Auch hierzulande richten sogenannte "Nichtregierungs-Organisationen" (NGO) oft gewaltige wirtschaftliche Schäden an. Die betroffenen Unternehmen geben aus Angst vor Imageschäden meist klein bei, egal ob die Vorwürfe stimmen oder nicht. In USA ändert sich das gerade.
Die Schadensersatzklage eines texanischen Energieunternehmers bedroht die Existenz des US-Zweigs von Greenpeace. Das berichtet das Wall Street Journal.
Es geht um eine Pipeline im US-Bundesstaat North Dakota, gegen deren Bau Greenpeace vor Jahren zusammen mit indigenen Organisationen protestiert hatte. Zeltlager wurden errichtet. Dabei sollen die Bauarbeiten behindert worden sein.
Im Dezember 2014 hatte der Pipeline-Betreiber Energy Transfer Partners mit Sitz in Dallas bei der US-Regierung den Bau der 2.000 Kilometer langen und 3,8 Milliarden Dollar teuren Dakota Access-Pipeline beantragt, um täglich eine halbe Million Barrel Öl aus North Dakota durch die Dakotas und Iowa zu einem Verteilungspunkt in Illinois zu transportieren. 2016 und 2017 errichteten Gegner der Pipeline im Süden von North Dakota Protestlager. Wie die Nachrichtenagentur AP im Oktober 2017 berichtete, „kampierten Greenpeace, Indianerstämme und Tausende anderer Aktivisten in einer abgelegenen Ecke von North Dakota, um das Projekt zu blockieren“. Die monatelangen Proteste hätten die Fertigstellung der Ölpipeline behindert und seien zu einem „Brennpunkt im Kampf um fossile Brennstoffe“ geworden. „Bilder von teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften machten international Schlagzeilen.“
Der Kläger gegen Greenpeace ist Kelcy Warren, CEO von Energy Transfer. Das Unternehmen ist börsennotiert und hat derzeit eine Marktkapitalisierung von rund 55 Milliarden Dollar. Warrens Vermögen wird laut dem Bericht auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Er verklagt Greenpeace, weil er der Organisation vorwirft, seinem Unternehmen erheblichen Schaden zugefügt zu haben, indem sie versuchte, den Bau der Pipeline zu verhindern. Die erste Klage, die Warren 2017 bei einem Bundesgericht eingereicht hatte, wurde abgewiesen. Der neue Prozess, der im Februar 2025 beginnen soll, findet vor einem Gericht in North Dakota statt.
Greenpeace sieht sich als Opfer
Greenpeace sieht sich als unschuldig verfolgtes Opfer. In einer Stellungnahme wird die Klage als „eine der ungeheuerlichsten SLAPP-Klagen weltweit“ bezeichnet. Die Abkürzung SLAPP bedeutet: strategic lawsuit againstpublic participation. Auf Deutsch: „strategische Klage gegen Bürgerbeteiligung“. Laut Wikipedia ist SLAPP „eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker einzuschüchtern und ihre öffentlich vorgebrachte Kritik zu unterbinden“. Genau dies sei die Absicht, behauptet Greenpeace:
„Wie alle SLAPP-Verfahren ist auch die aktuelle, unbegründete Klage von Energy Transfer gegen Greenpeace in Höhe von 300 Millionen US-Dollar ein Angriff auf zwei Schlüsselelemente öffentlichen Engagements: freie Meinungsäußerung und friedlicher Protest.“
Energy Transfer sieht das naturgemäß anders. In einer Erklärung heißt es:
„In unserer Klage gegen Greenpeace geht es nicht um freie Meinungsäußerung, wie sie behaupten. Es geht darum, dass sie sich nicht an das Gesetz halten. Wir unterstützen das Recht aller Amerikaner, ihre Meinung zu äußern und rechtmäßig zu protestieren. Wenn dies jedoch nicht im Einklang mit unseren Gesetzen geschieht, haben wir ein Rechtssystem, um damit umzugehen.“
In der Klage von Energy Transfer wird behauptet, mehrere Greenpeace-Organisationen hätten die Proteste angestiftet, Angriffe zur Beschädigung der Pipeline finanziert und Falschinformationen über das Unternehmen und sein Projekt verbreitet. Greenpeace war nicht nur an den Protesten und Blockaden beteiligt, sondern hatte auch öffentlich Druck auf Banken ausgeübt, die Pipeline nicht zu finanzieren.
Greenpeace gibt in den Gerichtsakten an, dass die Organisation bei den Protesten, die von indigenen Gruppen organisiert worden seien, nur eine begrenzte Rolle gespielt habe. An der Zerstörung von Eigentum oder an Gewalt sei die Organisation zu keinem Zeitpunkt beteiligt gewesen.
Energy Transfer fordert 300 Millionen Dollar Schadenersatz, was laut Greenpeace USA den Bankrott für die Organisation bedeuten würde. Deepa Padmanabha, stellvertretende Geschäftsführerin von Greenpeace USA, sagte, die Klage sei „eine existenzielle Bedrohung“ für die Gruppe.
Es sei indessen „unwahrscheinlich“, schreibt das Wall Street Journal, dass der Rechtsstreit Auswirkungen auf Greenpeaces internationale Aktivitäten haben werde:
„Zwar ist auch die niederländische Koordinierungsstelle des Greenpeace-Netzwerks Beklagte, doch Energy Transfer dürfte Schwierigkeiten haben, einen Anspruch gegen sie durchzusetzen, da sie in den USA keine Vermögenswerte besitzt.“
Greenpeace sagt jedoch, dass der Verlust ihrer Niederlassung – und ihres Einflusses – in den USA die „Fähigkeit der Organisation, den Klimawandel zu bekämpfen“, erheblich beeinträchtigen würde.
EU-Richtlinie soll Greenpeace schützen
Laut dem Wall Street Journal hat Greenpeace in Dallas, wo Warren lebt, Radiospots gekauft, in denen es heißt: „Dies ist Amerika, wir haben alle ein Recht zu sprechen – aber Energy Transfer ist anderer Meinung.“,Während Warren laut dem Wall Street Journal ein Verbündeter von Ex-Präsident Donald Trump ist, stehen Politiker der Demokraten aufseiten von Greenpeace. Das gibt dem Prozess zusätzliche Brisanz. „Die 300-Millionen-Dollar-Klage von Energy Transfer gegen Greenpeace zeigt, wie Megakonzerne juristische Strategien einsetzen, um ihre Kritiker unter Druck zu setzen und zu vernichten“, behauptet Jamie Raskin, Abgeordneter der Demokraten im US-Repräsentantenhaus. Raskin plant ein Gesetzesvorlagen, das solche Klagen unterbinden soll.
In der EU gibt es eine solche Richtlinie seit kurzem. „Die Richtlinie soll Einzelpersonen und Organisationen, die von sogenannten SLAPP-Klagen („strategic lawsuits against public participation“) betroffen sind, durch spezielle Maßnahmen und Verfahrensgarantien schützen“, schreibt die Bundesrechtsanwaltskammer.
Greenpeace droht nun dem Pipelinekonzern, diesen vor einem Gericht in den Niederlanden zu verklagen unter Verweis auf eben diese Richtlinie. Die New York Times schreibt:
„Der Brief (der Anwälte von Greenpeace; S.F.) forderte das klagende Unternehmen Energy Transfer aus Dallas auf, seine Klage gegen Greenpeace International fallen zu lassen und Schadensersatz für seine Prozesskosten zu zahlen, andernfalls riskiere man eine Gegenklage nach den neuen europäischen Regeln.“
Dies sei, so die Zeitung, ein erster Test der „Anti-SLAPP-Regeln“ der EU:
„Die Richtlinie, die in diesem Jahr in Kraft trat, wurde durch eine lange Kampagne von Journalisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen vorangetrieben, denen zufolge mächtige Interessengruppen versuchten, sie mit langen, kostspieligen Rechtsstreitigkeiten zu überfordern. Die Richtlinie weist nationale Regierungen an, Urteile in ausländischen SLAPP-Klagen nicht anzuerkennen und Gegenklagen zuzulassen. Sie überlässt es den nationalen Regierungen, zu entscheiden, was eine SLAPP-Klage ist.“
Hier droht die Exekutive benutzt zu werden, um den Rechtsstaat auszuhebeln. Es reicht, dass ein Politiker, der mit Greenpeace sympathisiert, sagt, jegliche Klage gegen die Organisation sei „rechtsmissbräuchlich“.
Ob der Vorwurf, Greenpeace habe Energy Transfer durch illegale Aktivitäten einen Schaden zugefügt, vor Gericht bewiesen werden kann, wird sich zeigen. Der Alarmismus von Greenpeace — inklusive der Warnung vor einem Bankrott und der Drohung, vor EU-Gerichte zu ziehen, sollte Warren seine Klage nicht zurückziehen —, zeugt allerdings nicht von Zutrauen zur eigenen Rechtsposition. Wenn Greenpeace im Recht ist, sollten die Chefs der Organisation in einem rechtsstaatlichen Verfahren doch eigentlich nichts zu befürchten haben. Sie sind es aber gar nicht gewohnt, überhaupt zur Einhaltung von Gesetzen aufgefordert zu werden und bei Verstößen mit Folgen rechnen zu müssen. Greenpeace verübt seit jeher vor aller Augen Straftaten und ist dennoch als „gemeinnützig“ anerkannt. 2017 sagte Warren in einem Fernsehinterview:
„Jeder hat Angst vor diesen Umweltgruppen und Angst, dass es falsch aussehen könnte, wenn man sich gegen diese Leute zur Wehr setzt. Aber was sie uns angetan haben, ist falsch, und sie werden dafür bezahlen.“
Die Sache hat Bedeutung auch für Deutschland. Vor zwei Jahren enthüllten wir an dieser Stelle, wie der Climate Emergency Fund (CEF) mit Sitz in Kalifornien junge Leute in Deutschland durch Geldzahlungen dazu anstiftet, sich auf die Straße zu kleben. Das warf die Frage auf: Warum lassen diese reichen Amerikaner nicht vor der eigenen Haustür kleben, sondern hier bei uns? Der Fall Energy Transfer gegen Greenpeace liefert einen Hinweis. In den USA ist es offenbar eher möglich, den Rechtsstaat anzurufen — auch gegen Militante, die behaupten, vom Klima ermächtigt zu sein.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).