Catherine Deneuve ist eine ältere, sehr schöne Dame, und sie ist Französin. Meryl Streep ist etwas jünger, nicht ganz so schön und Amerikanerin. Sie stehen in der alten Menschheitsfrage, ob Männer Schweine sind, an entgegengesetzten Fronten.
Madame meint, man müsse dem Mann im Sinne einer interessanten Sexual-Atmophäre die eine oder andere kleine Schweinerei durchgehen lassen. Und nicht gleich die Feuerwehr rufen, wenn sich eine Männerhand uneingeladen, aber gezielt verirren sollte. Meryl Streep befürwortet den Feueralarm auch bei kleinen Feuerchen, die man (frau) im Zweifel selbst löschen könnte. Und sie ist für den Alarmruf auch dann, wenn er mit ein, zwei Jahrzehnten Verspätung kommt, wenn das Flämmchen längst erloschen ist. Es geht ums Prinzip. Einig sind sich beide darüber, dass Gewalt und die Ausnutzung einer Machtposition nicht zu dulden sind.
Dazu ist viel gesagt und geschrieben worden. Ich möchte mich auf einen Blick auf den landsmannschaftlichen Aspekt dieses Damen-Kriegs beschränken. Dieser Kriegsbericht ist nicht ganz ernst gemeint und neigt zu Verallgemeinerungen. Aber mich reizt der Gedanke, dass es sich auch um einen Krieg zwischen Frankreich und Angelsachsien handelt, das hier von Amerika und England repräsentiert wird.
Die Briten haben das Thema schon vor langem sprachlich auf einen einfachen Nenner gebracht: Immer wenn es „vornehm“ oder „anrüchig“, also erotisch knisternd wird, benutzen Engländer gerne Wörter französischen Ursprungs. Denn das besonders Feine, das Genüssliche und das erotisch Knisternde sehen sie eher auf der gallischen Seite des Kanals beheimatet. Während die Angelsachsen die Welt mit dem Puritanismus beglückt haben.
Der Puritanismus hat sich nie ganz verabschiedet
Amerikaner und Briten können es Frankreich nur schwer verzeihen, dass Französinnen in ihren Augen über ein besonderes feminines Flair verfügen, um das sich angelsächsische Frauen – so die Selbsteinschätzung – auch dann vergebens bemühen, wenn sie es den Französinnen an textiler Eleganz fast gleich tun. Auch dass das inzwischen gute Essen in England großenteils ein französischer Import ist, kommt einer bitteren Pille gleich.
Was nun das Verhältnis der Geschlechter zueinander angeht, so hat sich der Puritanismus in Angelsachsien nie ganz verabschiedet, auch dann nicht, als sich die sexuelle Revolution scheinbar durchgesetzt hat. In Amerika herrschte auch zu lockersten Zeiten eine Nippel-Phobie, die den Damen nur an wenigen, von europäischen Touristen stark besuchten Stränden das Sonnen oben ohne erlaubte. Und jeder Schritt zum Laissez-faire – bezeichnenderweise ein französisches Wort – wird dieser Tage wieder schrittweise zurückgenommen.
Auch der Geschlechterkampf, wie er sich inzwischen darstellt, nimmt immer mehr einen puritanischen Akzent an. Während die puritanische Intoleranz des frühen Amerika (Neuenglands) von den Männern ausging und zum Export der Hexenverbrennung in die Neue Welt führte, geht die puritanische Strenge heute von Frauen aus, die sich von Männern nicht mehr anmachen lassen wollen. Dass dabei oft übers Ziel hinaus geschossen wird, ist Teil der stürmischen Bewegung.
Denn wieder einmal bewegt sich die Geschichte in Wellen. Den lockeren Sitten des 18. Jahrhunderts folgte die bis zur Muffigkeit verengte Spießbürgerlichkeit des 19. Jahrhunderts. Der großen und durchaus problematischen Freiheit und Libertinage (Achtung: französisch!) der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts folgt die große, ebenfalls problematische Strenge das begonnenen 21. Jahrhunderts.
Gegen solche Wellen stemmt sich auch der stärkste Wellenbrecher vergebens. Sie nehmen ihren Lauf, und nur wer jung ist und Zeit hat, eines Tages ihr Abflauen zu erleben, kann sich auf die nächste Gegenbewegung freuen oder sie fürchten.
Freisinn in einem schönen bunten Kleid
Dass ausgerechnet einige Französinnen versuchen, sich gegen den neopuritanischen Tsunami zu stemmen, halte ich für keinen Zufall. Die Franzosen haben sich schon immer mehr als andere Europäer gegen die Angelsachsisierung der westlichen Welt gewehrt. Natürlich haben sich trotzdem McDonalds und Le Weekend einen Weg ins französische Leben gebahnt. Aber Franzosen erwarten mehr als andere, dass ihr Besuch aus Angelsachsien wenigstens versucht, ihre Sprache zu sprechen, was spracharme Briten und Amerikaner als eine arrogante Zumutung empfinden. Und wie McDonalds, so kriecht auch der neue Puritanismus nach Frankreich hinein.
Aber immerhin wehrt sich eine Diva, die als ewige Schönheit gelernt hat, wie man sich unerwünschter Zudringlichkeit erwehrt und wie man mit einer charmanten Annäherung umgeht. Das ist nun mal eine eher französische Kunst und eine, die der Puritanismus niemals erlernen wird.
Und Deutschland? In diesem Kampf der gemischten Gefühle hat es die deutsche Darstellerin Barbara Meier gewagt, bei den Golden Globes nicht im schwarzen Gesinnungskorsett zu erscheinen, sondern sie hat ihren Freisinn in einem schönen bunten Kleid demonstriert. Dafür hätte sie einen Oskar verdient, auch auf die Gefahr hin, von ihren Geschlechtsgenossinnen als Hexe verbrannt zu werden.
Beides geschieht natürlich nicht. Das ist ein – wenn auch bescheidener – Hinweis darauf, dass die Welt noch nicht völlig zum Absurdistan geworden ist.