Wolfgang Röhl / 04.11.2010 / 09:17 / 0 / Seite ausdrucken

Ranga Yogeshwar. Unser liebster Launebär

Warum braucht ein elektrischer Eierkocher für drei Eier weniger Wasser als für ein Ei? Warum tanzen Wassertropfen auf einer heißen Herdplatte? Warum ist der Himmel im Sommer blau? Wo kommen die grauen Haare her? Fragen, die wir nie gestellt haben. Die uns gleichwohl ein Mann auf diversen Radio- und TV-Frequenzen beantwortet. Der ungemein beliebte Launebär Ranga Yogeshwar, 51, Deutsch-Luxemburger, Sohn eines indischen Ingenieurs und einer luxemburgischen Kunsthistorikerin, ist die Allzweckwaffe der ARD in der Sparte „populäre Wissenschaft“. Sie wird unbarmherzig auch dann eingesetzt, wenn weite Kompetenzfelder wie Klima, Ernährung, Natur, Energie usf. zu beackern sind.

Da geht auch einem gelernten Diplom-Physiker wie ihm manchmal intellektuell die Puste aus. Macht nichts. Die auf dem öffentlich-rechtlichen Dampfer sind der Ansicht, sie hätten mit ihrem Ranga einen Universalgelehrten an Bord. Einen Goethe des Infotainment, der uns putzmunter schon am frühen Morgen in einfachen Worten vermittelt, was Stephen Hawking nicht so gut ausdrücken kann. Bei „Wissen vor 8“, einer Endlos-Sendereihe im Ersten, tütete er Themen, für die andere ein ganzes Seminar benötigen, innerhalb von jeweils 145 Sekunden ein. Chapeau! Ferner ist er in der Initiative „Schulen ans Netz“ aktiv und engagiert sich auch sonst für das handelsübliche Gute.

Junge und Alte mögen ihn. Er hat einen halben Migrationshintergrund, noch dazu den richtigen (Indien, Reich der Schlauen!). Fesch schaut er aus, lächelt viel und macht uns die Welt übersichtlicher. Was Richard David Precht für die Philosophie, ist Ranga für die Wissenschaft: der Ultralight-Pilot des Genres. Folgerichtig sitzt er in diversen Kuratorien, Beiräten und Jurys. Ein Gremium, in dem er nicht vertreten ist, kann praktisch einpacken. Die Uni Wuppertal verlieh ihm letztes Jahr die Ehrendoktorwürde. Zum „medialen Chefaufklärer“ ernannte ihn die „FAZ“. Sozusagen zum Oswalt Kolle der tanzenden Wassertropfen.

Die Leute stehen Schlange, um dem Ranga-Yogi was zu verleihen. Vom Preis der deutschen Influenzagesellschaft über den Preis für Wissenschaftspublizistik zum Deutschen IQ-Preis, Ranga hat schon Berge von Lametta abgeräumt. Er ist der größte anzunehmende Konsens der Konsensgesellschaft. Mit ihm kann der Preisvergebende - meist ein hauptsächlich um die eigene Bedeutung bemühter Verband, eine Stiftung oder eine Gesellschaft - nichts falsch machen. Wenn der Gegenpart zum Querdenker der Längsdenker ist, dann verläuft Rangas Denken wie ein Längengrad auf dem Globus. Ob es um Erderwärmung, industrielle Nahrungsmittelfertigung oder Atomkraft geht, er weicht nicht einen Millimeter ab von der ökokorrekten Leitkultur.

Kein Scheunentor der mittleren Meinung, durch das er nicht schon geritten wäre. Immer ganz locker, mit demokratisch offenem Kragen, nie mit dieser angeberischen Gelehrtenfliege. Er passt perfekt ins ARD-System, das ihn seit einem Vierteljahrhundert beschäftigt. Jederzeit kann man ihn sich im Doppelpack mit der gertenschlanken Caren Miosga vorstellen (wie jüngst bei der einwöchigen ARD-Volkserziehungskampagne „Essen ist Leben“). Doch schwerlich mit einem barocken Ernährungsketzer wie Udo Pollmer.

Kann man den Ranga deswegen schelten? Natürlich nicht. Er moderiert, was man von ihm verlangt. Heute Abend zum Beispiel das ARD-„Aufklärungsquiz“. Es geht dabei um das unvergängliche Kolle-Thema „Wie liebt Deutschland?“. Fortsetzung von Rangas (im Prinzip bereits gelösten) Alltagsrätsel „Warum Frauen kalte Füße haben“? Es seien, schreibt er auf seiner Homepage über sein Erfolgsgeheimnis, „oft die ganz einfachen Fragen, die eine verblüffende Antwort bereithalten und die Lust am Erkenntnisgewinn steigern.“

Geht das nur mir so, dass mich ausgerechnet dieser sympathische Klugmensch ein bisschen nervt? Warum nur? Weil er aus allen Röhren und Plasmabildschirmen springt wie Jack aus der Box? Oder weil man von ihm weder einen einzigen guten Gag gehört hat noch glauben mag, er könnte einen solchen kennen? Oder liegt es daran, dass bei Journalisten, die fürs Kinder- wie fürs Erwachsenenfernsehen gleichermaßen geeignet sind, irgendetwas nicht stimmen kann?

Jedenfalls erinnert er mich immer an das Schweinchen Schlau der Klasse, mit dem wir als Jungs nie spielen wollten. „Wie der Körper auf steigenden Alkoholgenuss reagiert“ (eines von Rangas pfiffigen Aufklärungs-Stückchen), das hätten wir uns von so einem vielleicht spaßeshalber verklickern lassen.

Mehr aber auch nicht.

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