eine bestimmte Form der Stirne, das sind für Kubaner alles untrügliche Anzeichen, dass hier jemand zwar hellhäutig ist, aber nicht behaupten kann, ein reinrassiger Weißer zu sein. Und nur der ist schließlich die Krone der Schöpfung.

Weiter verkompliziert wird die Rassenfrage dadurch, dass diskriminierender Rassismus natürlich nicht nur den Weißen exklusiv vorbehalten ist. Er richtet sich auch gegen sie, es gibt schwarze Rassisten, die Weiße für unterlegen halten, das sehen die meisten Asiaten auch so, und auch innerhalb der gleichen, nun ja, wollen wir es Ethnizität nennen, gibt es unendliche Schattierungen von Rassismus, der sich an allen beliebigen Merkmalen festmacht, die eine Menschengruppe von der anderen unterscheidet.

Im Gegensatz zu Kuba haben die USA wohl die schärfsten Antirassismus- und Antidiskriminierungsgesetze der Welt. Aber auch das schützt die amerikanische Gesellschaft nicht davor, dass immer wieder auch gewalttätige Unruhen ausbrechen, wobei die Hautfarbe eine entscheidende Rolle spielt. Offiziell ist die Sklaverei in den USA seit 1865 abgeschafft. Das wurde in einem blutigen Bürgerkrieg unter Weißen ausgefochten. Es dauerte dann aber mehr als ein Jahrhundert, bis vor allem im Süden der USA die alltägliche Diskriminierung von Schwarzen bis hin zur Apartheid abgeschafft werden konnte.

Auch wenn der Rassenwahn niemals so mächtig wurde wie in Nazi-Deutschland, gibt es doch bis heute militante Weiße, die nicht nur im Ku-Klux-Klan ihren Wahn ausleben, dass die Hautfarbe unabhängig vom Individuum ausreiche, um einen Menschen als minderwertig betrachten zu können.

Rassismus nach rassistischen Kriterien

Gleichzeitig haben die USA aber ein viel unverkrampfteres Verhältnis zum Begriff Rasse. So wie bei uns Alter und Geburtsort, ist in amtlichen Papieren die Frage nach der Rasse ein selbstverständlicher Bestandteil. Denn die Absurdität der Bekämpfung von Rassismus liegt darin, dass zuerst rassische Kriterien angelegt werden müssen, sonst könnte man ja Diskriminierungen aus diesem Grund nicht bekämpfen. Also nur, wer sich beispielsweise selber als schwarz und daher bis heute unterdrückt definiert, hat damit Zugang zu zahlreichen Privilegien.

Fast immer bei solchen Unruhen wie in der Aktualität, wo die mit dem Tod endende Misshandlung eines Schwarzen durch einen weißen Polizisten mal wieder ein Pulverfass entzündete, wird gerne damit argumentiert, dass der überproportional hohe Anteil von Schwarzen in US-Gefängnissen und ihre überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate eben Ausdruck und Beweis dafür seien, dass Schwarze wegen ihrer Hautfarbe nach wie vor diskriminiert würden, keinen Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten hätten und deswegen, in ihrer Armut, keinen anderen Ausweg als eine Verbrecherkarriere sähen.

Das ist das, was man moderndeutsch ein Narrativ nennt, ein Framing, ein Bedeutungs- und Erklärungsmodell, das unbezweifelbar richtig sei und jeder, der es infrage stelle, deswegen unbezweifelbar nicht nur falsch liege, sondern auch noch ein schlechter Mensch, wohl gar Rassist sei.

Nun, es sei gewagt, auf diese Mine zu treten. Es gibt nämlich eine Untersuchung eines der ältesten, renommiertesten und bis in die Knochen liberalen Think Tanks der USA. Nur werden diese Ergebnisse, ebenso wenig wie Proteste auch schwarzer Soziologieprofessoren, dass diese Erklärung der hohen Gewaltbereitschaft von Schwarzen durch unverschuldete Armut viel zu kurz greife, am liebsten ignoriert.

Dabei stellte die Brookings Institution als Ausgangspunkt einer großangelegten Analyse der US-Gesellschaft eine ganz einfache Frage: Wovon hängt es ab, ob jemand in den USA in Armut lebt oder nicht? Die Untersuchung kommt zu einem klaren Ergebnis. Die drei wichtigsten Faktoren sind: High-School-Abschluss, Vollzeit-Arbeitsstelle und kein Kind unter 21 oder ledig. Wer diese Kriterien erfüllt, unabhängig von der Hautfarbe natürlich, hat nur eine zweiprozentige Chance, unter die Armutsgrenze zu geraten. Aber mit 72 Prozent gute Möglichkeiten, in die Mittelklasse aufzusteigen.

Umgekehrt ist es bei US-Bürgern, die auch nur eines dieser drei Kriterien nicht erfüllen, mit 77-prozentiger Chance so, dass sie der Armut anheimfallen. Aber warum sind dann Schwarze überproportional arm? Ganz einfach, 72 Prozent aller schwarzen Kinder in den USA werden unehelich geboren. Selbst bei den Hispanics, auch nicht gerade für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Nachwuchs bekannt, sind es nur rund 50 Prozent. Da man diese Art der Reproduktion nun wirklich nicht ausschließlich rassistischer Diskriminierung zuordnen kann, ist also ein sehr hohes Selbstverschulden zu konstatieren.

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Leserpost

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Burkhard Mundt / 16.06.2020

Ist das “Zieht den Bayern die Lederhose aus” nicht auch rassistisch?

Gert Köppe / 16.06.2020

Bei dem Begriff “Rasse” denke ich zuerst an Hunderassen und vielleicht noch an Rassepferde und eben NICHT an die NS-Zeit. Bin ich jetzt ein Rassist, oder bin ich jetzt ein “Kein-Deutscher”, oder was bin ich dann? Bin ich “unnormal” weil ich mich nicht der nächsten Sau, die durchs Dorf getrieben werden soll, anschließe? Ich habe gute Freunde, die meisten davon sind weiß, einer ist schwarz (richtig schwarz, na und?), aber keiner davon ist in Deutschland geboren, außer ich. Für mich ist viel wichtiger, ist er ein Idiot, oder ist er keiner. Die meisten Trottel gab es dabei leider bei den Bio-Deutschen. Die größten Idioten sind diese ganzen grün-linken Dummschwätzer mit ihren ständigen künstlich aufgeblasenen “Nebenkriegsschauplätzen”, die mich immer mit irgendwas Überflüssigen beschäftigen wollen.

Sirius Bellt / 16.06.2020

Und was ist mit dem deutschen Schäferhund? An dessen Pfoten so viel Blut klebt. Das war doch die Lieblingsrasse von “dem dessen Name man besser nicht nennt”. Nein, ich meine nicht den Gegenspieler von Harry Potter. Deutsche Schäferhundezucht gehört ab sofort verboten. Die Rasse ist obsolet. Auch Kangals sind schöne Hunde.

Mike Loewe / 16.06.2020

Es sind ja Bestrebungen im Gange, das Wort “Rasse” aus dem Grundgesetz-Artikel 3 zu entfernen. Kann es danach konsequenterweise auch juristisch keine Rassisten mehr geben?

H.Störk / 16.06.2020

Wobei man in Bezug auf uneheliche Kinder hinzufügen muß, daß bis in die 90er “Welfare Mom” eine solide Karriereoption für Unterschicht-Mädchen war: beim Amt angeben, daß der Vater des Kindes nicht zu ermitteln ist, und Stütze kassieren anstatt Unterhalt vom (meist eh nicht zahlungsfähigen) Kindesvater. Daß derartige Anreize nicht zur Stärkung der Institutionen Ehe und Familie beitragen, kann man sich denken.

Marcel Seiler / 16.06.2020

Es gibt eine Reihe von Untersuchungsergebnissen, die den durchschnittlichen IQ von Schwarzen in den USA als *erheblich* unter dem der Weißen bestimmen. In einer Gesellschaft, in deren Arbeitswelt Gehirn immer wichtiger, Muskeln aber immer unwichtiger werden, ist das ein entscheidendes Handicap. Die Leugnung dieser Tatsache (das anzusprechen wäre ja “rassistisch”) verhindert, dass man über Lösungen überhaupt nachdenkt. (Das gleiche Problem trifft übrigens zunehmend einen Teil der weißen Unterschicht, worüber m.W. auch nicht diskutiert werden darf.)

Karl-Heinz Vonderstein / 16.06.2020

Ich glaub, das Hauptproblem in der deutschen Rassismus-Debatte ist, dass die Anti-Rassisten und meisten Medien hierzulande, jede Studie und Statistik zum Thema Schwarze, Rassismus und Diskriminierung ignorierend, wollen, dass die Weißen an allem schuld sind und dass die Schwarzen keinerlei Mitschuld an ihrer Situation haben, wie z.B. in den USA.

giesemann gerhard / 16.06.2020

Wir brauchen eine Methode zur reversiblen Sterilisation, sodass Frühschwangerschaften vermieden werden können und das (Bildungs)Elend nicht ständig perseveriert.

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