Von Katharina B. Otto.
Ich schreibe hier aus meiner Perspektive als Transfrau und Biologin. Ich bin weder bekloppt noch sehe ich aus wie ein Mann in Frauenkleidern.
Ich schreibe hier aus meiner Perspektive als Transfrau (und Biologin), daher verwende ich ausnahmslos die weibliche Form. Außerdem verwende ich die Begriffe „Transperson“ und „Transidentität“, da „Transsexualität“ oft mit sexueller Orientierung konnotiert ist, die allerdings mit dem Thema nichts zu tun hat. Ebenso wird der Begriff „Geschlechtsangleichung“ verwendet, da eine Umwandlung natürlich nicht möglich ist. Intersexualität, Binarität und so weiter spreche ich nicht an. Um es gleich klarzustellen: Aus Sicht der Biologie gibt es beim Menschen genau zwei Geschlechter, männlich und weiblich.
Alles andere, wie zum Beispiel Intersexualität, Geschlechtsdysphorie (Transidentität), Chromosomenabweichungen (zum Beispiel Klinefelter- und Turner-Syndrom) sind Abweichungen von dieser Norm. Diese sind sehr selten, also eine kleine Minderheit (Transidentität laut MSD-Manual 2022: Männer ca. 0,005–0,014 Prozent, Frauen 0,002–0,003 Prozent). Ich persönlich kann mit den zahlreichen „Geschlechtern“ nichts anfangen. Ich habe eine Identität als Frau (habe ich immer gehabt und wurde deswegen lange Jahre gemobbt), auch wenn ich in einem männlichen Körper geboren wurde, und möchte daher als Frau leben und nicht als irgendetwas Diffuses.
Transidentität ist nichts, was sich irgendeine von uns Transpersonen ausgesucht hat. Alle Transfrauen, die ich kenne, haben seit ihrer Kindheit das Empfinden, dass ihre Geschlechtsidentität nicht mit dem Körper, in dem sie geboren wurden, übereinstimmt. Hierfür gibt es vermutete Ursachen. Es spielen wahrscheinlich sowohl biologische als auch soziale Faktoren eine Rolle. Aus Zwillingsstudien gibt es starke Hinweise auf eine genetische Komponente bei der Entstehung von Transidentität. Einige Studien zur Bildgebung des Gehirns zeigen funktionelle und anatomische Unterschiede bei transidenten Menschen, die eher mit ihrem gefühltem Geschlecht als mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmen.
Dieses kann mit hormonellen Störungen vor der Geburt zusammenhängen (Quellen liegen der Autorin vor). Die Bildung der Geschlechtsidentität/Geschlechterrolle wird aber auch von sozialen Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel dem Charakter der emotionalen Bindung der Eltern oder die Beziehung, die jeder Elternteil zum Kind hat. In der einschlägigen Forschung herrscht mittlerweile die Überzeugung vor, dass eine „echte“ Transidentität handfeste körperliche Ursachen haben kann. Insbesondere wenn diese Abweichung bereits im Kindesalter empfunden wird, ist eine biologisch-medizinische Ursache eher wahrscheinlich.
Die Befreiung aus einem dunklen Kerker
Alle mir bekannten Transfrauen haben einen zum Teil sehr langen Leidensweg hinter sich, bevor sie den Mut gefunden haben, zu ihrem „Anderssein“ zu stehen. Bei mir hat es 60 Jahre gedauert. Das hat natürlich Gründe. In meiner Kindheit und Jugend war das Thema einfach ein absolutes Tabu und hätte wahrscheinlich den gesellschaftlichen Ausschluss bedeutet. Dazu hätte es extrem viel Mut gebraucht, und den hatte ich nicht. Das bereits erwähnte Mobbing hat mir schon gereicht. Später habe ich das Thema einfach mehr oder weniger erfolgreich verdrängt beziehungsweise heimlich ausgelebt und versucht, mich in die Rolle als Mann einzufinden.
Dass das mit immer stärker werdenden psychosomatischen Beschwerden (bei mir am Ende bis hin zu Erstickungsanfällen, Depressionen, Suizidgedanken und so weiter) verbunden war, merkte ich erst, als alle diese Symptome schlagartig verschwanden, nachdem ich mich entschlossen hatte, zukünftig als Frau zu leben. Lesen Sie das Buch „Endlich Nora“, dann wissen Sie was ich meine. Ich habe meinen Körper mein Leben lang abgelehnt (mit den entsprechenden Folgen), jetzt kann ich ihn endlich lieben. Es war wie die Befreiung aus einem dunklen Kerker, in dem ich mein Leben lang eingesperrt war. Endlich war ich frei und konnte das Licht sehen. Natürlich kommen ab und zu Zweifel auf, ob die Entscheidungen richtig waren, insbesondere mir als gläubiger Christin.
Wenn ich mir allerdings dann die Alternativen anschaue (zurück in den Kerker mit allen Folgen für Körper und Psyche), weiß ich, dass alles seine Richtigkeit hatte. Es gibt sicherlich Menschen, die bereuen, eine Transition gemacht zu haben. Das ist allerdings ein verschwindend geringer Anteil. Alle meine Bekannten sind sehr glücklich, diesen Weg beschritten zu haben. Sie empfinden es wie ich als eine Befreiung. Ich habe übrigens bisher noch keine Transfrau mit behaarten Beinen, Bierbauch und muskelbepackten Oberarmen kennengelernt. Im Gegenteil, sie sehen oft sehr weiblich aus (Siehe dazu auch die Zitate am Ende dieses Textes).
Wir wollen nichts Besonderes sein
Menschen, die meinen, nach so einem Entschluss fängt der leichte Teil an, irren. Der Weg bis zur Geschlechtsangleichung ist hart. Darum gehen ihn auch fast nur die Menschen, die wirklich transident sind und unter einem hohen Leidensdruck stehen. Die Behandlung mit Hormonen und die geschlechtsangleichende Operation sind heftige Eingriffe in den Organismus, die aber bei mir zum Beispiel notwendig waren, um meinen Frieden zu finden. Nur wenige Transpersonen nehmen zwar Hormone, verzichten aber auf das Risiko der Operation. Im sozialen Umfeld habe ich erst meine Frau, einen guten Freund, meine Kirchengemeinde, in der ich sehr aktiv war und dann meine Arbeit verloren.
Ich hatte das Glück, dass meine komplette (große) Familie und die meisten meiner Freunde hinter mir stehen. Viele von uns verlieren auch das. In meiner Nachbarschaft erntete ich großes Verständnis, selbst meine über 80-jährigen Nachbarn hatten keinerlei Problem. Sie kannten das bereits aus den Medien. Nur bei bestimmten Nationalitäten stoße ich auf Unverständnis. Auch einige Christen (ich war in einer religiösen Einrichtung tätig und Gott macht ja keine Fehler) haben mich fallen gelassen. Gottseidank fand ich sehr gute Ärzte und Psychologen, die mich da auffangen konnten. Außerdem war mir meine Freundin eine sehr wertvolle Stütze, ohne die ich den Weg wahrscheinlich so nicht geschafft hätte.
Heute bin ich nach Abschluss der Transition stabil und habe wieder erfolgreich angefangen zu arbeiten. Ich bin dort nicht geoutet und werde als Frau akzeptiert. Das ist übrigens ein Grund, warum ich es wichtig finde, dass bestimmte Dokumente geändert werden können, wie zum Beispiel Abschlusszeugnisse (Grundbucheinträge müssen bei Namensänderung sowieso geändert werden, genau wie Fahrzeugpapiere und so weiter). Wenn ich mich mit einem „männlichen“ Zeugnis bewerbe und dann als Frau auftrete, oute ich mich ja automatisch und das wollen wir vermeiden, weil wir eben nichts Besonderes, keine Exoten sein möchten.
Die allermeisten Transpersonen möchten keine Aufmerksamkeit
Noch einige Anmerkungen zu Themen, die zur Zeit durch die Medien geistern. Den sogenannten Transaktivisten stehe ich eher kritisch gegenüber. Oft sind es keine Betroffenen, die sich anmaßen, für uns zu sprechen. Es werden Themen hochgekocht, die für uns Betroffene nur von geringerer Relevanz sind. Als Transfrau gehe ich selbstverständlich auf eine Damentoilette und in die Damenumkleide. Alles andere würde schon sehr merkwürdig wirken, da ich eben weiblich aussehe. Schutzräume für Frauen (zum Beispiel Frauenhäuser) müssen selbstverständlich für Frauen (inklusive Transfrauen während und nach der Transition) reserviert sein.
Männer, die meinen, ohne einen Nachweis ihrer tatsächlichen Transition bleiben zu müssen und weiterhin ihre männlichen Geschlechtsmerkmale haben, sollten dort keinen oder nur nach eingehender Prüfung Zutritt haben. Die Aufmerksamkeit, die derzeit Transpersonen „entgegenschlägt“, hat dazu geführt, dass wir wahrgenommen werden. In meinem Umfeld ist das positiv gewesen. Immer wenn ich zum Beispiel meinen Namenswechsel angeben musste, wurde das sehr freundlich aufgenommen.
Allerdings kann das Pendel auch zur anderen Seite ausschlagen und bei zu großer Penetranz oder Lächerlichkeit der Forderungen (zum Beispiel diese ganze unsägliche Genderei) in Verachtung und Hass umschlagen. Die allermeisten Transpersonen möchten keine Aufmerksamkeit. Sie möchten in Ruhe gelassen werden und ihr Leben leben, sozusagen in die Normalität abtauchen. Wenn das gelingt, ist ein Leben als Transfrau in unserem Land sehr gut und ohne Probleme möglich.
Warum soll ich stolz sein?
Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen und finde es völlig inakzeptabel, diese ohne sehr gewichtigen Grund (zum Beispiel sehr hoher Leidensdruck) zu ermutigen, eine Geschlechtsangleichung vorzunehmen (dass Eltern auf jeden Fall bis zu einem Alter der Betroffenen von 18 Jahren – von Ausnahmen abgesehen – mit einbezogen werden müssen, halte ich für unverzichtbar). Mein Rat an jede und jeden, egal welchen Alters, aber speziell Kinder und Jugendliche, wäre, erst mal abzuwarten und vor unabänderlichen Eingriffen zunächst eine gute Beratung in Anspruch zu nehmen. Ich habe zum Beispiel sehr gute Berater gehabt, es gibt sie. Insofern halte ich die Begutachtung von Spezialisten auch für sehr wichtig.
Die Abschaffung dieses Prozederes im Rahmen des neuen Selbstbestimmungsgesetzes ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Allerdings bin ich dafür, dass die Kosten für die Begutachtung, die im vierstelligen Bereich liegen, abgesenkt werden. Die Bestimmung, dass der Name und der Geschlechtseintrag jedes Jahr geändert werden kann, ist aus dieser Sicht völlig daneben. Man kann sich natürlich auch in so einer Sache irren, aber das dürfte dann ja mit einem einmaligen Vorgang zu beheben sein.
Bevor Sie Ihren Hass und Ihre Verachtung niederschreiben…
Und jetzt einige Zitate aus einem Achgut-Beitrag zu diesem Thema sowie Kommentaren unter diesem und zwei ähnlichen Beiträgen:
„Warum gehen die Transidenten nicht einfach den „Pride“-Weg der anderen Queer-Formatigen und bekennen sich zu ihrem Anderssein? Warum skandieren sie nicht frei nach alter Homo-Losung: 'Say it clear, say it loud, I am trans and I am proud!'? Warum das staatlich verordnete Tarnen und Täuschen, das Verstecken und Verschweigen, das weit über das jedem zustehende Recht auf Privatsphäre hinausgeht?“
Erstens: Warum soll ich stolz auf etwas sein, was ich nicht gemacht oder mir ausgesucht habe? Zweitens: Weil es Menschen gibt, die sich über uns lustig machen, die uns beschimpfen und am liebsten in der Psychiatrie sehen würden und weil wir lange genug gelitten haben, genau deshalb.
Ich kann mir vorstellen – nein, eigentlich möchte ich das gar nicht – was jetzt in den Kommentaren möglicherweise passieren wird. Bevor jemand seinen Hass und seine Verachtung niederschreibt, möge er bedenken, dass auch wir eine Menschenwürde besitzen, dass wir uns das alles nicht ausgesucht haben und dass die meisten von uns niemanden zu unserem Weg überreden, sondern einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.
„Das Thema gehört in die Gummizelle.“
„Wer Transmenschen wirklich liebt, sagt ihnen, dass sie krank sind und Heilung benötigen.“
„Das reine Gefühl ‚ich fühle mich im falschen Körper‘ ist daher bestenfalls eine psychosexuelle Störung …“
„ … darf man sich auch hier nicht das ‚Grundnarrativ‘ von Bekloppten oder psychisch Gestörten vorgeben lassen.“
„therapiebedürftiges Gelichter“
„Es scheint keine wissenschaftlichen Daten zu geben, dass die Behandlungen medizinisch-ethisch überhaupt sinnvoll sind und nicht in viel größerer Zahl die psychische Störung des Betroffenen noch schlimmer macht.“
„Als Gentleman kann man etwas mitspielen und dem ‚kleinen Fräulein‘ mit den haarigen Beinen, dem Bierbauch, den muskelbepackten Oberarmen die Tür aufhalten.“
Das sind nur einige Zitate aus den Kommentarspalten unter drei Artikeln auf der Achse des Guten. In den Artikeln selbst finden sich übrigens auch Beispiele, wie bei „Hafer ohne Hupen“:
„Daher ist es wurscht, ob Sie oder ich ... als Frauen verkleidete Männer ‚normal‘ finden.“
„... und eine Frau, die sich vom Unterarm geschältes Gewebe zwischen die Beine nähen lässt, verwandelt sich nicht in einen Mann, sondern in eine Frau mit Fleischwurst.“
Um das alles mal zusammenzufassen: Transpersonen sind also bekloppt, krank, therapiebedürftig, Gelichter, psychisch gestört und gehören in die Gummizelle. Transfrauen haben behaarte Beine, einen Bierbauch und muskelbepackte Oberarme und Transmänner eine Fleischwurst.
Wenn ich so etwas lese, frage ich mich allen Ernstes, ob die Schreiber sich überhaupt mal über das Thema informiert haben, geschweige denn mit Transpersonen jemals Kontakt hatten (es gibt jede Menge sehr guter Dokus/Sendungen im Fernsehen und Youtube, in denen sehr respektvoll mit Transpersonen umgegangen wird, zum Beispiel das „Nachtcafé“). Die Aussagen sind so verkehrt wie menschenverachtend, sodass man gerne hinter die Hecke gehen würde, um (Entschuldigung) zu kotzen. Sie wissen nichts über das jahre- bis jahrzehntelange Leiden, das Versteckspiel, die Scham, mit der Transpersonen leben. Täten sie das, könnten sie nicht mehr so schreiben, sich lustig machen (wenn es auch noch so subtil daherkommt), Menschen, die anders sind, fertig machen.
Ich bin als Transfrau selber Betroffene und bin weder bekloppt noch habe ich die oben beschriebenen körperlichen Merkmale. Das erstere weiß ich übrigens deshalb so genau, weil bisher psychische Störungen vor einer offiziellen Änderung des Vornamens und des Personenstandes sowie einer eventuellen späteren Transition (Geschlechtsangleichung) sicher durch psychiatrische oder psychologische Begutachtung ausgeschlossen werden müssen, unter anderem auch damit die Krankenkassen die Kosten für den medizinischen Teil übernehmen (siehe hier). Ich kann versichern, das sind keine Gefälligkeitsgutachten.
Katharina B. Otto ist Transfrau und arbeitet als Biologin. Sie schreibt unter Pseudonym.