Marie Wiesner, Gastautorin / 27.10.2024 / 10:00 / Foto: Pexels.com / 23 / Seite ausdrucken

Queere Vampire?

Der Deutschlandfunk stört sich an der Serie "Love Sucks". Die ist ihm zu heteronormativ. Man hätte sich offenbar gern einen queeren non-binären Vampir gewünscht, der sich bei seinen Opfern mit seinen Pronomen vorstellt, bevor er sie aussaugt.

Als ich Teenager war, liebte ich Vampir-Filme. Mein erster Liebling war Twilight. Es handelt von einem Teenager namens Bella, die sich in Edward verliebt, einen äußerlich jungen Mann, der in Wahrheit schon einige Jahrzehnte als Vampir auf dem Buckel hat. Zugegeben, die Filme zeichnen sich nicht durch besondere Feinheiten aus, und die Story ist auch nicht überragend.

Bellas immergleicher und verbissener Gesichtsausdruck oder Edwards Fähigkeit, in der Sonne zu glitzern, haben den Filmen auch nicht zu Tiefgang verholfen. Ein glitzernder Vampir? Ich bitte Sie. Im Prinzip geht es hauptsächlich um den Aspekt der verbotenen Liebe und das berühmte Will-nicht-will-doch-Spiel. Ein bisschen Blut und kalkweiße Vampirgesichter und ein paar Werwölfe – fertig war der Film.

Mein 14-jähriges Ich wäre empört über diese harten Worte. Schließlich fand ich die eher lahme Story zu diesem Zeitpunkt wahnsinnig spannend.

Love Sucks

Ein paar Jahre später, nachdem ich sowohl alle Filme gesehen als auch alle Bücher gelesen hatte, nahm ich die nächste Geschichte in Angriff. Diesmal handelte es sich um die Serie „The Vampire Diaries“, die, im Gegensatz zu Twilight, vor Blut und Gewalt nur so triefte – von der allgemeinen Verwirrung einmal abgesehen. Am Ende weiß keiner, wer eigentlich gut und wer böse ist. Zudem war es scheinbar wichtig, dass fast jeder der Charaktere einmal „sterben“ musste, um in den meisten Fällen wieder zu den Lebenden oder den Untoten zurückzukehren. Da wurde gepfählt und in der Sonne verbrannt, was das Zeug ging. Trotzdem war die Handlung aufgrund der vielen Akteure und Überraschungsmomente besser als „Twilight“. Trotz dieses Vorteils wird TVD wohl nie den popkulturellen Status von Twilight erreichen, was immer noch von so vielen Teenagern geschaut wird – einfach, weil es nur eine Art „Nachfolger“ und zudem noch eine Serie mit stolzen acht Staffeln ist. Ich habe ungefähr fünf davon geschaut, bis ich gelangweilt war, da sich die Muster von „Gut gegen Böse“, immer ein neuer Feind sowie die wechselnden Liebschaften wiederholten.

Was Twilight und The Vampire Diaries gemeinsam haben und viele junge Mädchen anspricht, ist der Grundgedanke: Ein normales Mädchen verliebt sich in einen bösen Jungen. Ihr Alltag wird auf einmal spannend, und sie versucht, ihm seine gute Seite zu entlocken. Der böse Junge wiederum beschützt sie, kann sich ihr aber nicht vollkommen öffnen, und ein Hin-und-Her über mehrere Staffeln und Filme beginnt.  

Bevor Sie sich jetzt fragen, was das jetzt schon wieder soll und warum die Achse zur „Bravo“ mutiert, kommen wir zu einer aktuellen Serie aus dem ÖRR.

Das ZDF hat sich nämlich die Mühe gemacht, das Thema mit der Serie „Love Sucks“ neu zu bearbeiten. Zu diesem Zweck castete es den Mädchenschwarm Damian Hardung, den Sie vielleicht nicht kennen, dafür umso mehr junge Mädchen und junge Frauen – zum Beispiel aus den Serien: „Maxton Hall“, „Gestern waren wir noch Kinder“ und „Club der roten Bänder.“

Der Traum vom queeren non-binären Vampir

Die Handlung von „Love Sucks“ ist sehr schnell erzählt: Zelda, die Tochter eines Schaustellers und Vampirjägers, verliebt sich in Ben, einen Vampir. Dummerweise tötete sie aus Versehen auf einer Blutsauger-Party die Freundin von Bens Bruder Theo. Der will Rache. Es scheint, als wäre die Liebe zwischen Zelda und Ben aufgrund der Feindschaft ihrer Familien zum Scheitern verurteilt…

Allerdings haben die Macher beim Abdrehen einen fatalen Fehler begangen. Zumindest in den Augen von Deutschlandfunk im Popkultur-Wochentalk. Der Fehler ist nicht, dass Vampirserien eventuell nicht mehr so interessant sein könnten oder dass die Serie zu brutal daherkommt. Nein, es ist viel schlimmer. Die beiden Vampirbrüder leben ihre heteronormativen Beziehungen aus, wobei die Frau das schwächere Geschlecht darstellt. Außerdem seien Vampire laut den Journalisten schon immer „queer“ gewesen, weil ihnen jede Norm – das heißt, wen sie aussaugen – egal gewesen sei und sie ihre „Blut-Lust“ einfach so ausleben. Die Tatsache, dass Zelda, in diesem Fall als Stärkere, Ben im Boxring am Anfang der Serie besiegte, reichte nicht aus. Und hier zeigt sich – mal wieder –, dass eine gewisse Art von Journalisten in ihrer ganz eigenen Traumwelt lebt. Die Damen und Herren hätten sich offenbar gern einen queeren non-binären Vampir gewünscht, der in einer polyamorösen Beziehungen lebt und sich bei seinen Opfern mit seinen Pronomen vorstellt, bevor er sie aussaugt.

Gut, vielleicht übertreibe ich etwas, aber hier prallt die Lebenswelt des sogenannten „Normies“ mit der der linken Ideologen aufeinander. Der linke Ideologe will jeden Lebensbereich nach seiner Fasson kontrollieren, während das Normie-Mädchen den Mainstream zwar liebt und gerne mit leichter Unterhaltung beglückt wird, sich aber auch gern mit den Charakteren auf der Leinwand identifiziert. Wird’s ihr „zu bunt“, steigt sie aus. Sie spricht sich nur nicht explizit gegen die Ideologie aus, weil sie entweder nicht anecken will oder sie sie nicht bemerkt.

In der Serie sieht man – welche Überraschung – eine Menge Blut. Schlimmer als das sind jedoch die Lichteffekte direkt in den ersten beiden Folgen, die wesentlich belastender waren als das Aussaugen der Opfer. Auch bei der Blutsauger-Fetischparty konnte ich nur den Kopf schütteln. Was an Geschichte und tiefgründigen Charakteren fehlt, soll mit nackter Haut und erotischen Tänzen kompensiert werden. Dieser Teil wurde vom Deutschlandfunk im Übrigen nicht kritisiert. Wen stört schon die Degeneration der Gesellschaft, die mittlerweile so „normal“ ist, dass halb-pornographische Inhalte im ÖRR in einer Jugendserie gezeigt werden? Den Deutschlandfunk und das ZDF offenbar nicht.

 

Marie Wiesner, Jahrgang 1999, arbeitet in der Redaktion der Achse des Guten.

Foto: Pexels.com

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Leserpost

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Lutz Herrmann / 27.10.2024

“Spätgermanische Dekadenz” trifft es nicht ganz. Ausgedachte Geschlechtsidentitäten gehören explizit ins Reich der phantastischen Literatur. Wie Vampire, Werwölfe und Elfen eben auch.

Helmut Driesel / 27.10.2024

  Spätgermanische Dekadenz halt, vielleicht gehen die Offiziellen ja davon aus, dass sowas im Öffentlich-Rechtlichen sowieso kaum jemand anschaut. Obwohl wir ja eher die Versuchsratten der Amerikaner sind, kinematisch dramaturgisch betrachtet. Ich mag Filme mit Werwölfen oder Vampiren nicht, generell stört mich, wenn in Film oder Fernsehen viel geschrien wird. Es ist auch nur am Rande von Bedeutung, inwieweit das Erbgut ist oder Kleinkind-Erfahrung. Aber um so interessanter scheint mir die alltägliche Routine und Normalität, mit der die Autorin ihre Befindlichkeit und Erinnerungen schildert. Es liegen eben doch Welten zwischen den Generationen. Den Link zur Hans-Böckler-Stiftung (DGB) habe ich mal verfolgt. Alleine das dort Gelesene ist es wert, den Sonntagvormittag hier verbracht zu haben. Zu den “Boomern” steht da beispielsweise viel Negatives, aber nichts darüber, ob sie eventuell viel gearbeitet haben. Noch ein paar lose Zitate aus längerem Zusammenhang gerissen: “Mit Ausdrücken wie ‘Normie’ oder ‘NPC’ werden im rechten Diskurs Angehörige der Mehrheitsgesellschaft bezeichnet, die für die im (neu-)rechten Denken verbreitete Weltsicht und Vorstellungen (noch) nicht zugänglich sind: Normies leben aus neurechter Sicht in einer Scheinwelt, die sich insbesondere auf die Realität der bundesrepublikanischen Gesellschaft der letzten Jahrzehnte stützt.” Die rechte “Szene” wird in Teile unterschieden, die “rechte Twittersphäre mit der AfD und ihrer Sympathisanten” und die “subkulturellen Milieus der rechten Onlinesphäre (also der Siff- und Trollbubble)”. Ich frage mich, was machen die Vampir-Fans denn sonst im richtigen Leben? Meine Mutter hat in ihrer Jugend hübsche bunte Deckchen gehäkelt oder bestickt. Die liegen heute noch nutzlos hier rum. Aber ich hätte es völlig entwürdigend gefunden, sie im Ebay anzubieten. Normal ist das nicht, ne?

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