Wolfgang Meins / 23.10.2018 / 06:10 / Foto: Superbass / 60 / Seite ausdrucken

Psychische Immigrations-Folgen bei Deutschen? Gibt es nicht!

Eigentlich sollten in diesem Beitrag die wichtigsten Ergebnisse aus einem, wie ich finde, durchaus relevanten Forschungsgebiet dargelegt und diskutiert werden: Beiträge aus Psychiatrie und Psychologie zu den psychischen Folgen von Migration, genauer: Immigration. Aber ausnahmsweise einmal nicht bei den Migranten, sondern der einheimischen Bevölkerung beziehungsweise bestimmten Unter- oder Risikogruppen. Aber daraus ist mangels Masse nichts geworden.

Lässt man allein die Immigration nach Deutschland in den letzten knapp vier Jahren noch einmal Revue passieren, drängen sich dem Autor jede Menge Forschungsthemen dazu auf. Hier eine kleine Auswahl:

(a) Wie ging oder geht es den Hamburger Familien, die vor wenigen Jahren in einem kleinen Neubaugebiet in guter, ruhiger und stadtnaher Lage ein Reihen- oder Einfamilienhaus erworben hatten und quasi enteignet wurden, weil ihnen in unmittelbarer Nachbarschaft – unter Zuhilfenahme des Polizeirechts – auf einem eigentlich nicht zur Bebauung zugelassenen Areal eine Folgeunterkunft für 700 „Flüchtlinge“ neben den Gartenzaun gesetzt wurde? Wer würde sich jetzt dort noch ein Haus kaufen, außer vielleicht mit massiven Preisabschlägen? 

(b) Wie unterscheidet sich der psychische Gesundheitszustand von Polizisten in Bezirken mit hohem „Flüchtlings“- beziehungsweise Migrantenanteil oder von Angehörigen anderer Berufsgruppen, die ebenfalls dort tätig sind, wo man den kalten Atem des staatlichen Kontrollverlustes unmittelbarer spürt, von denjenigen, die, sagen wir mal, in friedfertigeren Zonen ihren Dienst versehen?

(c) Wie ist es um den psychischen Gesundheitszustand der teils nur noch in Spurenelementen vorhandenen, alteingesessenen Bevölkerung in bestimmten Vierteln von Berlin, Duisburg, Essen oder auch Salzgitter bestellt? 

(d) Wie kommen Lehrerinnen oder auch junge Mädchen seelisch damit zu recht, wenn ein erheblicher Anteil der Jungs in ihrer Klasse oder Schule aus frauenfeindlichen Kulturen stammt, samt den dazu gehörigen Verhaltensweisen?

Die Einheimischen ducken sich weg

Eine in der Fachdiskussion stark beachtete, bereits 2007 veröffentlichte, soziologische Arbeit von Putnam behandelt den Themenkomplex Immigration und Einheimische. Der international äußerst renommierte US-Soziologe hat anhand einer großen Stichprobe in den USA die Auswirkungen der Einwanderung auf das Sozialkapital – Vertrauen, Gegenseitigkeit und Gemeinschaftsleben – untersucht:  Je größer der Einwanderer-Anteil in einer Gemeinde, desto geringer wird nicht nur das Vertrauen zwischen Einwanderern und Einheimischen, sondern bemerkenswerterweise auch innerhalb der beiden Gruppen. Dieses geringere Vertrauen spiegelt sich wider in vielerlei Formen reduzierter Kooperation. Die in einer Gemeinde mit hohem Einwanderer-Anteil lebenden Einheimischen ziehen sich zurück oder, wie Putnam es ausdrückt, ducken sich weg. 

Solche Entwicklungen sind kaum vorstellbar ohne begleitende psychische Spuren und Verwerfungen, um die sich der Soziologe Putnam verständlicherweise nicht näher gekümmert hat. Es gäbe also für die psychologische und psychiatrische Forschung auf diesem Gebiet zweifelsohne zahlreiche Betätigungsfelder. Das unterstreicht auch die regelmäßige GfK-Meinungsumfrage, in der 2016 und 2017 das Thema Zuwanderung/Integration den Deutschen die weitaus größten Sorgen oder Ängste bereitete, in der Höhe vergleichbar nur mit der Angst vor Arbeitslosigkeit zehn Jahre zuvor. 

Allerdings war ich bisher, bei zugegebenermaßen bloß unsystematischer Suche, noch nie auf eine psychologische oder psychiatrische empirische Studie zu dieser oder einer ähnlichen Thematik gestoßen. Also höchste Zeit für eine systematische Recherche.

Diese erfolgte in mehr als zehn Varianten auf Deutsch und Englisch: unter anderem unter „impact of immigration on mental health of natives“ bei Google und Google Scholar. Ergebnis: Weder in der deutschen noch der angloamerikanischen Literatur fand sich auch nur ein einziger Treffer. Dafür aber bis zum Abwinken Publikationen zu psychischen Problemen von Migranten. Dieses Ausmaß von Einseitigkeit fand ich dann doch etwas überraschend, zumal die Psychologie ansonsten ja selbst ausgesprochen abseitige Themen durchaus mit Hingabe bearbeitet.  

Psychisches Leiden der Einheimischen inexistent?

Wenn eben festgestellt wurde, dass die Suchanfragen gar keinen Treffer ergeben haben, stimmt das nicht ganz. Gibt man bei der deutschsprachigen Suche statt seelische Gesundheit den Begriff Angst ein, erhält man neben dem oben verlinkten Welt-Artikel zur GfK-Umfrage unter den ersten zehn Ergebnissen weitere drei Treffer. Allerdings keine wissenschaftlichen Studien, sondern lediglich noch drei Medienbeiträge: Für Spon geht es dabei zum einen um den Nachweis, dass die Ängste natürlich unbegründet seien und zum anderen darum, wie man ihnen polittaktisch am besten begegne. Auch für den Tagesspiegel sind die Ängste „oft unbegründet“, „wenn die Einheimischen auf einmal in der Minderheit sind“. Tröstlich, tröstlich. Etwas überraschend findet sich ausgerechnet in der SZ ein breites Spektrum von Leserbriefen zu einer Kolumne über die Furcht von Frauen vor sexuellen Übergriffen durch „Flüchtlinge“. 

Man könnte nun durchaus die Meinung vertreten, dass wissenschaftliche Forschung zu den psychischen Migrationsfolgen bei der einheimischen Bevölkerung den Betroffenen auch nicht viel nütze und eine angemessene präventive Migrationspolitik letztlich sehr viel effektiver sei. Da ist zweifelsohne was dran. Aber unabhängig von solchen Erwägungen ist es doch geradezu erschütternd, dass berechtigterweise anzunehmendes psychisches Leiden von Teilen der einheimischen Bevölkerung in Folge der Immigration von der Wissenschaft und ihrem Umfeld offenbar als nicht existent oder irrelevant angesehen wird – frei nach dem Motto: Wie soll etwas Bereicherndes denn schaden können?

Tatsächlich dürften die Ursachen für dieses Desinteresse breiter gefächert sein: Befürchtungen, die falsche Seite mit politisch unkorrekten Ergebnissen zu munitionieren, zu erwartende Probleme bei der Einwerbung von Forschungsmitteln und natürlich Feigheit in Verbindung mit der Befürchtung, die Karriere ansonsten vielleicht an die Wand zu fahren. Von dem Stress mit den lieben Kollegen und Studenten mal ganz zu schweigen. 

Der Autor, Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins, ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.

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Klaus Fritz / 23.10.2018

Danke für diesen Beitrag. Das Thema beschäftigt mich schon länger. Nehmen wir einmal das Sonderheft der renommierten Zeitschrift »Psyche« über Flüchtlinge (2016). Kein einziges Wort über reale Probleme durch Migration. Das Erklärungsmuster lautet: Wer Angst oder auch nur Sorgen angesichts der Masseneinwanderung hat, projiziert irgendwelche irrationalen verdrängten Ängste auf die Neuankömmlinge. Was natürlich behandelt werden muss. Dass massive Wanderungsbewegungen historisch gesehen oft mit Vertreibungen und Genoziden einhergingen, dass sie, wie im Artikel beschrieben, auch zu enormem Stress in der Aufnahmegesellschaft führen können, das alles kommt nicht vor. Wer Angst vor Fremden hat, ist immer im Unrecht. Nur ein einer irgendwie verschämten Fußnote wird erwähnt, dass Freud selbst durchaus auch die real begründete, nicht neurotische Fremdenangst kennt. Das Ganze hat mich an die Psychiatrisierung von Dissidenten in der Sowjetunion erinnert. Wie viele aus den einschlägigen Berufsgruppen würden so etwas wieder tun? Oder tun es bereits in einer sanfteren Form?

M. Haumann / 23.10.2018

Eine systematische Untersuchung dieses Themas würde mich auch sehr interessieren, in Bezug auf ganz normale Bürger und besonders betroffene Berufsgruppen. Aus vertraulichen Gesprächen weiss ich, dass bei vielen ein grosser Bedarf nach Mitteilung ihrer Sorgen und Ängste herrscht, die aber aus Furcht vor beruflichen und sozialen Konsequenzen nur unter Sicherung strikter Anonymität offen reden würden. Mit der Finanzierung dürfte es natürlich schwierig werden. Es gibt doch diesen Verein wohlhabender Regierungskritiker, der die AfD unterstützt. Vielleicht haben die noch Mittel für eine unabhängige Studie frei?

Marie-Jeanne Decourroux / 23.10.2018

Eric Zemmour, prominenter französischerJournalist und Autor mehrerer Bücher (als Jude algerischer Herkunft selbst Immigrant), plädierte am 5. Oktober 2018 in einem Interview bei Radio Courtoisie für die Notwendigkeit, dass sich Einwanderer vollständig assimilieren, auch wenn sie einen Bruch mit ihrer Herkunftskultur hinnehmen müssten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die ins Gedächtnis zu rufen und zu beherzigen für die psychische Gesundheit ALLER zweifellos am zuträglichsten wäre…

Alexander Wildenhoff / 23.10.2018

Herr Prof Meins, natürlich gibt es keine monokausalen Erklärungen für das „Desinteresse“ an solchen Studien.  Aber Sie kennen den universitären Bereich zur Genüge um zu wissen, wie Forschungsgelder für Drittmittelprojekte eingeworben werden. Die Zauberworte, die im Antrag erscheinen müssen, heißen „Gender“ und „Inklusion“ und „Klimawandel“.  Da sprudelt es. Und in welchem politischen Lager die Gutachterinnen stehen, dürfte sich ja auch in der Allgemeinbevölkerung herumgesprochen haben.  Keine gute Prognose für die von Ihnen zu Recht angemahnten, ausstehenden Studien. Zumindest nicht im gegenwärtigen politischen Umfeld.

Berthold Tillmann / 23.10.2018

Aber gibt es nicht eine frisch gefakte ‘Studie’ der Bertelsmännli und Bertelsweibli, die von Begeisterungsstürmen der Anwohner von Asylbewerberunterkünften berichtete und überall herum gezeigt wurde?

Detlef Rogge / 23.10.2018

Ein ganz ausgezeichneter Artikel! Ich gehöre zur Kategorie „Spurenelemente“ der vom Autor unter c) Genannten in einem Berliner Stadtteil. Bis zu einem gewissen Grad greift Verdrängung, um sich mit dem Status des evolutionären Verlierers zu arrangieren. Dazu gehört, sich konsequent keinesfalls Nachrichten und Talkrunden zum Thema im öffentlich rechtlichen Fernsehen auszusetzen und Zeitungen des politischen Mainstreams vollständig zu meiden. Seit einiger Zeit frage ich mich, was wäre, wenn man sich mit der Selbstdiagnose Islamophobie in fachkundige Behandlung begeben wollte. Halten GOÄ und GOP entsprechende Abrechnungsmöglichkeiten überhaupt vor, und wären Therapeuten auf eine derartige Behandlung überhaupt vorbereitet? Einfach verlockend der Gedanke, mit einem quacksalbernden altachtundsechziger Psychologen auf den Spuren auslösender Traumata im multikulturellen Paradies.

Karla Kuhn / 23.10.2018

“a) Wie ging oder geht es den Hamburger Familien, die vor wenigen Jahren in einem kleinen Neubaugebiet in guter, ruhiger und stadtnaher Lage ein Reihen- oder Einfamilienhaus erworben hatten und quasi enteignet wurden, weil ihnen in unmittelbarer Nachbarschaft – unter Zuhilfenahme des Polizeirechts – auf einem eigentlich nicht zur Bebauung zugelassenen Areal eine Folgeunterkunft für 700 „Flüchtlinge“ neben den Gartenzaun gesetzt wurde? Wer würde sich jetzt dort noch ein Haus kaufen, außer vielleicht mit massiven Preisabschlägen? ”  Danke für wieder ein brisantes Thema.  Glaubt wirklich jemand daß die das interessiert ?  Eigentlich müßten die -besonders älteren ehemaligen DDR Bürger ich auch,  die sich bereits in der DDR in der “inneren Immigration befunden haben, dankbar sein, für diese harte Schule. Was mich betrifft, aber auch viele Bekannte und Freunde von mir, wir sind “gewappnet”, wir suchen uns WIEDER unsere Nischen.  Es ist leider so, wie gewählt, so erhalten. Laut G.E. müssen wir ja DANKBAR und FROH sein, daß die alle zu uns kommen, besonders die “PÖSEN PEGIDA SACHSEN”.  Ich habe ein Video angeschaut, wo diese wirklich hochintelligente FRAU, nach deren Meinung Dresden von den NAZIS zerbomt wurde, gesagt hat, daß WIR FROH SEIN MÜSSEN; ÜBER DIE FLÜCHTLINGE; WEIL DIE; AUCH FÜR DIE PEGIDA TEILNEHMER, die gegen die Flüchtlinge demonstrieren,  UNSERE RENTEN ERWIRTSCHAFFEN. !!!  NA JA,  Göring- E. erwirtschaftet bestimmt keine Rente, die wird LEIDER auch vom Steuerzahler alimentiert.  GOTT SEI DANK ist auch diese Dame endlich !!

Thomas Taterka / 23.10.2018

Die Probanden reagieren immer gleich und in folgenden Schritten. 1. Nicht wahrhaben wollen 2.Zorn 3.Verhandeln 4.Depression 5.Zustimmung Wie bei einer Krebsdiagnose !

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