@Hubert Bauer: Rußland war nie demokratisch. Mit Gorbatschow und Jelzin wurde es ziemlich liberal. Aber das betraf nur die persönlichen und auch - eingeschränkt - mediale Freiheiten. Die Macht blieb immer fest in den Händen der Oberen, unter denen es freilich einigen Streit gab. Putin wurde von Jelzins US-Beratern zum Nachfolger erkoren und befördert. Die russische Öffentlichkeit kannte ihn damals kaum. Der einzige Fernsehkanal, den man bis 2000 noch in punkto Objektivität mit dem damaligen westlichen Mainstream vergleichen konnte (die anderen waren schlimmer), NTV berichtete im März 2000 über die im Herbst 1999 beim Versuch der Wohnblocksprengung ertappten FSB-Agenten. Also über ein mißlungenes Verbrechen unter Putins Verantwortung - kurz vor den Präsidentschaftswahlen, wo Putin (natürlich) trotzdem “gewählt” wurde. Im Mai kam die Rache: Steuerpolizei und FSB stürmten die NTV-Redaktion, das Personal wurde ausgetauscht. Seitdem ist auch NTV brav und linientreu. Ich war damals teilweise selbst in Moskau. Mir kann keiner aufschwatzen, das sei nur böse westliche Propaganda. Solch billige Ausreden hatten wir schon in der DDR mehr als genug. - Konnten die Russen jemals über ihre Regierung selbst entscheiden? Konnten wir das denn? Ich habe es im Herbst 1989 versucht: es wurde abgewürgt. Das mittelfristige Ergebnis erleben wir jetzt. - Übrigens sehe ich in der verlogenen “Unterstützung” des Westens für die DDR-Opposition manche Parallele zum heutigen “Stand with Ukraine”. In beiden Fällen heißt das nicht, daß SED oder Putin die Guten wären. Sondern daß der Westen mit denen unter einer Decken steckt. Die Mächtigen halten zusammen, das Volk schlägt sich, der Rubel rollt.
Im Lebensmittelgeschäft erbat ich mir heute eine Tüte “Russisch Brot”, nette Verkäuferin zeigte mir die, heißen just etwas anders, dazu erstand ich noch eine Flasche Wodka Putinoff, und all das werde ich nachher vertilgen, musikalische Untermalung dazu “Rasputin” von Boney M. - Ich denke nicht im Traum daran, wegen des Scheixxxkrieges irgendwas an meinen Vorlieben zu ändern, zumal vorhin so eine mittelalte Tusse, radfahrend, mich auf Gehweg ermahnte Platz zu machen. Dem Idiom nach eindeutig keine Russin, sondern Ukrainerin. Und das ist nur eine unter mittlerweile zahlreichen Erfahrungen mit diesen Leuten.
За дружбу! Auf die Freundschaft! Prost!
Neulich war hier irgendwo auf der Achse zu lesen, die Gesellschaft sei onanisiert. Passt auch hierzu haargenau. Heute setzt man ein sogenanntes Zeichen, welches natürlich völlig sinnfrei ist, ohne jedes persönliche Risiko. Und schon kann man sich auf der Seite der Guten, ja sogar der Widerstandskämpfer einreihen. Ob jemand russische Musik boykottiert oder sein Leben riskiert, macht für diese neuen “Helden” keinen Unterschied.
Man kann den Umbenennungsquatsch auch damit begründen, andere Völker nicht zu beleidigen. Einen Russen als Russen zu bezeichnen, müsste dann auch ein Problem sein. Jeder Sorbe, Däne oder sonstige geborene Deutsche ist und bleibt ein Deutscher, solange dieser die Staatsbürgerschaft besitzt. Aber bei einigen Geschäften vermute ich die Sorge, terroristische Angriffe auf ihre Läden, wenn irgendwas mit russisch oder Russland vorhanden. Die Intelligenz vieler Bürger ist sehr begrenzt.
Sehr geehrter Herr Cueni, eigentlich freue ich mich immer, wenn es wieder was von Ihnen zu lesen gibt. Aber diesmal kommen dann doch Zweifel über Ihre Motivation auf. Jetzt mal Hand aufs Herz: Gibt es für Putinbashing einen Extrabonus ?
Diese Umbenennungsversuche klingen höchst unbeholfen. Das US-Repräsentantenhaus hat es vor fast 20 Jahren vorgemacht, als man den Franzosen, die partout nicht im Irak-Krieg mitspielen wollten, einen schweren Schlag versetzte. In den Kantinen des Repräsentantenhauses wurden French Fries in Freedom Fries umbenannt. Also kann es für den Russenzopf doch nur the one and only Bezeichnung geben: Freiheitszopf. Nimm das, Putin! ROFL
@Hubert Bauer : “Vielmehr stellt sich mir die Frage was die primitiven Menschen in Tschetschenien, Dagistan und Sibirien… ” Erlauben Sie mal ! Es gibt seit der glorreichen Oktoberrevolution dort nur noch allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeiten . Sie diffamieren hier diesen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte vor 105 Jahren auf das übelste ... Natürlich kennt dort jeder Tolstojs Opus ” Sonderoperation und Frieden ” in der jeweils aktuellen Fassung ...
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