Volker Seitz / 08.09.2021 / 06:00 / Foto: Imagoo / 31 / Seite ausdrucken

Putins Koch in Afrika

Die Zeiten, in denen Russland den Chinesen in Afrika das Feld überließ, sind vorbei. Mittels „Sicherheitsfirmen“ nimmt der Kreml jetzt Einfluss. Eine Schlüsselfigur heißt Jewgeni Prigoschin.

Moskau setzt in Afrika in großem Stil Söldner, meist Veteranen der russischen Armee, ein. Jewgeni Prigoschin gilt als Kreml-naher Oligarch. Er steuert Russlands bekannteste und zwielichtige private paramilitärische Söldnertruppe, die Gruppe „Wagner“, um Moskaus Interessen durchzudrücken. Sein Spitzname ist „Putins Koch“, weil er fotografiert wurde, als er den Präsidenten in einem seiner Restaurants persönlich bediente. 

Aufgebaut wurde die „Gruppe Wagner“ etwa 2014 von dem ehemaligen Elite-Soldaten Dmitrij Utkin. „Wagner“ war sein Kampfname. Die Gruppe soll bei den Kriegen in der Ostukraine, Syrien und Armenien beteiligt gewesen sein. Das Unternehmen ist in Argentinien registriert. In Russland ist Söldnertum illegal. 

Zentralafrikanische Republik

Im Februar 2018 hatte der französische Radiosender „Europe No. 1“ über russische Kämpfer der Söldnertruppe „Wagner“ in der Zentralafrikanischen Republik berichtet. Drei russische Journalisten, die im Auftrag des Kreml-Kritikers Michail Chodorkowskij in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) waren und über die Gruppe Wagner recherchierten, wurden bei einem Überfall im August 2018 ermordet (siehe hier). Es deutet vieles darauf hin, dass ihre Nachforschungen zur Gruppe Wagner der Grund für ihren Tod waren. 

Nachdem Frankreich seine Militär- und Finanzhilfe gestoppt hatte, lieferte Russland 2018: 4.320 Militärlaster, 6.200 Kalaschnikow-Gewehre, 900 automatische Makarov-Pistolen, 270 Raketenwerfer und 20 Boden-Luft-Raketen. Gleichzeitig kamen die ersten russischen Militärberater in die Zentralafrikanische Republik, um die Aktivitäten russischer Unternehmen zu sichern. Der Präsident Faustin-Archange Touadéra wird von nun an von russischen Kämpfern der privaten Sicherheitsfirma „Sewa Security Services“ geschützt. Russland wird zum Gegenspieler Frankreichs. Putin spielt die Karte des „anti-imperialistischen Russlands“, das nie Kolonien in Afrika gehabt habe. Touadéras oberster Sicherheitsberater ist der ehemalige Militärgeheimdienstoffizier Valery Zakharov. 

In Mali könnte es ein ähnliches Szenario geben, sollte sich Frankreich aus dem westafrikanischen Staat zurückziehen. Die französische Monatsschrift Jeune Afrique vom August 2021 berichtet, dass es in Bamako, der Hauptstadt Malis, und Sikasso bereits mehrere prorussische und antifranzösische Kundgebungen gegeben habe. Auch in Libyen sei die „Gruppe Wagner“ fest an der Seite von Warlord Khalifa Haftar etabliert; auch dem zweitältesten Sohn von Diktator Muammar Gaddafi, Saif al-Islam Gaddafi, werden laut BBC-Online vom 12.8.2021 Kontakte zu den Söldnern nachgesagt. Russland setzt in Afrika auf anti-westliche Ressentiments. Das ist eine neue Form von Außenpolitik. 

Selbstbewusste Geopolitik mit Hilfe von „Sicherheitsfirmen“

Jeune Afrique schreibt weiter, dass durch die Gruppe Wagner der russische Einfluss auf dem Kontinent nirgends so schnell gewachsen sei wie in der Republik Zentralafrika. Vor drei Jahren begann die Gruppe, die Hauptstadt Bangui zu erobern. Aber immer noch kämpfen in vielen Teilen des Landes Milizen gegen Regierungstruppen. Die Gruppe Wagner nimmt direkt an den Kämpfen teil. Am 18. April 2021 habe Moskau von 532 Ausbildern in der ZAR gesprochen, aber gut unterrichtete Kreise bezifferten die „Ausbilder“ auf etwa 2.000. Darunter seien auch Syrer und Libyer.

Die Herrschenden in der ZAR werden zunehmend von russischen Sicherheitsfirmen wie Wagner abhängig. Der politische, wirtschaftliche und militärische Einfluss der Gruppe auf den Präsidenten Touadéra und die Regierung sei „quasi totale“ (fast vollständig). Die Regierung habe keine Kontrolle über die Entscheidungen von Wagner. Die Kommandozentrale von Wagner würde ihre Entscheidungen im Camp de Berengo (dem früheren Palast von „Kaiser“ Bokassa) fällen, bevor sie sie an den Präsidenten und an den Verteidigungsminister kommunizierten. Einheimische haben zu dem Gelände keinen Zugang. Der Sohn von Bokassa, Jean Serge Bokassa, wollte am 3. November 2020 das Mausoleum besuchen, in dem sein Vater begraben ist. Trotz der Genehmigung der Verteidigungsministerin Marie-Noelle Koyara wurde ihm der Besuch des Grabes von den Russen verweigert.

Die „Gruppe Wagner“ kämpfe aufseiten der Regierung gegen Aufständische, im Gegenzug erhalte Russland Zugang zu Minengesellschaften in der ZAR. Die Gruppe soll Anteile an Gold- und Diamantminen im Nordwesten des Landes besitzen. 17 Hubschrauber habe die Gruppe in Bangui stationiert. Häufig brächten Antonovs Waffen, Munition und anderes militärisches Material in die ZAR. 

Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte Russland auf dem afrikanischen Kontinent eine untergeordnete Rolle gespielt. Moskau überließ das Feld vorwiegend den Chinesen. Das hat sich seit 2018 geändert. Mit diesen „Sicherheitsfirmen“ testet der Kreml seine außen- und sicherheitspolitischen Absichten und unterstützt gleichzeitig autoritäre Herrscher im Tausch für Rohstoffe. Ihre Kämpfer waren in den vergangenen Jahren in vielen Ländern aktiv, in denen Russland geopolitischen Einfluss gewinnen will (in der Ukraine, in Syrien, im Sudan, in Mocambique, Libyen und eben auch in der Zentralafrikanischen Republik). 

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“, ein Afrika-ABC in Zitaten).

 

Foto: Imago

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Elias Schwarz / 08.09.2021

Bald werden die Kiddies in Deutschland gegen die Tatsache protestieren, daß Russen keine Windkrafträder in Afrika bauen.

Klaus Keller / 08.09.2021

Die spannende Frage für mich ist ob wir ​aus Afghanistan etwas gelernt haben. Wenn der lachende dritte in Afrika China ist weil der sogenannte Westen Russland für sein Hauptproblem hält, hätten wir Glück gehabt. Ich befürchte das uns ganz andere Akteure Sorgen machen werden. Nur zur Erinnerung: Die Bundeswehr benötigte russische Transportmaschinen um schweres Gerät nach Afghanistan zu fliegen. - Wenn man im kalten Krieg sozialisiert wurde kann es zum Problem werden wenn man sich weigert seine Wahrnehmung später zu vervollständigen.

Wolfgang Kolb / 08.09.2021

Lieber Herr Seitz, Man kann Russland viel vorhalten, nicht aber dass es ein gelehriger Schüler ist. Russland hat von den USA gelernt, das mit Blackrock und anderen zivielen Sicherheitsgesellschaften Einfluss nahm.

M.Besler / 08.09.2021

Russlands Rolle - ob im Orient oder in Afrika - ist stets eine destruktive. Russland verfügt weder über die Mittel noch über den Willen den Menschen in diesen Regionen wirtschaftlichen Aufschwung oder technischen Fortschritt zu bringen. Es ist allein vom Willen motiviert dem Westen möglichst zu schaden und das eigene nationale Ego zu polieren. Im Idealfall - aus russischer Sicht - sichert es sich wichtige Produktionsstädten der in den Industrienationen wichtigen Rohstoffe um dem Westen zu schaden. Die Frage ist, ob der Westen sich dies so gefallen lässt. Momentan deutet vieles darauf hin. Die Menschen in Afrika kommen erneut zwischen die Fronten des Islam, Chinas Russlands und des Westens. Überaus unerquicklich das Ganze - für alle Beteiligten. Und Deutschland ? Wir sollten uns vor abenteuerlichen Alleingängen hüten und vor allem unsere mehr als fragwürdige “Entwicklungshilfe” überdenken. Wenn wir den Russen und Chinesen in Afrika paroli bieten wollen, geht das nur mit den USA und der EU gemeinsam.  Aber selbst dann mit ungewissem Ausgang. Bevor man reingeht, sollten wir uns darüber Gedanken machen ,wie und wann wir wieder rauskommen und welchen Preis - in Euro und in Menschenleben - wir bereit sind, dafür zu zahlen. Afghanistan lässt grüßen.

Karl-Heinz Faller / 08.09.2021

Wenn Russland und China Geschäfte machen, gilt das wirtschaftliche strategische Erfolgsprinzip. Wenn Deutschland Geschäfte macht, ist die Frage, ob das Material aus zertifiziertem Anbau kommt, ob die Frauenquote eingehalten und unsere Mindestanforderungen an Lieferkettenstandards eingehalten wurden. Wir sind eine Lachnummer.

P. Giebler / 08.09.2021

Es ist die Embargo-Politik des Westens, die dieses Vorgehen Russlands fördert. Es entspricht den nationalen Interessen des Landes. Einem Land wie Deutschland sind solche Interessen völlig abhanden gekommen.

Walter Erbert / 08.09.2021

@¡Kay Ströhmer: Ob dem BND keine gegenteiligen Erkenntnisse vorliegen, wissen wir nicht. Aber wir können sicher sein, dass weder im Auswärtigen Amt, noch im BMVg jemand gegenteilige Erkenntnisse gelesen hat. Und hätte er es getan, so hat er diese ganz gewiss nicht den jeweiligen Ministern mitgeteilt.

Andreas Rochow / 08.09.2021

Dagegen soll globalistischer Pazifismus und die “humanitäre” Geldpumpe helfen? Das zeigt auch, wie verpeilt der UN-Sicherheitsrat ist, eine völlig dysfunktionale Einrichtung! Und Deutschland pflegt seine hypermoralischen Ambitionen, indem es illegale Schlepperbanden finanziert und mit freien Betten im Sozialstaat lockt! Und nebenbei läuft sein Handel mit Waffen und Kriegsgerät bestens. Von “unterbrochenen Lieferketten” war hier nichts zu hören. Und sollte erst wieder nach der EU-ropäischen Lösung gerufen werden - gute Nacht. Was tun eigentlich all die NGOs in der ZAR? Arbeiten sie mit den Wagners zusammen? Und die Impfärzte ohne Grenzen, ach die Grenzenlosen genannt? Fragen über Fragen. Aber wir sind ja hier nicht in der Bundespressekonferenz.

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