Die Zeiten, in denen Russland den Chinesen in Afrika das Feld überließ, sind vorbei. Mittels „Sicherheitsfirmen“ nimmt der Kreml jetzt Einfluss. Eine Schlüsselfigur heißt Jewgeni Prigoschin.
Moskau setzt in Afrika in großem Stil Söldner, meist Veteranen der russischen Armee, ein. Jewgeni Prigoschin gilt als Kreml-naher Oligarch. Er steuert Russlands bekannteste und zwielichtige private paramilitärische Söldnertruppe, die Gruppe „Wagner“, um Moskaus Interessen durchzudrücken. Sein Spitzname ist „Putins Koch“, weil er fotografiert wurde, als er den Präsidenten in einem seiner Restaurants persönlich bediente.
Aufgebaut wurde die „Gruppe Wagner“ etwa 2014 von dem ehemaligen Elite-Soldaten Dmitrij Utkin. „Wagner“ war sein Kampfname. Die Gruppe soll bei den Kriegen in der Ostukraine, Syrien und Armenien beteiligt gewesen sein. Das Unternehmen ist in Argentinien registriert. In Russland ist Söldnertum illegal.
Zentralafrikanische Republik
Im Februar 2018 hatte der französische Radiosender „Europe No. 1“ über russische Kämpfer der Söldnertruppe „Wagner“ in der Zentralafrikanischen Republik berichtet. Drei russische Journalisten, die im Auftrag des Kreml-Kritikers Michail Chodorkowskij in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) waren und über die Gruppe Wagner recherchierten, wurden bei einem Überfall im August 2018 ermordet (siehe hier). Es deutet vieles darauf hin, dass ihre Nachforschungen zur Gruppe Wagner der Grund für ihren Tod waren.
Nachdem Frankreich seine Militär- und Finanzhilfe gestoppt hatte, lieferte Russland 2018: 4.320 Militärlaster, 6.200 Kalaschnikow-Gewehre, 900 automatische Makarov-Pistolen, 270 Raketenwerfer und 20 Boden-Luft-Raketen. Gleichzeitig kamen die ersten russischen Militärberater in die Zentralafrikanische Republik, um die Aktivitäten russischer Unternehmen zu sichern. Der Präsident Faustin-Archange Touadéra wird von nun an von russischen Kämpfern der privaten Sicherheitsfirma „Sewa Security Services“ geschützt. Russland wird zum Gegenspieler Frankreichs. Putin spielt die Karte des „anti-imperialistischen Russlands“, das nie Kolonien in Afrika gehabt habe. Touadéras oberster Sicherheitsberater ist der ehemalige Militärgeheimdienstoffizier Valery Zakharov.
In Mali könnte es ein ähnliches Szenario geben, sollte sich Frankreich aus dem westafrikanischen Staat zurückziehen. Die französische Monatsschrift Jeune Afrique vom August 2021 berichtet, dass es in Bamako, der Hauptstadt Malis, und Sikasso bereits mehrere prorussische und antifranzösische Kundgebungen gegeben habe. Auch in Libyen sei die „Gruppe Wagner“ fest an der Seite von Warlord Khalifa Haftar etabliert; auch dem zweitältesten Sohn von Diktator Muammar Gaddafi, Saif al-Islam Gaddafi, werden laut BBC-Online vom 12.8.2021 Kontakte zu den Söldnern nachgesagt. Russland setzt in Afrika auf anti-westliche Ressentiments. Das ist eine neue Form von Außenpolitik.
Selbstbewusste Geopolitik mit Hilfe von „Sicherheitsfirmen“
Jeune Afrique schreibt weiter, dass durch die Gruppe Wagner der russische Einfluss auf dem Kontinent nirgends so schnell gewachsen sei wie in der Republik Zentralafrika. Vor drei Jahren begann die Gruppe, die Hauptstadt Bangui zu erobern. Aber immer noch kämpfen in vielen Teilen des Landes Milizen gegen Regierungstruppen. Die Gruppe Wagner nimmt direkt an den Kämpfen teil. Am 18. April 2021 habe Moskau von 532 Ausbildern in der ZAR gesprochen, aber gut unterrichtete Kreise bezifferten die „Ausbilder“ auf etwa 2.000. Darunter seien auch Syrer und Libyer.
Die Herrschenden in der ZAR werden zunehmend von russischen Sicherheitsfirmen wie Wagner abhängig. Der politische, wirtschaftliche und militärische Einfluss der Gruppe auf den Präsidenten Touadéra und die Regierung sei „quasi totale“ (fast vollständig). Die Regierung habe keine Kontrolle über die Entscheidungen von Wagner. Die Kommandozentrale von Wagner würde ihre Entscheidungen im Camp de Berengo (dem früheren Palast von „Kaiser“ Bokassa) fällen, bevor sie sie an den Präsidenten und an den Verteidigungsminister kommunizierten. Einheimische haben zu dem Gelände keinen Zugang. Der Sohn von Bokassa, Jean Serge Bokassa, wollte am 3. November 2020 das Mausoleum besuchen, in dem sein Vater begraben ist. Trotz der Genehmigung der Verteidigungsministerin Marie-Noelle Koyara wurde ihm der Besuch des Grabes von den Russen verweigert.
Die „Gruppe Wagner“ kämpfe aufseiten der Regierung gegen Aufständische, im Gegenzug erhalte Russland Zugang zu Minengesellschaften in der ZAR. Die Gruppe soll Anteile an Gold- und Diamantminen im Nordwesten des Landes besitzen. 17 Hubschrauber habe die Gruppe in Bangui stationiert. Häufig brächten Antonovs Waffen, Munition und anderes militärisches Material in die ZAR.
Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte Russland auf dem afrikanischen Kontinent eine untergeordnete Rolle gespielt. Moskau überließ das Feld vorwiegend den Chinesen. Das hat sich seit 2018 geändert. Mit diesen „Sicherheitsfirmen“ testet der Kreml seine außen- und sicherheitspolitischen Absichten und unterstützt gleichzeitig autoritäre Herrscher im Tausch für Rohstoffe. Ihre Kämpfer waren in den vergangenen Jahren in vielen Ländern aktiv, in denen Russland geopolitischen Einfluss gewinnen will (in der Ukraine, in Syrien, im Sudan, in Mocambique, Libyen und eben auch in der Zentralafrikanischen Republik).
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“, ein Afrika-ABC in Zitaten).