Die Unterzeichner forderten die Politik auf, Messerangriffe von Migranten vor allem als Problem der psychiatrischen Versorgung zu verstehen. Warum fragt keiner, wie migrantische Messergewalt die Wahnwelt von einheimischen schizophrenen Erkrankten beeinflusst?
Die Zeiten, in denen ich die Fachdiskussion in den relevanten deutschen und internationalen psychiatrischen Zeitschriften engmaschig und recht umfassend verfolgte, liegen nun schon länger zurück. Deshalb möge es mir nachgesehen werden, erst jetzt einen Artikel zu würdigen, auf den mich dankenswerterweise ein Kollege aufmerksam machte. Dieser Artikel erschien bereits im März d. J. in einer psychiatrischen Fachzeitschrift – und außerdem noch in der taz – unter dem etwas kryptischen Titel „Zuviel des Guten? Psychiatrie und Psychotherapie für alles und jeden? Zu wenig des Notwendigen? Ein Plädoyer an die Politik!“
Wir erinnern uns: Bei dem Messerangriff eines Somaliers in Aschaffenburg, der eigentlich schon längst hätte abgeschoben sein sollen, wurden am 22. Januar d. J. ein marokkanisches Kleinkind und ein Deutscher getötet sowie drei weitere Menschen schwer verletzt, darunter ein weiteres Kleinkind. Laut eines mittlerweile vorliegenden psychiatrischen Gutachtens sei der Täter zur Tat schuldunfähig gewesen, auf Grund einer schweren psychischen Störung.
Zu eben diesem Attentat wurde, mit einer gewissen Latenz, der hier interessierende offene Brief veröffentlicht, wobei der Anlass weniger das Attentat, sondern eher die daraus folgenden politischen Diskussionen und Bundestagsbeschlüsse zu sein scheinen, bei denen die CDU doch tatsächlich einmal gemeinsam mit der AfD abstimmte bzw., wie es im offenen Brief heißt, „die Zustimmung der AfD billigend in Kauf“ genommen habe. Bei dem Verfasser dieses Briefes handelt es sich um einen in einschlägigen Kreisen Hamburgs nicht ganz unbekannten Uralt-Linken, Prof. Dr. Thomas Bock. Der ist zwar längst im Rentenalter angekommen, leitet als Psychologe aber offensichtlich immer noch eine Spezialambulanz für psychotische Patienten im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), also der Klinik, in der ich einen wesentlichen Teil der Facharztweiterbildung absolviert und mich habilitiert habe.
Es wird spekuliert
Unterzeichnet haben den Brief seinerzeit 40 Psychiatrieschaffende, darunter auch mehrere (psychiatrische) Hochschulprofessoren und Chefärzte, u.a. des UKE, der Berliner Charité und Leipziger Uniklinik. Dieser etwa einseitige offene Brief beginnt pflichtschuldigst mit dem Verweis auf die eigene Fassungslosigkeit und der Hoffnung „auf eine nachdenkliche und nachhaltige Diskussion“, was immer man sich in diesem Kontext genau darunter vorzustellen hat. Der Täter, so heißt es weiter, sei schon etwas länger hier und „nicht gerade durch die Grenzkontrollen geschlüpft“. Der Autor versucht hier erkennbar – und doch wohl wider besseres Wissen – zu suggerieren, dass bei der Einreise nach Deutschland irgendwelche Grenzhindernisse zu überwinden gewesen seien, so, als hätte er noch nie etwas von dem Zauberwort Asyl gehört – was jedes Schlüpfen völlig überflüssig macht.
Prof. Bock verfügt leider über keinerlei Insiderwissen, sondern spekuliert hinsichtlich des Täters einfach mal drauflos: „(…) er ist mehrfach aufgefallen, war offensichtlich selbst in großer Not, wurde mehrfach in die Psychiatrie eingewiesen oder ist freiwillig dorthin gegangen. Wenn die Daten aus der Presse stimmen, wurde er jedes Mal nach wenigen Stunden wieder entlassen – mit oder ohne Medikation. War das angemessen?“
Eigentlich könnte es aus psychiatrischer Sicht jetzt anfangen, interessant zu werden. Aber da kommt nichts mehr. Nichts zu dem anhaltenden Problem, das Merkels Grenzöffnung der ohnehin seinerzeit schon mit Personalknappheit kämpfenden Psychiatrie aufgehalst hat: (u.a.) jede Menge junger Männer aus gewaltaffinen Kulturen, deren Sprache man ganz überwiegend nicht versteht, und Dolmetschern, die nicht unbedingt zur Verfügung stehen, wenn es gerade erforderlich ist, und von denen niemand weiß, wie wortgetreu sie eigentlich übersetzen. Allein dieses Sprachproblem erschwert oder verunmöglicht es, in Verbindung mit der kulturellen Andersartigkeit, das Gefährdungspotenzial fundiert einzuschätzen. Salopp formuliert: Muss er bleiben, notfalls auch gegen seinen Willen – oder lassen wir ihn laufen?
Märchenstunde
Dann tischt der offene Brief schlicht ein Märchen auf, nämlich die beim Aschaffenburger Attentäter angeblich vorgelegene „schwere traumatische Erfahrung vor, während oder nach der Flucht“, um dann völlig ins Spekulative abzugleiten: „Wer Gewalt erlebt, hat vielleicht ein höheres Risiko, gewalttätig zu werden.“ Mittlerweile wurde dem Täter allerdings Schuldunfähigkeit attestiert, was wiederum zwingend bedeutet, das hier mitnichten ein Trauma bzw. eine daraus resultierende posttraumatische Belastungsstörung das psychiatrische Problem darstellte, da eine solche Störung nach allgemeiner fachlicher Übereinkunft praktisch so gut wie nie im juristischen Sinne Schuldunfähigkeit bedingen kann.
Vielmehr weist das Gutachten auf das Naheliegende hin, dass nämlich beim Täter eine psychotische Störung vorgelegen hat, also aller Wahrscheinlichkeit nach eine Schizophrenie. Aber Traumatisierung hört sich natürlich nicht nur besser an als Schizophrenie, sondern soll auch an unser Mitgefühl und letztlich unsere Mitverantwortung appelieren: Wir hätten dem Traumatisierten doch helfen müssen!
Ansonsten gilt natürlich auch hier: Bloß kein Wort zu der Tatsache verlieren, dass hinsichtlich der seit 2015 ins Land geströmten Migranten – nach dem in der Fachwelt breit akzeptierten Stand der internationalen psychiatrischen Forschung – davon auszugehen ist, dass bei ihnen die Schizophrenie, je nach Herkunftsregion, zwei- bis fünfmal häufiger vorkommt als bei der hiesigen Bevölkerung, obwohl diese Erkrankung weltweit in etwa gleich häufig vorkommt. Diese Befunde sind zu eindeutig, um geleugnet zu werden, aber das Beschweigen kann eben auch eine Alternative sein. Wobei sich die deutsche, ähnlich wie nahezu die gesamte westliche Psychiatrie erkennbar davor scheut, diese Tatsache ohne ideologische Scheuklappen auf ihre möglichen Ursachen hin näher abzuklopfen.
Runter vom moralischen Hochsitz
Dabei liegt die Wahrheit aller Wahrscheinlichkeit nach nun wirklich nicht allzu weit entfernt. Die psychiatrische Forschung müsste dazu bloß ihren moralischen Hochsitz verlassen und zwei Aspekte der Realität vorurteilsfrei zur Kenntnis nehmen: Die in den letzten 10 Jahren nach Deutschland gelangten (Asyl-)Migranten stammen ganz überwiegend aus Ländern, in denen der IQ im Mittel deutlich niedriger ausfällt als bei den schon länger hier Lebenden. Und, Überraschung, der (niedrige) IQ ist nicht der einzige, aber eben ein ungewöhnlich starker Risikofaktor für die Schizophrenie. Aber stattdessen wird, z.B. auch von dem den offenen Brief mitunterzeichnenden Charité-Chef, allen Ernstes der Frage nachgegangen, ob nicht (selbst wahrgenommener) Rassismus in den Aufnahmegesellschaften wesentliche Ursache für die exzessive Schizophreniehäufigkeit der Migranten sein könnte, ohne den IQ auch nur zu erwähnen. Als Trost bleibt da nur der Verweis darauf, dass es seinerzeit auch bei der Erforschung der Ursachen von Lungenkrebs etliche Jahre gedauert hat, bis die Lobbyisten der Tabakindustrie und ihr korrumpiertes wissenschaftliches Gefolge kapitulieren mussten.
Aber zurück zum offenen Brief, der nun in einen weiteren schweren Konflikt mit der Realität gerät: „Sehr geehrter Herr Merz, als Konsequenz rufen Sie auf, die Grenzen zu schließen, Migranten abzuweisen und abzuschieben (…)“. Das dann folgende Gejammer über die AfD lassen wir hier mal beiseite, nicht aber die messerscharfe Schlussfolgerung: „Keiner Ihrer aktuellen Vorschläge hätte den schrecklichen Vorfall von Aschaffenburg verhindert.“ Natürlich hätte er das, wenn der „Vorschlag“ von Merz nur zwei Jahre früher gekommen und – ganz wichtig – sofort konsequent umgesetzt worden wäre. Und wäre er zehn Jahre früher gekommen, wären schlicht und einfach Hunderte noch am Leben und Tausende nicht an Körper und Seele verletzt worden.
Stattdessen geht in dem offenen Brief das Geschwurbel ungehemmt weiter: „Das mögliche Dilemma der Anlaufstellen(?) ist subtiler, die Balance von Hilfs- und Schutzmaßnahmen immer schwierig. Viele Fragen sind offen. Wir wehren uns gegen den politischen Missbrauch dieser komplexen Situation.“ Für den nächsten offenen Brief empfehle ich dem Autor, vorab kurz innezuhalten, die Gedanken zu ordnen und sie erst dann zu Papier oder auf den Bildschirm zu bringen.
Ein offener Diskurs ist überfällig
Im Anschluss wird es nun völlig schräg. Denn jetzt wird – unter Leugnung der eigenen Verantwortung – der CDU-Chef direkt adressiert: „Warum, Herr Merz, fordern Sie nicht mehr und noch sorgfältigere psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik für alle Menschen in seelischer Not – egal welcher Nationalität?“ Wenn der Prof. Bock damit zum Ausdruck bringen möchte, dass die deutsche Psychiatrie bereits am Limit ist oder vielleicht auch bereits jenseits davon, wäre es dann nicht eigentlich logisch oder gar zwingend, dem Kanzler für seine aktuelle Asyl-Offensive zu danken? Oder, alternativ, wenigstens klipp und klar zu den absolut logischen Konsequenzen seiner Meinung zu stehen: Wir können derzeit zwar weder die einheimischen noch die zugewanderten asylmigrantischen Patienten angemessen versorgen, und die anhaltend offenen Grenzen werden dieses Problem selbstverständlich weiter verschärfen. Aber wichtiger für uns ist, dass die Grenzen offen bleiben und Deutschland ein sicherer Hafen für alle Verfolgten dieser Erde bleibt, auch wenn das leider zu einer noch schlechteren Versorgung, noch mehr Toten, Verletzten und Traumatisierten führt.
Wenn es zum Schluss heißt: „Uns geht es um einen gründlichen Diskurs und sorgfältig überlegte Konsequenzen“, kann den Unterzeichnern eigentlich nur zugerufen werden: Dann fangt doch endlich mal bei Euch selbst an, diesen gründlichen Diskurs in den psychiatrischen Fachgesellschaften und Zeitschriften offen, ohne Scheuklappen und Denkverbote zu führen, im Kleinen wie im Großen. Und geht dabei, nur als aktuelles Beispiel, auch mal solchen Fragen nach, ob die migrantische Messergewalt nicht bereits begonnen hat, die Wahnwelt von einheimischen schizophrenen Erkrankten zu „infizieren“, was z.B. bei der kürzlich auf dem Hamburger Hauptbahnhof um sich stechenden (deutschen) Attentäterin eine naheliegende Erklärung für ihr Verhalten sein könnte.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im zivilrechtlichen Bereich.