Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Rechtzeitig vor der Leipziger Buchmesse machen die Frauen mobil. Sie haben die Nase voll. So kann es nicht weiter gehen. Schluss mit der Bevorzugung der Männer in den deutschen Belletristik-Verlagen, verlangten die Literaturwissenschaftlerinnen Berit Glanz und Nicole Seifert schon Ende vorigen Jahres. Jetzt können sie mit Zahlen aufwarten.
Bei der Durchsicht der Frühjahrsprogramme unter anderem von Hanser, S. Fischer und Rowohlt stellten sie fest: Abermals kommen bloß zwei Autorinnen auf drei Autoren. Genauso auf der Vorschlagsliste für den „Leipziger Buchpreis“ im schöngeistigen Bereich.
Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und höchste Zeit, den Verlegern heimzuleuchten. Auf der Messe Mitte März sieht man sich wieder. Die Frauen meinen es ernst, wenn sie auch nicht ernst zu nehmen sind. Sicher neigen Lektoren gelegentlich dazu, das Werk eines Freundes dem einer unbekannten Debütantin vorzuziehen. Ebenso wenig sind Gefälligkeiten bei der Verteilung literarischer Ehrungen auszuschließen. Nicht jede Entscheidung der Juroren mag jedem einleuchten.
Doch muss, wer immer geehrt werden will, erst einmal ein literarisches Werk vorgelegt haben, einen Roman, Erzählungen, Novellen, Gedichte oder Essays. Anders geht es nicht, noch nicht. Allein mit der Annahme, das Zeug für eine schriftstellerische Karriere zu haben, ist kein Blumentopf zu gewinnen. Und da das Talent eben nicht geschlechtsspezifisch verteilt wird, bleibt es den Frauen wie den Männern unbenommen, ihrer Schaffenskraft freien Lauf zu lassen.
Wichtiger als das einfache Leben
Dass die Frauen dies seltener tun, ist eine Tatsache, aber bestimmt keine Folge der „Unterdrückung“. Diejenigen, die in ihrer Berufung aufgingen, denen sie wichtiger war als das einfache Leben, haben sich seit jeher durchgesetzt, von Annette von Droste-Hülshoff über Ricarda Huch und Else Lasker-Schüler bis zu Ingeborg Bachmann und Sarah Kirsch oder Anke Stelling, der Leipziger Buchpreisträgerin des Vorjahres.
Niemand kann niemandem das Schreiben im stillen Kämmerlein verwehren, die Qual der Suche nach den rechten Worten, dem einmaligen Ausdruck. Die Berufsverbote, die es früher gab, waren allemal politisch verhängt. Sie trafen Künstler beiderlei Geschlechts. Heute kann von „Diskriminierung“ keine Rede mehr sein. Wer solchen Unsinn faselt, instrumentalisiert das künstlerische Schaffen ideologisch. Auch das Bemühen um die „Gleichstellung“ von Mann und Frau rechtfertigt nicht jeden Schwindel.
Der Beruf des Schriftstellers ist keiner, den man erlernen könnte. Niemand wird zum Literaten berufen wie auf den Vorstandsposten eines DAX-Konzerns. Die Voraussetzung der Begabung schließt die Gefahr der Benachteiligung von vornherein aus. Für den gegenteiligen Verdacht gibt es keinen Beweise. Unter den wenigen Literaturnobelpreisträgern deutscher Sprache nach 1945 sind zwei Frauen, Elfriede Jelinek und Herta Müller.
Im Sinkflug der Geschlechter
Würde jetzt dennoch der Proporz der Geschlechter bei der Gestaltung von Verlagsprogrammen und der Vergabe von Auszeichnungen in den Vordergrund rücken, liefe das nun in der Tat auf eine Diskriminierung hinaus. Jede zukünftige Preisträgerin wäre dem Zweifel ausgesetzt, eher wegen ihres Geschlechtes als für ihre Leistung geehrt worden zu sein. Ganz abgesehen davon, dass das zu einer weiteren Absenkung des ohnehin schon sinkenden Niveaus literarischer Ansprüche führen würde. Bedeutendes verfiele dem Verdikt, weil das jeweils andere Geschlecht zu seinem Recht kommen soll.
Freilich sind es dann doch auch wieder die Männer, die dem Ganzen die Krone aufsetzen, indem sie vor dem Zeitgeist katzbuckeln. So rühmen sie sich beispielsweise in Leipzig, bei der Besetzung der diesjährigen Buchpreis-Jury auf „ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis“ geachtet zu haben: vier Frauen, drei Männer. Dafür, dass der weibliche Anteil am aktuellen Programm des Hanser-Verlages bei nur 22 Prozent liegt, entschuldigte sich der Chef mit dem Hinweis auf einen Autorenstamm, dem einfach noch zu viele Männer angehören. Veränderungen könnten sich daher „erst nach und nach in Proportionen niederschlagen“.
Bei so viel männlichem Selbstvertrauen muss den Frauen nicht bange sein um ihre schriftstellerische Platzierung in der Zukunft. Möge doch aus der Literatur werden, was da wolle.