Roger Letsch / 13.11.2018 / 15:00 / 21 / Seite ausdrucken

Polizeiruf 110, dann Kapuze über den Kopf

Die Pionier-Organisation der DDR hatte für ihre blau/rot behalstuchten Knirpse wichtige Ämter zu vergeben, wozu neben dem Gruppenratsvorsitzenden, einer Art Dreikäsehoch-Staatsratsvorsitzenden auch ein Amt für Agitation und Propaganda gehörte: der Wandzeitungsredakteur. Das bedeutete, Kolumnen aus „Junge Welt“ oder „Neues Deutschland“ ausschneiden, schmissige Überschriften dazu basteln…irgendwas mit Kampf, Arbeiterklasse und deren Feinden, den Imperialisten, ging immer. Dazu Nägel, zwischen denen Zwirnsfäden Texte mit Bildern von Lenin, Pieck und Thälmann verbanden und das ganze möglichst flächenfüllend auf dem mit rotem Fahnenstoff bespannten Brett verteilen. So geht Propaganda…

Dachten Sie! So geht Propaganda nämlich nicht, was hingegen so ging, war verordnete politisch überfrachtete Schulpolitik der DDR, der sich die meisten Kinder zwar ergaben, jedoch nur die wenigsten einen inneren Bezug zur allgegenwärtigen, langweiligen Politiksülze hatten. Man nahm das so hin, wie man das Wetter hinnahm, zog die Kapuze über den Kopf und ließ den Regen vorüberziehen.

Das regelmäßige Bestücken der Wandzeitungen anlässlich revolutionärer Jubeltage wie dem 1. Mai oder dem „Tag der NVA“ geriet im Laufe des sich immer schleppender vollziehenden Sieges des Sozialismus ohnehin immer mehr ins Hintertreffen, bis in den Achtziger Jahren diese Bretter, welche die Schüler selbst bestücken UND deren Inhalte sie eifrig glauben sollten, nach und nach abgehängt wurden und verschwanden. Es war unterm Strich wohl doch alles etwas dick aufgetragen und jeder merkte das.

Heute wissen wir, dass Propaganda, wenn sie wirksam sein soll, niemals plump und belehrend, sondern subtil und verführerisch sein muss, sonst stößt sie sauer auf. Die Deutschen, denen in ARD und ZDF in jeder Nachrichtensendung vermittelt wird, wie gut es ihnen doch ginge und wie übel es um sie herum bestellt sei – von der Welt weiter weg, hinter den sieben Trump-Bergen und bei den sieben Salvini-Zwergen ganz zu schweigen – diese Deutschen haben jedoch in letzter Zeit immer öfter das Gefühl, dass in ihrer heilen Welt irgend etwas nicht ganz in Ordnung sein kann. Gerade weil immer wieder betont wird, dem wäre so. Nur die anderen, die würden langsam alle durchdrehen. Gefahr droht der Gegenwart nur, wenn die Gestaltung der Zukunft nicht in bewährten Händen bliebe. Ignorance is bliss!

Dieselnazis, Meinungsnazis und Nazinazis (AfD)

Das Leben ist zu kurz, um ihm auch noch Zeit für schlechte Fernsehserien abzuzwacken und aus diesem Grund habe ich in meinem ganzen Leben noch keine Folge „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ gesehen. Da beide mit den Mitteln staatlich organisierter Zwangsbeglückung finanziert werden, sage ich mir zudem, dass man zwar mein Geld requirieren kann, aber nicht auch noch meine Zeit. Und wenn ich doch mal absichtsvoll ins Programm schaue, dann nicht zum Gucken, sondern zum Beobachten. Für den Polizeiruf „Für Janina” vom 11.11.2018, der im moralischen Rahmen der stattfindenden „Gerechtigkeits-los-wochos“ bei der ARD ausgestrahlt wurde, habe ich dank der ARD-Mediathek eine solche Ausnahme gemacht.

Vergessen wir mal die Handlung, ignorieren wir die Leistung der Schauspieler, die ohne erkennbaren Grund zwischen den Modi „Schlaftablette“ und „Speed“ hin und her springen und wenden uns der Ausstattung des Sets zu. Bei den Requisiten wird üblicherweise nichts dem Zufall überlassen, um den Schauspielern eine glaubwürdige Kulisse zu bieten. Ein Hamlet, der seine Monologe vom Smartphone abliest oder ein Ben Hur mit Armbanduhr kommen sicher nicht authentisch rüber! Was also dachten sich Regie und Set-Design, als die das Büro deutscher Polizisten nur so zupflasterten mit Symbolen einer verfassungsfeindlichen „Organisation“ wie der Antifa, „FCK…“ und „Atomkraft nein danke“-Aufklebern, vermummten Antifanten auf Plakaten und Flatterband der Marke „Atomkraft abschalten“. Antwort des 110-Social-Media-Teams: War schon immer so, gehört alles zur Rolle der Ermittlerin Katrin König, da machst nix dran.

Nun muss man kein Linksextremist oder ein Antifa-Erzengel wie Frau Stokowski sein, um etwas gegen Nazis zu haben. Vorausgesetzt, es handelt sich tatsächlich um solche und nicht einfach um die neudeutsche Sammelbezeichnung nichtlinker Selberdenker, die sich unter anderem in den Geschmacksrichtungen Klimaleugnernazis, Antifeminazis, Dieselnazis, Meinungsnazis und Nazinazis (AfD) und Seehofer wie die Karnickel zu vermehren scheinen und umso zahlreicher werden, je lauter der Kampf gegen sie beschworen wird und je großzügiger das Geld dafür fließt. Man könnte annehmen, es handele sich hier um ein dem Kobra-Effekt ähnliches Paradoxon.

Dass sich Polizeibeamte jedoch in ihren Diensträumen zu grünen Kampfthemen wie Atomkraft äußern, ist zunächst mal sehr unwahrscheinlich. Schließlich ist es angesichts einiger noch laufender AKWs ausgerechnet die Polizei, die die erforderlichen „großen Sicherheitsanfragen“ erstellt, die jeder bestehen muss, um überhaupt Zugang zu sensiblen Bereichen eines solchen Kraftwerks zu erhalten – und das ist auch gut so. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Fesselkunststücke auf den Gleisen bei Gorleben oder „Atomkraft nein danke“ Aufkleber bei der Erlangung einer Sicherheitsfreigabe eher hinderlich sind. Die Polizei verhält sich im echten Leben zum Glück doch noch etwas professioneller, als sich das ein deutscher Drehbuchschreiber ausdenken könnte.

Propaganda fällt in einem Krimi sehr viel schneller auf

Völlig befremdlich mutet es hingegen an, wenn eine Ermittlerin ihr Büro geradezu vollpflastert mit Symbolen einer Organisation, die wenig bis nichts übrig hat für Polizisten. Abgesehen natürlich von Steinen, Gehwegplatten, Stahlkugeln, Pfefferspray und Mollis, die von der Antifa bei zahlreichen Demos großzügig als Sachspende an die Beamten verschickt werden. Man könnte vermuten, dass es eine gewisse Unvereinbarkeit gibt zwischen dem Dienstauftrag der Polizei, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen, und der Bestrebung der Antifa, dieses Gewaltmonopol in Anarchie aufzulösen.

Die selbstgewählte Büro-Deko, die man der Figur König hier gönnt, ist also im besten Fall eine ziemlich heftige Inkonsistenz in der Drehbuchreihe. Wenn König etwa in der Serienfolge davor („In Flammen“) Ermittlungen gegen eine vermummte, vorgeblich rechtsextremistische Entführergestalt führt, aber eine vermummte, linksextremistische Antifagestalt auf dem Poster an ihrer Tafel ihr in der nächsten Folge schon wieder ihr Herz wärmt, sollten die Drehbuchschreiber der Profilerin König ernsthaft überlegen, ob sie dieser den richtigen Beruf verpasst haben. Oder, um es mit den Po-ethischen Worten der feinsahnigen Fischlein zu sagen, deren Fan die Kommissarin laut Drehbuch und Ausstatter auch ist: „Niemand muss Bulle sein!“

Das stimmt zweifellos. Aber bei Krimiserien gibt es andere Maßstäbe an die Konsistenz und Plausibilität von Motiv, Gelegenheit, Physik und psychischer Ausstattung aller handelnden Figuren, als bei „Bugs Bunny“ oder „Prinzessin Lillifee“. Propaganda fällt in einem Krimi sehr viel schneller auf. Die Wahrscheinlichkeit, in einem deutschen Polizeibüro auf ein Plakat der Antifa zu treffen, ist geringer als die, ein signiertes Porträt einer bestrapsten Hillary Clinton in Trumps Büro an der Wand zu finden! Und nein, eine Dartscheibe zählt in beiden Fällen nicht.

Das sollten die Produzenten, Regisseure und Drehbuchautoren bei ARD und ZDF spätestens seit den G20-Riots in Hamburg wissen. Gutes und Schlechtes hatte dieser Polizeiruf zu bieten. Gut ist, dass ich nun weiß, warum ich diesen ideologisch überladenen Käse nicht gucke. Schlecht: ich bezahle immer noch dafür.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Unbesorgt.

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Leserpost

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Thomas Weidner / 13.11.2018

Ich habe den Film abgeschaltet. So etwas Indiskutables tue ich mir nicht an. Schade, der Rostocker Polizeiruf 110 war für mich früher einer der Besten. Aber Hauptdarsteller Charly Hübner hat sich ja zwischenzeitlich als “Rote Socke” geoutet.

Sofie Lauterbach / 13.11.2018

Mal abgesehen von der Studiodeko, hatte es auch der Plot in sich: Da man den Vergewaltiger mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht mehr belangen kann, soll er mit einem gefälschten Beweisstück zur Strecke gebracht werden. Das ist eine Variante zum Aufruf einer „Journalistin“ im Spiegel, unliebsame weiße Männer mit falschen Vergewaltigungsvorwürfen zu beseitigen.

Andreas Mertens / 13.11.2018

Wer bitte (außer extrem zerrütteten Masochisten) schaut denn noch fern? Und wenn fern, dann doch bitte Netflix, Amazon und Co, wo man nur den “Content” zu sehen bekommt, für den man sich zuvor willentlich entscheiden hat. ARD & ZDF mit ihrem Legionen staatsalimentierter Parteibuchsoldaten bilden den moralinsauren Zeigefinger der Regierenden. Selbiger wird denen “die schon länger hier sind” allabendlich in den Allerwertesten geschoben. Wie wusste es schon Kermit der Frosch zu berichten: Woran merkst du das du eine Handpuppe bist? Daran des jemand seinen Arm so tief in deinem Ar…. hat das er deine Lippen bewegen kann!

Bernd Ufen / 13.11.2018

Der Tatort ist so tendenziös und einseitig geworden, dass er wirklich nicht zu ertragen ist, wer schaut sich den noch an? Allerdings will der ÖR Rundfunk offensichtlich auch seine letzten Zuschauer vergrämen. Das im “Polizeiruf 110” jetzt Schleichwerbung für linke Ansichten gemacht wird, ist nur ein Beispiel von vielen. Wer ” 37° Die Kriminalisten” am 06.11.18 im ZDF gesehen hat, weiß zumindest, das es in Essen nur Probleme mit den schon länger hier Lebenden gibt, andere tauchen gar nicht auf. Im ZDF info darf Harald Lesch in seinem Film “Wettlauf gegen die Flut” weiterlügen, obwohl er nachweislich die Unwahrheit verbreitet, auch Beschwerden beim Fernsehrat stoppen ihn nicht. Und der Sender “Phoenix” hat offenbar eine Donald Trump Psychose, anders sind die gehässigen Anwürfe nicht mehr zu erklären. Da fällt einem als kritischen Bürger nur der Satz von Henryk Broder ein: “Spieglein, Spieglein an der Wand, was ist los in diesem Land?”

M. Schöntag / 13.11.2018

Das ist wirklich übel, sich diese Produkte, die für unsere Demokratie angeblich so unabdingbar sein sollen, anzuschauen. Bemerkenswert scheint mir auch die Hauptthese zu sein, die es zu übermitteln galt. Alles ist gerechtfertigt inkl. diverser Straftaten wie Fälschung von Beweismitteln, Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen etc., solange es nur den richtigen erwischt. Jetzt benötigt es nur eine kleine Prise gedanklicher Transferleistung (welche man wohl dem Normalkomsument der öffentlich Rechtlichen gerade noch so zutraut), um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und der ÖRR wäscht seine Hände in Unschuld und hat natürlich mit nix zu tun. Eine solide Stütze der Rechtsstaatlichkeit eben. Das werden noch lustige Jahre in DE. PS: Eine Ähnlichkeit im Umgang mit dem Datenschutz bei den Fernsehanstalten und dem Beitragsservice, der damit auch gleich legitimiert ist, ist wohl rein zufällig.

M. Haumann / 13.11.2018

Für politische Propaganda war das viel zu plump gemacht, die Kamera zwang den Zuschauer doch minutenlang geradezu aufdringlich, immer wieder die linksextreme Parole anzusehen. Wir haben uns dann überlegt, dass das vielleicht inhaltliche Vorbereitungen für nächste Folgen sind, in denen die Ermittler wegen fehlender weltanschaulicher Neutralität und aufgeflogener Straftaten im Amt entlassen und verurteilt werden? Die bekamen doch schon zu Beginn der Handlung vor Gericht hohe Geldstrafen und am Schluss fälschte die Beamtin hochkriminell Beweise, um das in ihren eigenen Augen Gute und Gerechte herbeizuführen. Kann das vielleicht als Erzählung gemeint sein, wie der erbitterte und ideologisch verblendete Kampf um eine selbstgestrickte “höhere Moral” geradewegs in Unrecht und Verderben führen kann? Wäre doch ein hochaktuelles deutsches Thema…

Robert Jankowski / 13.11.2018

Demnächst gibt es dann möglichst “wirklichkeitsnahe” Ermittlungen zu einem israelischen Terroranschlag gegen al Quads Demonstranten. Wahlweise auch einen AFD Anschlag gegen eine Moschee oder die Einbettung engelsgleicher Rettungen von erfrierenden muslimischen Migranten durch Grünninen zu Weihnachten. GEZahlt wird natürlich vorher.

Gabriele Schulze / 13.11.2018

Danke für den Begriff “Selberdenker”, Herr Letsch. Betitelt mich einer politisch unangenehm oder fragt mich die Gretchenfrage - : “Bin Selberdenker”.

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