Mindestens fünf Tote und mehr als 200 Verletzte gab es gestern, als ein aus Saudi-Arabien stammender Mann gezielt in eine Menschenmenge im Magdeburger Weihnachtsmarkt fuhr. Im Hinblick auf den Täter gibt es offenbar viele offene Fragen.
Einen Tag nachdem in Berlin der Toten des islamistischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz vor acht Jahren gedacht wurde, schockierte gestern ein ähnlicher Anschlag mit mindestens zwei Toten in Magdeburg die deutsche Öffentlichkeit. Der Täter raste am Abend mit einem Leihwagen in eine Menschenmenge zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden. Von mindestens zwei Todesopfern und bis zu 80 Verletzten wurde zunächst berichtet. In der spätabendlichen Berichterstattung in den deutschen Nachrichtenmedien erfuhr man vergleichsweise schnell, dass der Täter aus Saudi-Arabien stammte. Der sichtlich betroffene Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff, und seine Landesinnenministerin Tamara Zieschang informierten die Öffentlichkeit höchstselbst als Erste vor Ort darüber, dass es sich bei dem mutmaßlichen Mörder um einen 50-jährigen Arzt handele, der seit 2006 in Deutschland lebt, inzwischen hier eine Niederlassungserlaubnis besitze und im anhaltischen Bernburg arbeite.
Die Berichterstatter fragten, ob es sich um einen Einzeltäter handelte und sprachen auch zaghaft von dem Verdacht, den wahrscheinlich fast jeder Zuschauer hegte, nämlich dass es sich um einen islamistischen Anschlag handeln könnte. Allerdings – so hieß es – sei der arabische Arzt den Behörden nicht als Islamist bekannt. Neben Ministerpräsident und Innenministerin trat in Magdeburg auch die parteilose Magdeburger Oberbürgermeisterin Simone Borris vor Kameras und Mikrofone. Sie konnte die Tränen bei ihrer kurzen Ansprache nicht zurückhalten. Diesen regionalen Politikern gelang es offenbar nicht, die eigenen Emotionen hinter den üblichen Floskeln zu verbergen.
Prominente Bundespolitiker erschienen gestern nicht vor Ort. Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Wer an einem Katastrophenort keine hilfreiche Aufgabe wahrnehmen kann, ist bei Rettungsarbeiten oft eher hinderlich. Aber dass alle wichtigen Vertreter aller Parteien den Opfern und Angehörigen lediglich in den sogenannten sozialen Medien schnell in gleich klingender geschäftsmäßig-floskelhafter Kürze ihre Anteilnahme erklärten, wirkte auch nicht angemessen. Ein paar mitfühlende Worte in eine Kamera zu sagen, dazu war offebar keiner der deutschen politischen Spitzen-Darsteller bereit.
Entschlossenheit und Handlungsbereitschaft?
Wahrscheinlich dachte fast jeder Beobachter und Berichterstatter, dass dieser Anschlag für die Politiker der mutmaßlich künftigen schwarzroten, schwarzgrünen oder schwarzrotgrünen Regierung einfach zur Unzeit kommt. Schließlich würden die Herren Kanzlerkandidaten Merz, Habeck und Scholz das Thema Migration gern aus dem Wahlkampf ausklammern. Sie wissen nur zu gut, dass die von ihren Parteien praktizierte Zuwanderungspolitik angesichts steigender Gewaltkriminalität in Bereichen wie Messerstechereien, antisemitischen Angriffen oder Gruppenvergewaltigungen nicht besonders populär ist.
Für den heutigen Samstag haben sich nun Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Genossin Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Magdeburg angekündigt. Sie werden der Presse sicher wiederholt erklären, wie sehr ihre Gedanken bei Opfern und Angehörigen sind. Vor allem aber werden sich die beiden Vertreter der deutschen Rest-Regierung in Auflösung in der Darstellung von Entschlossenheit und Handlungsbereitschaft versuchen.
Nun schien es also zunächst, dass das unbequeme Thema unkontrollierte Migration und ihre Folgen wieder brutal an die Oberfläche geholt wurde. Und ein paar Stunden lang war wahrscheinlich die Mehrheit der Nachrichtenkonsumenten überzeugt, bei dem arabischen Mörder von Magdeburg würde es sich um einen Islamisten handeln.
Manch einen machte es allerdings stutzig, dass hier keiner der zahlreich aus dem islamischen Kulturraum zugewanderten jungen Männer, die das Land eigentlich längst hätten wieder verlassen müssen, tötete, sondern ein fünfzigjähriger Arzt mit Aufenthaltstitel und Arbeitsplatz. Auch mancher der in den verschiedenen Sendungen befragten Experten spekulierte, wie sich der Herr Doktor wohl radikalisiert haben könnte.
Aber der Arzt war offenbar kein Islamist. Als die Welt zu mitternächtlicher Stunde dann zusammentrug, was „wir über den Attentäter von Magdeburg“ wissen, konnte man doch Überraschendes lesen. Demnach war der Herr Doktor nämlich kein finsterer Islamist, sondern eher ein atheistischer Vorzeigeflüchtling. Nach dem, was dort zu nächtlicher Stunde zu lesen war, hätte der Mann vor einigen Jahren ein Werbeträger für Merkels Zuwanderungspolitik sein können. Der Facharzt für Psychiatrie sei als Gastarzt in der Facharztausbildung zum Psychotherapeuten nach Deutschland gekommen und habe hier später Asyl beantragt, weil er für seine Abkehr vom Islam in der Heimat mit dem Tod bedroht wäre, hieß es. 2016 wurde er in Deutschland als Flüchtling anerkannt und habe dann mit großem Engagement anderen saudischen Flüchtlingen geholfen. Er arbeitete als Arzt, kassierte demnach keine Sozialleistungen, sondern zahlte Steuern. Nach Informationen der Welt aus Sicherheitskreisen soll der Mann im Maßregelvollzug in Bernburg gearbeitet haben.
Jagd auf saudische Asylbewerberinnen?
Vor fünf Jahren berichteten deutsche und internationale Medien über ihn, denn er hatte es sich erklärtermaßen zur Aufgabe gemacht, anderen Verfolgten aus Saudi-Arabien, insbesondere Frauen, beim Weg ins Asylverfahren nach Deutschland zu helfen. In Deutschland interviewten ihn damals u.a. die Frankfurter Rundschau und die FAZ wegen seines Engagements. In einem der Interviews hat er sich selbst als „aggressivsten Kritiker des Islams“ bezeichnet.
Das klingt wahrlich nicht nach einem Mann, der im Namen Allahs Ungläubige töten will. Aber den Leihwagen scheint er ja in Tötungsabsicht bewusst in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gefahren zu haben. Aus welchem Motiv?
Was die Welt dann über seine aktuelleren Auslassungen auf X berichtet, lässt – zurückhaltend formuliert – auf eine recht merkwürdige Realitätswahrnehmung schließen:
„Am Freitagabend hatte er dort mehrere Videos gepostet, in denen er auf Englisch sagt: ‚Ich mache die deutsche Nation für die Tötung von Sokrates verantwortlich.‘“
Oder: „Später sagt er in dem Video: ‚Die Regierung ist kriminell, statt mich zu schützen. Die Polizei sind die Kriminellen. In diesem Fall mache ich die deutsche Nation und die deutschen Bürger dafür verantwortlich.‘
Im Profiltext des Mannes heißt es auf Englisch: ‚Deutschland jagt saudische Asylbewerberinnen innerhalb und außerhalb Deutschlands, um ihr Leben zu zerstören‘. Und: ‚Deutschland will Europa islamisieren‘.“
Auf Deutsch soll auf seinem Account auch Folgendes gestanden haben:
„Meiner Erfahrung nach, ist die deutsche Polizei der echte Treiber des Islamismus in Deutschland. Meine Erfahrung ist 7 Jahre lang in denen die Polizei, zuletzt im März 2024, schmutzige Taktiken gegen mich sowie andere Islamkritiker angewendet hat um unseren anti-islamischen Aktivismus zu zerstören. Die Linken sind Verrückt. Wir brauchen AFD um die Polizei vor sich zu schützen.“
Wenn all das stimmt, was soll man davon halten? Hat der Psychiater selbst ein psychisches Problem? Und muss man befürchten, dass diese Zeilen jetzt jemand dazu nutzt, den Magdeburger Anschlag als islamfeindliche Tat eines AfD-Anhängers zu brandmarken?
Von den schwarzrotgrünen Politikern würde man ja normalerweise nach einem solchen Anschlag erwarten, dass sie vor der politischen Instrumentalisierung dieser schrecklichen Tat warnen. Und dabei werden sie vermutlich auch bleiben. Denn unbequeme Fragen stellen sich ja dennoch, nicht nur an die Migrationspolitik. Auch die Frage, warum ein Mann, der die folgenden Sätze im August 2024 auf Arabisch gepostet haben soll, noch im Maßregelvollzug arbeiten konnte, drängt sich auf. Die Welt zitiert ihn so:
„Ich versichere Ihnen: Wenn Deutschland Krieg will, werden wir ihn haben. Wenn Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder voller Stolz ins Gefängnis gehen. Weil wir alle friedlichen Mittel ausgeschöpft haben, sind uns nur noch mehr Verbrechen seitens der Polizei, des Staatsschutzes, der Staatsanwaltschaft, der Justiz und des Innenministeriums begegnet. Frieden nützt ihnen nichts.“
Hätte da nicht irgendwem auffallen müssen, das etwas mit dem Mann nicht stimmt? Beobachtet eigentlich jemand, was die vielen arabischen Asylbewerber hierzulande so auf Arabisch verbreiten? Manches davon sollte man offensichtlich ernst nehmen.
Redaktioneller Hinweis: Die Opferzahlen in diesem Beitrag wurde am 21.12 um 11:50 von der Redaktion aktualisiert
Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.