Gastautor / 22.05.2024 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 11 / Seite ausdrucken

Radikal fürs Klima

Von Boris Blaha.

Es soll mal wieder mehr revolutionäre Radikalität walten, diesmal um das dumme Volk mit Gewalt auf die heilsgewisse Klimalinie zu zwingen.

Alles Nazis außer Mutti war gestern. Jene, welche noch vor Kurzem mit dem Finger auf jeden zeigten, der ihre Meinung nicht teilte, präsentieren sich nun selbst als direkte Nachfolger der revolutionären Bewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts, was nicht weiter überrascht, denn jedem Kundigen war bewusst, dass Faschist und Antifaschist in ihrer imaginären Verklammerung zusammengehören wie zweieiige Zwillinge.

Wenn das Klima – wie seine Jünger nicht müde werden, uns täglich als apokalyptische Johannes-Posaune ins Ohr zu pusten – immer extremer wird, muss kriegslogischerweise zur Bekämpfung dieser drohenden Urkatastrophe auf jene Gewaltexzesse zurückgegriffen werden, die dem „Zeitalter der Extreme“ den Namen gegeben haben.

Frau Prof. Hedwig Richter, die ja eine gewisse Leidenschaft entwickelt, sich mit decouvrierenden Sentenzen ins Gespräch zu bringen, äußerte kürzlich in einem taz talk zu Klimakrise und Öko-Revolution, dass die Konsequenzen, die man nach dem Krieg aus dem Nationalsozialismus gezogen hätte – den Stalinismus erwähnte sie nicht – heute hinderlich wären und über Bord geworfen werden müssten, damit an jene revolutionäre Radikalität wieder angeknüpft werden könne, die unbedingt notwendig sei, um die widerspenstige Bevölkerung, die trotz massiver Aufklärung an ihrer zerstörerischen Normalität festhalten wolle, auf heilsgewisse Linie zu zwingen.

Wer sich an ihr Wort von der Suppenkasperfreiheit erinnert, wird allerdings zu fragen haben, wer denn hier der intellektuelle Suppenkasper ist, der aus der längst fauligen Brühe der Begründungsontologien sein bereits zigmal aufgewärmtes linkes Revolutionssüppchen kochen und kredenzen möchte. Die intellektuelle Notdurft dieser Nachtröpfler reicht gerade noch für die Pissrinne, womit nebenbei an merklich fehlende Stimmen wie Georg Schramm erinnert werden soll, dem wir diese unvergessene Formulierung für den Zeitgeist der Klofrauen verdanken.

Nachdem Gott als plausible zentrale Begründung weggefallen war, das metaphysische Subjekt und der Weltgeist keinen vollwertigen Ersatz lieferten, entstanden im 19. Jahrhundert die zahlreichen Versuche, im Bereich des Realen einen neuen Grund ausfindig zu machen, auf den sich alles Geschehen zurückführen ließe. Das war bei Marx die Geschichte, die bekanntlich eine von Klassenkämpfen sein soll, bei Darwin die Natur, und heute muss das Klima jene Leerstelle füllen, für die die Sterblichen nach dem Verlust göttlicher Vorsehung noch keine politische Antwort gefunden haben, mit der sie ihre Ängste bei aufkommender Orientierungslosigkeit beruhigen könnten.

„Revolution und Demokratie sind gegensätzliche Begriffe“ schrieb Raymond Aron 1955 in Opium für Intellektuelle angesichts der Begeisterung der Linken für Gewaltorgien im Namen revolutionärer Herstellung ganz neuer Wirklichkeiten.

Dass es nicht nur einen Sinn von Revolution gibt, war Hannah Arendt an der ungarischen Revolution von 1956 aufgefallen. Diese hatte die eigentlich moderne Tradition der französischen und bolschewistischen Revolution unterbrochen und damit unwissentlich an die älteren politischen Revolutionen wie z.B. die niederländische wieder angeknüpft, was unter anderem daran lag, dass die Ungarn ihr Ungarn wiederhaben und nicht ein Außenlager der Stalinisten werden wollten. Ich gehe wahrscheinlich nicht fehl in der Annahme, dass Arendt, die 1975 gestorben ist, auch die polnische und die baltischen Revolutionen in diesem Sinne beurteilt und geschätzt hätte.

In einem Interview, das vor wenigen Tagen erschienen ist, positionierte sich Hans-Georg Maaßen gegen die simplifizierende Rhetorik der Radikalität und plädierte für Verhältnismäßigkeit, Maß und Mitte. Das Interview endet mit dem Satz: "Ich möchte mein Deutschland wieder zurückhaben". Dem kann ich mich ohne Wenn und Aber anschließen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei hannah-arendt.de.

 

Boris Blaha geb. 1960 in München; ist Publizist. Er studierte Geschichte, Soziologie, Sozial- und Kulturwissenschaften an den Universitäten Würzburg, Regensburg und Bremen hat den Abschluss M.A.. Zudem ist er Gründungsmitglied des „Hannah Arendt Preis für politisches Denken“.

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Leserpost

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Wilfried Cremer / 23.05.2024

Das Klima ist der neue Antisemitismus. Greta hat es drauf und obendrein den Schleier eines (angeblichen) Erzengels. Der Bischof von Berlin ist hin und weg von ihr, die Stadt nur weg.

Sam Lowry / 22.05.2024

“...das dumme Volk…” Genau so ist es! Nur noch Deppen. Ob es an der “Impfung” liegt? Ich habe da einen Verdacht ;-)

Thomas Szabó / 22.05.2024

Wissenschaftler wie Einstein suchten nach der Weltformel, der Theorie von Allem. Einstein war naturgemäß Wissenschaftler genug, ehrlich & anständig genug, um sich keine fingierte Formel aus dem Finger zu saugen und sie marktschreierisch als die Weltformel zu vermarkten. Zu solchen Scharlatanerien fühlen sich alters her die Ideologen, Philosophen, Theologen, also die Geschwätzwissenschaftler bemüßigt, heute wieder besonders die Schöpfer sozialistischer Weltformel.

Ferdinant Katz / 22.05.2024

Es ist ein Treppenwitz der jüngeren Geschichte, dass es eine Art Zyklus der linken Idiotie zu geben scheint, der die “modernen” Gesellschaften heimsucht, sowie die intellektuelle Elite einen neuen Gottseibeiuns auserkoren hat, in dessen Namen sie die ihnen lästig gewordenen Strukturen abfackeln und zerklopfen können - natürlich stets mit dem Versprechen eines neuen viel besseren Utopias auf den geifernden Mündern. Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte nach der Betrachtung so einiger Revolutionen dass dies lediglich als Staffage angesehen werden kann, die den kindlichen, bisweilen primitiven Drang nach Zerstörung kaschieren und das Handeln heiligen oder zumindest rechtfertigen soll. Denn außer Zerstörung und der Orchestrierung derselben, ist von diesen Gestalten wenig bis gar nichts zu erwarten und im Nachgang, sind es dann die Vordenker und Aufwiegler die sich noch am Abend des ersten Tages der Revolution von der Bühne stehlen um schon einmal das immer wiederkehrende Mantra des “es war nicht der wahre…” einzustudieren, womit dann die nächste “Revolution” vorbereitet wird, sobald man genug intellektuelle Nullsummen-Denker um sich versammelt hat. Ob es nun wegen dem Klima oder Trans-Gedöns oder von mir aus, dem Umgekehrten Apartheids-Schmonz rumpelt, macht keinen Unterschied- irgendein Hirnriss wird schon wieder dafür herhalten um Revolution zu krakehlen und den wenig amüsierten Normalos auf den Sack zu gehen.

Rolf Mainz / 22.05.2024

Ja, Frau Prof. Richter hat Recht: es ist genau dieselbe “revolutionäre Radikalität” wie 1933, welche Klimahysteriker/innen und woke Jünger/innen (unbedingt auch in weiblicher Ausprägung) mit ihren damaligen Vorgängern im Geiste eint. Haltung nannte sich damals Gesinnung - und wurde ebenfalls vorgeschrieben. Und Frau Professor ist Teil des Problems.

Klara Altmann / 22.05.2024

Erst neulich hatte ich wieder eine Begegnung mit fanatischen Klimajüngern in der Stadt, die die desinteressiert vorbeieilenden Passanten maximal elektronisch zuschallten, untermalt mit einer besonders armseligen Darbietung des sterbenden Schwans. Hatte den Fehler gemacht, mich auf eine Diskussion einzulassen, trotz deren auffallend herablassender Haltung. Habe herausgefunden, dass ihnen wesentliche Fakten unbekannt sind, weil alles erst einmal auf dem Mobiltelefon gesucht werden musste. Die Erde ergrünt seit Jahrzehnten laut NASA-Satellitenbilder, Fehlanzeige, nicht bekannt und warum sollte das relevant sein? CO2 fördert das Pflanzenwachstum und ist deshalb mithin ein Ursprung allen Lebens - irgendwie bekannt, aber nicht verstanden. Wir sind in der Warmphase einer Eiszeit und eine Zwischenkaltphase ging Ende des 19. Jh. zu Ende - irgendwie mal gehört, aber auch nicht ganz klar.  Die Hockeyschlägerkurve ist eine wissenschaftliche Fälschung - unbekannt.  Die Kurve würde aber dann doch irgendwie stimmen, wegen der Algenringe, die beweisen sollten, dass das Meerwasser sehr kalt gewesen wäre, während die Landtemperaturen sehr heiß waren. Sicherlich war es so. Weiteres Gegenargument der Klimafürchtenden: 98 Prozent aller Menschen (!) seien überzeugt von einem menschengemachten Klimawandel. Offensichtlicher Unsinn. Angeführte Quelle - das örtliche Käseblatt. Und die ganze Zeit eine Körpersprache der Gruppe, die nicht nur entfernt an Höhlenmenschen-Aggressionen erinnert, ständig gebleckte Zähne und mir abwehrend entgegengestreckte Mobiltelefonie wie in früheren Zeiten das Kruzifix. Irgendwann ging ich dann, man verplempert nur seine Zeit, die Regression ist offensichtlich zu weit fortgeschritten.

Dr. Joachim Lucas / 22.05.2024

Am Ende wollen sie nur an die Fleischtöpfe und an die Schaltstellen der Macht. Und dann gibts Lager für alle, die nicht an ihre Endzeitreligion glauben. Immer das gleiche, ob links, rechts, Regenbogen oder sonstwas.

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